Innerhalb von nicht einmal einem Jahr verschwand zwischen Ostseeküste und Erzgebirge ein Staat. Am Abend des 9. November 1989 öffnete die Deutsche Demokratische Republik ihre Grenzübergänge zur ständigen Ausreise ihrer Staatsbürger. Keine 11 Monate später war der „erste antifaschistische Staat auf deutschem Boden“ – wie der Gründungsmythos der Sozialistischen Einheitspartei das Land darstellte – verschwunden. Verschwunden von den Landkarten, aber nicht aus den Köpfen der Menschen.
An ein Ende der Deutschen Demokratischen Republik glaubten am 9. November 1989 nur wenige Menschen. Und es war auch nicht das erste Ziel der Politiker beider Staaten. In Bonn wartete Helmut Kohl in den ersten Wochen zunächst die weiteren Entwicklungen ab und in Ost-Berlin versuchte sich die SED im Machterhalt. Erst ab Ende November wurde der Anschluss langsam eine realistische Option, die allerdings insbesondere in Frankreich und Polen Proteste hervorrief „Die Selbstbestimmung ist eine schöne Sache, aber mit den Deutschen ist es etwas anderes“, erklärte der polnische Au-ßenminister Krzysztof Skubiszewski. Darüber hinaus unterzeichneten bis zum Januar 1990 über eine Million DDR-Bürger den Aufruf „Für unser Land“, der für einen reformierten, demokratischen Sozialismus warb. Doch das Ergebnis der ersten Volkskammer-Wahl nach demokratischen Maßstäben, im März 1990, machte deutlich, dass es gleichzeitig auch die letzte sein würde.
Aus Anlass des 30. Jahrestages der Maueröffnung hat sich der in Berlin lebende Fotograf Andreas Metz auf die Suche nach den Resten der Deutschen Demokratischen Republik gemacht. Von rund 15.000 Aufnahmen haben es schließlich 500 in seinen Bildband „Ost Places – Vom Verschwinden und Wiederfinden der DDR“ geschafft. Darunter sind bekannte Motive wie das Karl-Marx-Monument in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) sowie der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, aber auch das 1958 eröffnete ehemalige Kreiskulturhaus in Rathenow sowie die „Löffelfamilie“ in Leipzig, eine historische Leuchtre-klame des ehemaligen VEB Feinkost. Eine Auswahl seiner Bilder präsentierte Metz kürzlich im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums.
„Viele meiner Bilder legen die großen und kleinen Brüche des 30-jährigen Transformationsprozesses frei. Sie werfen die Frage nach Heimat und Heimatverlust auf. Was haben wir durch die Wende gewonnen und was hat wer verloren? Was muss und was kann von der DDR im vereinigten Deutschland bewahrt werden, was besser nicht?“ Im Anschluss an den Bildervortrag diskutierte der Fotograf mit Hans Erich Tischler, dem Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt/Sibiu sowie Beatrice Ungar, der Chefredakteurin der „Hermannstädter Zeitung“ über diese Fragen. „Ich bin mir sicher, dass die nächste Generation das (die Unterschiede zwischen Ost und West) gar nicht mehr so thematisiert“, konstatierte Metz während der Diskussion.
Ein interessanter Wortbeitrag kam aus dem Publikum. Dabei kritisierte die Rednerin den gängigen Terminus „ehemalige DDR“. Denn historische Realitäten haben niemals in der Vergangenheit stattgefunden, sondern stets in ihrer eigenen Gegenwart. Das Wort „ehemalig“ bezeichnet allerdings etwas nicht mehr Existentes: Ein Mensch, der vor dem 3. Oktober 1990 in Erfurt geboren wurde, kann nur in der DDR und nicht der „ehemaligen DDR“ das Licht der Welt erblickt haben. Die Ansicht der Rednerin: Die DDR existiert nicht mehr und die heutige Bundesrepublik ist nach territorialem Gesichtspunkt nicht die gleiche wie vor dem 3. Oktober 1990 – oder vor 1957. „Ehemalig“ – auf ihre Grenzen bezogen – sei also nur die Bundesrepublik vor dem Beitritt des Saarlandes bzw. der DDR. Doch dem Terminus „ehemalige Bundesrepublik“ schob das Bundes-Innenministeriums schon 1991 einen Riegel vor.