„So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“ Jeremia 9,22-23
Dieser Abschnitt heißt in der Lutherbibel „Das rechte Rühmen“. Lesen wir nur den ersten Satz, fragen wir, was an diesen Imperativen Besonderes sein soll. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass es vielerlei Rühmen gibt. Bekannt ist die Werbung mit einem Mann, der Fotos vorzeigt: „Mein Auto“, „meine Frau“, „mein Kind“, „mein Haus“, „meine Kreditkarte“. Auch wir zeigen gerne Fotos und Filmchen von dem, was wir haben, aus dem Urlaub, von Feiern... Es gibt unzählige Arten, auf die man sich selbst rühmen kann. Für einige Menschen scheint ihre Identität, ihr Status, ihr Selbstwertgefühl von solchen Dingen abzuhängen. Erst das, womit man sich rühmen kann, macht das Leben für sie scheinbar wertvoll.
Eigenlob stinkt! So wurden wir erzogen. Wir reagieren negativ auf das Selbstlob anderer. Und sind auch mit uns selbst meist recht kritisch. Diesbezüglich las ich in einer Zeitschrift die Empfehlung, sich auch selbst Anerkennung auszusprechen. „Das habe ich gut gemacht“ –sollten wir uns öfters mal selbst sagen.
Aber unser Text geht weiter: „Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, …“ Der Selbstruhm wird als Klugheit definiert, die darin besteht, Gott zu (be)kennen. Sich der Erkenntnis Gottes rühmen? Gibt es Menschen, die dies in unserer Gemeinschaft so tun würden? Die davon sprechen würden – freimütig, offen, rühmend –, dass sie Gott kennen, dass sie in einem besonderen Verhältnis zu Gott stehen – oder anders gesagt: Dass ihnen der Glaube an Gott etwas bedeutet? Ich glaube, es sind nicht viele. Und wenn wir solchen Menschen begegnen, werden sie recht bald den Freikirchen zugeordnet, mit denen wir Evangelische fremdeln.
Was bedeutet aber „klug sein“ und „Gott kennen“? Das biblische Wort „erkennen“ hat mit gewahr werden, merken, spüren, erfahren, aber auch mit erkennen, begreifen, verstehen und einsehen zu tun; jemanden kennen, bedeutet, mit ihm vertraut sein, sich um ihn kümmern, ihn anerkennen. Nach biblischem Verständnis geschieht die Erkenntnis Gottes im Herzen.
Dieser Gott beschreibt sich hier als ein Gott, der sich nicht selbst rühmt, nicht seine eigene Ehre sucht. Der Gott Israels, in dessen Namen der Prophet spricht, ist ein Gott, der alles tut, um auf Erden Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit aufzurichten. Es ist der Gott für andere, der Gott der Gemeinschaft, der Gott, der nicht allein sein will, sondern sich um seine Welt kümmert. Hier ist uns ein Bild von der Menschenfreundlichkeit Gottes vor Augen gestellt.
Zur Zeit Jeremias herrschte eine unbarmherzige Wirklichkeit. Da ist vom Schrecken der Menschen die Rede, von Krieg, von Jammer und Tränen, von Ruinen und Verödung, von Klagegeschrei und Tod. Die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in unserer heutigen Welt zeigt ähnliche Erfahrungen, Leid, Ohnmacht und Hilflosigkeit. Es gibt Menschen ohne Rechte – Flüchtlinge, Menschen, die ihre Heimat verloren haben und sich mühsam eine menschenwürdige Existenz aufbauen.
Dennoch können wir unsere Hoffnung und Zuversicht auf diesen Gott setzen. Das Leiden, das wir in dieser Welt erleben, wird nicht das letzte Wort haben. Gott ist in dieser Welt gegenwärtig, er wirkt – auch gegen die augenscheinliche Wirklichkeit – für die Heilung der Welt, er bringt zurecht, was falsch ist, er richtet auf, was zerbrochen ist.
Ein solcher Glaube erscheint vielen als Zumutung. Ja, es ist eine Zumutung – aber das bedeutet auch, dass den Menschen daraus Mut erwachsen kann, Kraft zum Leben, Hoffnung auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Erkenntnis Gottes führt nach biblischer Sicht immer auch zu einer Lebensführung, die dem Wesen Gottes entspricht. Gotteserkenntnis ist niemals ein objektives Wissen über Gott und die Welt. Wir können auch sagen: Unser Herz selbst wird vom Herzschlag der Barmherzigkeit, dem Recht und der Gerechtigkeit Gottes bestimmt sein. Wer Gott erkennt, wird von ihm verwandelt werden.