Der Anwalt,der um die Rumäniendeutschen pokerte, ist verstorben

Nachruf auf RA. Dr. Heinz-Günther Hüsch

Dr. Hüsch hat mit der rumänischen Seite viele und risikoreiche Verhandlungen geführt. Dass sie geheim bleiben mussten, war eine rumänische Kernforderung. Im Bild (v.l.): Dr. Heinz-Günther Hüsch, Peter Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben und Ernst Meinhardt, der die Laudatio bei der Verleihung der „Prinz-Eugen-Nadel“ hielt.

Für seine Verdienste um die Banater Schwaben wurde Heinz-Günther Hüsch 2014 mit der „Prinz-Eugen-Nadel“ ausgezeichnet. Sie ist die höchste Auszeichnung, die die Landsmannschaft der Banater Schwaben vergibt. Sein Diplom zur Ehrung zeigte er dem Publikum und blieb in Pose für die Fotografen. Fotos: Constantin Duma

Was Unfreiheit heißt, hat Dr. Heinz-Günther Hüsch als Jugendlicher leidvoll erfahren. In der Nazi-Zeit wurde er von Altersgenossen verprügelt, weil er, statt zu Treffen der Hitlerjugend zu gehen, in der katholischen Kirche als Ministrant diente. Er sei zwar kein guter Katholik, aber ein Überzeugter, pflegte Hüsch über sich zusagen. Und auch sonst tat er so einiges aus Überzeugung: 22 Jahre lang war Hüsch Verhandlungsführer der BRD für den Freikauf der Rumäniendeutschen. Die Vereinbarungen, die Dr. Hüsch mit der rumänischen Seite traf, verhalfen vielen unsrer Landsleute in die Freiheit. Statt in einem kommunistischen Staat leben zu müssen, konnten sie in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Sie tauschten damit Diktatur gegen Demokratie, Mangelwirtschaft gegen Wohlstand, Willkür gegen Rechtsstaatlichkeit, Gleichschaltung gegen Meinungsvielfalt, Unterdrückung gegen Freiheit. Im Alter von 94 Jahren ist RA. Dr. Heinz-Günther Hüsch in der vergangenen Woche in Neuss am Rhein verstorben.

 

Dr. Hüsch erhielt im Januar 1968 von der Bundesregierung offiziell den Auftrag, mit Rumänien über die Familienzusammenführung zu verhandeln. Da war er gerade mal 38 Jahre alt, war Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen und Chef einer Anwaltskanzlei in Neuss am Rhein. Obwohl ihm alle Bundesregierungen vertrauten, war er trotzdem meist auf sich selbst angewiesen. Sein direkter Ansprechpartner, Gerd Lemmer, Staatssekretär im damaligen Bundesministerium für Vertriebene, hatte ihm mit auf den Weg gegeben: „Sollte die Sache schiefgehen – ich weiß von nichts und werde alles abstreiten.“Wie sich herausstellte, waren seinen Gesprächspartner von rumänischer Seite Offiziere des Geheimdienstes „Securitate“, die mit Rückendeckung von ganz oben handelten. Mit diesen musste Hüsch mehr als 300 Verhandlungen führen.

 

Dr. Hüsch kümmerte sich aber nicht nur um die Deutschen, die aus Rumänien ausreisen wollten. Seine Sorge galt auch denen, die nicht ausreisen wollten oder konnten. In geringerem Umfang ist es ihm gelungen, ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Beispielsweise dadurch, dass er erreichte, dass Hilfspakete wieder ins Land gelassen wurden. Die großen Hilfsangebote, die Dr. Hüsch seinen rumänischen Verhandlungspartnern unterbreitete, wurden aber rundweg abgelehnt. 

 

Im einzigen Gespräch, das Anwalt Hüsch Ende der 1980er Jahre mit Nicolae Ceaușescu in Bukarest führte, sagte der rumänische Diktator, Rumänien brauche keine Hilfe. Es war Hohn pur, was sich dann Ceaușescu als Antworterlaubte:Er sei aber seinerseits bereit, den hungernden Bergleuten im Ruhrgebiet Hilfspakete zu schicken, so Ceaușescu. Wer die damalige Lage in Rumänien kannte, weiß diese Antwort einzuordnen.

 

Bei seinen Bemühungen hat es sich „um Kauf von Freiheit und Entlassung in die Freiheit gehandelt“, so Dr. Hüsch. „Es war eine große humanitäre Aktion, nicht um Personen zu kaufen, sondern um solchen, die in Unfreiheit lebten, die Freiheit zu ermöglichen angesichts der damaligen Bedingungen im Ostblock und besonders in Rumänien“.

 

Viele unserer Leser haben infolge der Verhandlungen von Dr. Hüsch den Weg in die Bundesrepublik Deutschland nehmen können. Durch die Vereinbarungen konnte bis Ende 1989 fast eine Viertelmillion Deutsche aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Für die Ausgereisten flossen deutlich mehr als eine Milliarde D-Mark von Bonn nach Bukarest. Hüschs Initiativen auf Wunsch Deutschlands haben zwar auf den ersten Blick Geld in die Kassen des maroden rumänischen Staates gescheffelt, andererseits wurde durch die Ausreise der Rumäniendeutschen auch das Ceaușescu-Regime noch mehr inseinen Grundfesten erschüttert.

 

Der Text und Zitate gehen auf eine Dokumentation des Unterzeichnenden beim Heimattag der Banater Schwaben in Ulm 2014 zurück.