Seit etwas mehr als drei Monaten haben einige Hermannstädter Straßen einen zusätzlichen Streifen – den Fahrradweg. Der mit roter Farbe markierte Abschnitt der Fahrbahn sollte den Fahrradfahrern mehr Sicherheit bieten und sie zu gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern machen. Dadurch sollten sie nicht zwischen der Fahrbahn und dem Gehsteig pendeln, sondern ihren eigenen Weg auf der Straße haben. Die Markierung des Fahrradstreifens sollte auch dazu führen, dass mehr Menschen auf dieses ökologische Fortbewegungsmittel umsteigen.
Als passionierter Fahrradfahrer war ich von dieser Idee des Bürgermeisteramtes begeistert und dachte, so naiv wie ich bin, ich könne nun problemlos durch die Stadt fahren, ohne von den hupenden Autos oder zugeparkten Straßenrändern gestört zu sein. Errare humanum est. Unter den Autofahrern scheint eine schlimme Krankheit, eine Art Farbenblindheit, zu grassieren: Sie erkennen zwar, meistens, das Rot der Ampel, sehen aber partout den gleichfarbigen Strich am rechten Straßenrand nicht. In manchen Fällen wird der Fahrradweg sogar als zusätzlicher Parkplatz, wenn auch etwas zu eng und nur in der zweiten Reihe, erkannt. Für die Zweirad-Fahrer bleibt dann der Ausweg auf die Fahrbahn – auf den großen Verkehrsadern nicht zu empfehlen – oder eben auf den Gehweg. Für viele Autofahrer ist und bleibt der Mensch auf dem Rad ein Grund für einen Nervenzusammenbruch. Gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer – Fehlanzeige!
Möglicherweise werden die schon wieder steigenden Treibstoffpreise dazu beitragen, dass einige Autofahrer ihr geliebtes „Spielzeug“ in der Garage stehen lassen und sich auf ein Fahrzeug mit viel weniger PS wagen. Dann können sie am eigenen Leibe erfahren, wie man sich fühlt, wenn ein Pkw oder Lkw am Fahrradfahrer vorbeizischt. Bis dahin sollten sie mit dem eigenen Kopf und nicht mit dem Automotor denken, wenn sie an einem in die Pedale tretenden Menschen vorbeifahren oder ihren Wagen auf dem Fahrradstreifen abstellen. Vielleicht ist es wieder meine Naivität, aber ich glaube immer noch an die Möglichkeit der friedlichen Koexistenz von Auto- und Fahrradfahrern. Vieles braucht man dafür nicht: Nur eine gesunde Portion des gegenseitigen, menschlichen Respekts. Mal angenommen, man würde dem Autofahrer sein Auto und dem Radfahrer sein Fahrrad wegnehmen, was würde übrigbleiben? Ein ganz normaler Mensch.