Eine alte Sage will für uns ein lebenswichtiger Ratgeber sein. Die Sage lautet so: Ein König ging einst durch die Stadt und kam auf den Marktplatz. Dort traf er einen ehrwürdigen, alten Mann. Er fragte ihn, wer er sei und ob er etwas hier verkaufe. Der Alte gab zur Antwort: „Ich bin ein Freund der Weisheit und die Ware, die ich verkaufe, heißt Klugheit!“ Da rief der König erfreut aus: „Das ist es ja gerade, was ich brauche. Nimm hundert Scheffel Gold und gib mir dafür Klugheit.“ Darauf sagte der Weise: „Behalte dein Gold und nimm dir meine Lehre kostenfrei zu Herzen: Tue nichts, ohne reichlich darüber nachzudenken, und bei jeder deiner Taten denke an das Ende. Das sind die Lehren der Klugheit.“
Wollen wir unser Leben erfolgreich gestalten, haben wir die Klugheit so notwendig wie das tägliche Brot. Worin aber besteht die für uns so notwendige Klugheit? Der große Denker Augustinus sagt: „Die Klugheit ist das Wissen um das, was man erstreben soll und was man meiden muss“. Das unterstreicht auch der hl. Ignatius von Loyola, bloß mit anderen Worten: „Die Klugheit hat zwei Augen: Eines, das voraussieht, was man zu tun hat; das andere, das nachher prüft, was man getan hat.“ Mit solcher Klugheit ausgerüstet, können wir unser Leben erfolgreich gestalten und unser Lebenshaus erbauen, das sogar den Tod überdauert. Prüfen wir, was viele unserer Zeitgenossen als Klugheit ansehen und wonach sie ihr Leben gestalten. Sind das „kluge“ Menschen, die sich schöne Häuser bauen, sich kultiviert einrichten, aber sich nicht um die ewige Wohnung kümmern, die Gott für sie bereithält?
Viele Menschen bereiten sich sorgfältig schmackhafte Speisen, sind sehr um Essen und Trinken besorgt, denn Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, aber um eine Seelennahrung kümmern sie sich nicht. Sie sind süchtig nach Genuss und Vergnügen, verstricken sich in viele Abhängigkeiten, aber für das Brot, das Jesus als „Brot zum ewigen Leben“ verheißt, danach fühlen sie keinen Hunger. Um sich vor Krankheiten zu schützen, schlucken sie Pulver und Pillen, nehmen Tabletten und Tropfen, aber auf das heilende Wort Gottes legen sie keinen Wert. Sie suchen Zerstreuung in jeder Form, aber Einkehr zu sich selber kennen sie nicht. Sie rackern sich ab um Reichtum, horten Vermögen, das ihnen der Tod entreißen wird, aber von den wirklichen Schätzen Gottes, die ewigen Wert haben, wollen sie nichts wissen. Sie reisen und fahren in fremde Länder und Erdteile, aber für die Lebensreise, die zu Gott führt, machen sie keinen Finger krumm. Sind das „kluge“ Menschen? Prüfen wir mit allem Ernst, ob wir mit unserer Lebensreise „klug“ handeln! Wir sind sehr unklug, wenn das Dichterwort auf uns zutrifft: „Uns ist der Kinderglaube fortgenommen, doch mündig sind wir nicht, nur vaterlos! Und suchen, wie wir mit Begierden bloß, zu unserm tiefsten Glücke mögen kommen!“
Der große französische Denker Blaise Pascal (1623-1662) warnt tiefernst vor der unklugen Sorglosigkeit so vieler Menschen in den wichtigsten Anliegen des Lebens: „Diese Gleichgültigkeit auf Gefahr ewiger Verdammnis hin ist nicht mehr natürlich. In allen anderen Dingen sind die Indifferenten ganz andere Menschen. Sie sind ängstlich in Nebensachen, überlegen diese mit Vorsicht und Umsicht, und derselbe Mensch, der wegen eines verlorenen Postens oder wegen irgendeiner eingebildeten Ehrverletzung tagelang in wütender Verzweiflung ist, derselbe weiß zwar, dass er durch den Tod alles verliert, empfindet aber darüber weder Unruhe noch Schrecken. Diese sonderbare Unempfindlichkeit gegenüber den größten Schrecknissen in einem Herzen, das für Nebensächlichkeiten so empfindlich ist, das ist etwas Ungeheuerliches. Es ist ein unbegreiflicher Zauberschlaf und eine unvorstellbare Sorglosigkeit!“
Lassen wir uns von der „Klugheit“ der Weltkinder nicht verführen. Seien wir vorausblickende, kluge Menschen, die wissen, was sie erstreben und was sie meiden sollen. Öffnen wir unser Herz den Worten des Apostels Paulus (1. Kor. 3,18): „Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott.“
Seien wir kluge Bauleute. Bauen wir unser Lebenshaus nicht auf den Sand irriger Theorien von „Lebemenschen“. Der Tod wird es zerstören. Bauen wir unser Lebenshaus auf den Felsen der Lehre Christi. Dieses „klug erbaute Haus überdauert den Tod“.