Es stockt einem fast der Atem, wenn man von Nordwesten nach Huedin kommt und auf der linken Straßenseite vom Anblick der mehrstöckigen kreischroten oder leuchtorangen, mit silbernen Türmchen und Zinnen übersäten Prachtvillen geradezu erschlagen wird.
Auf einem der Dächer prangt – das kann doch nicht wahr sein – in mehrfach wiederholter Ausführung der Mercedesstern als Dekorelement, hier offenbar Symbol für Qualität und Wohlstand, für alle gut sichtbar platziert. Ein völlig überdimensionierter Rohbau trägt die verschnörkelte Aufschrift “2008 – VILA CEL MAI TARE”. Wer es nicht ohnehin schon ahnt, weiß es spätestens jetzt. Aber wieso 2008? Hat den „Cel mai tare“ mittlerweile die Wirtschaftskrise ereilt, oder hat ihn sein Grammatikfehler frustriert (es müsste entweder heißen: „Vila celui mai tare“ – Villa des Stärksten/Härtesten, oder „Vila cea mai tare“ – die stärkste Villa)? Das müssen wir uns aus der Nähe ansehen,rufen wir wie aus einem Munde und halten mit quietschenden Bremsen.
Wir befinden uns am gegenüberliegenden Straßenrand, wo gerade eine einfache Frau vor ihr Bauernhäuschen tritt. Die Rentnerin erzählt, die Villen seien vor nicht allzu langer Zeit von neureichen Zigeunern errichtet worden, die jedoch gar nicht aus Huedin stammen. Zuerst hätten sie die ursprünglichen Bauernhäuser aufgekauft, dann abgerissen und in Nullkommanix ihre Protzklötze hingeklatscht.
Wir seien nicht die Einzigen, die davor erstaunt Halt machen, meint sie und berichtet von Bussen voller Schaulustiger, die hier gezielt eine Fotopause einlegen. Agenturen haben diese zweifelhafte touristische Attraktion offenbar längst in ihr Reiseprogramm integriert.
Zwei Romajungen schlendern die Straße hinunter. Der Kleidung nach wirken sie ärmlich, doch ist der größere mit einer dicken Goldkette behängt - ebenfalls mit Mercedesstern. Am Finger prangt ein massiver Siegelring. Zu der Villa mit dem entsprechenden Dekorelement kann er uns nichts sagen, es ist wohl nur Zufall. Oder gilt der Stern als allgemeines Glückssymbol? Doch gerne läßt er sich ablichten und hält auch noch stolz seinen Finger in die Höhe - welch eigenwilliger Kontrast zu dem schmuddeligen T-Shirt, Marke Dolce&Gabbana, immerhin.
Ein mittelalterliches rumänisches Paar, das offenbar von der Feldarbeit kommt, zieht grüßend an uns vorbei. “Fotografieren sie uns doch auch mal!” ruft die Frau in fast beleidigtem Ton. Der Mann läuft vor ihr und trägt Rechen und Heugabel auf dem Rücken - ein typisches Bild des “omul munci”. Was mag er beim Anblick der Protzvillen denken, die ihn hier täglich zu verhöhnen scheinen?
Wir hören uns um, doch niemand weiß, in welcher offenbar außergewöhnlich gewinnträchtigen Branche die Bauherren tätig sind. Die Nachbarn auf der rechten und linken Straßenseite kennen sich nicht. Aus dem Ausland soll das Geld stammen, meint die Rentnerin und versetzt mit einem vielsagenden Schmunzeln, natürlich sei es legal verdient. Was anderes würden uns die Besitzer wohl auch nicht sagen.
So bleibt uns nur, eine stumme Fotoreportage zu erstellen - mit Bildern, die allerdings Bände sprechen...