Als ich in den 70ern in Rumänien lebte, bereitete meinen Freunden und mir das Erzählen von politischen Witzen großes Vergnügen, denn wir konnten dadurch mächtig Dampf ablassen, und zumal man nie wusste, ob die Securitate nicht vielleicht mithörte, war das Erzählen gleichzeitig ein spannendes Abenteuer zu null Kosten, so ähnlich aufregend wie Russisch Roulette zu spielen, nach der Devise: Eene meene muh und raus bist du, oder besser gesagt drin, im Knast!
Ein Witz über einen regimekritischen, arg gebeutelten Mann aus dem Osten, der es jedoch nach der Wende wieder zu etwas gebracht hat, hält sich bis heute. „Anfang der 70er war ich Leiter eines sozialistischen Großbetriebs“, erzählt er. „Morgens wurde mir der Kaffee von einer scharfen Sekretärin zubereitet und ich wurde mit einer Limousine zur Arbeitsstätte gefahren. Eines Tages fragte man mich, ob ich nicht vielleicht mit zehntausend Lei zu den Beerdigungskosten eines Genossen vom Zentralkomitee beitragen würde. Ich sagte, dass man für diese Summe am besten gleich das ganze Zentralkomitee beerdigen sollte. Von da an war ich Leiter eines sozialistischen Minibetriebs.
Mein Kaffee wurde nunmehr von einer ziemlich betagten Sekretärin zubereitet und ich fuhr mit dem Minibus des Unternehmens zur Arbeit. Eines Tages tadelte man mich mit den Worten: ‘Wieso haben Sie denn bei der letzten Parteiversammlung gefehlt?’ Ich antwortete, dass ich mit Sicherheit hingegangen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass es die letzte war. Ab diesem Tag arbeitete ich als Meister.
Ich musste jetzt mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren und mir morgens den Kaffee selbst zubereiten. In meiner Werkstatt hingen die Porträts von Ceauşescu und Brigitte Bardot. Ich wurde gefragt, wieso ich diese schändliche Schlampe nicht von der Wand nehmen würde. Ich entfernte das Ceauşescu-Porträt. Danach durfte ich als Straßenarbeiter Steine klopfen. Ich fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit und den Kaffee brachte ich mir von zu Hause mit, in der Thermoskanne. Eines Tages sagte man mir, ich solle mein Fahrrad schnellstens wegbringen, zumal dort baldigst eine sowjetische Brüderdelegation vorbeikommen würde. Ich sagte, das sei überhaupt kein Problem, denn mein Fahrrad hätte ein diebstahlsicheres Schloss. Von dem Tag an war ich arbeitslos, solange, bis 1989 die Wende kam.
Ich wurde rehabilitiert und betätigte mich in der Regierungspartei und so machte ich alsbald Karriere. Der Kaffee wird mir nun von einer reizenden Sekretärin serviert und zur Arbeit werde ich mit einer Luxuskarosse gefahren. Hin und wieder halte ich die Hand für meine Partei hoch, aber ansonsten halte ich natürlich den Mund. Mein Lebensstandard nimmt kontinuierlich zu, trotz Wirtschaftskrise.“
Und wer jetzt meint, hier würde es sich in Wirklichkeit gar nicht um einen Witz handeln, sondern eher um eine exemplarische, durchaus realistische Geschichte, über das, was passiert, wenn man in einer Diktatur und, tja, unter gewissen Umständen auch danach, seine Meinung sagt, der hat wohl recht. So manch einer, der es im ehemaligen Ostblock wagte, den Mund aufzureißen, wird in diesem Witz seine Biografie mindestens teilweise wiedererkennen. Es ist wohl Tatsache, dass Witze wie dieser perfide Systemlügen mit einem Schlag bloßzustellen vermögen, viel effektiver als so manche Geschichtsanalyse.