Der Wolf im Schafspelz

Ausstellung der Friedrich Ebert Stiftung: Aufklärung über die Gefahren von Rechtsextremismus in Rumänien

Die Ausstellung „Für eine aktive Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ wurde am 14. Mai im Marmorsaal der Fakultät für Geschichte an der Uni Bukarest eröffnet (v. l): Matthias Jobelius (FES), Alexandru Climescu (INSHR), Adrian Cioroianu (Dekan Univ. Bukarest), Alexandru Florian (INSHR).

Filialen, Bibliotheken und Treffpunkte rechtsextremer Gruppierungen im ganzen Land. Gelb: Filiale „Noua Dreaptă“; grün: Filiale „Partidul Totul pentru Ţară; violett: Filiale „Naţionaliştii Autonomi“; grau mit Quadrat: Bibliotheken; hellgrün mit Zelt: Arbeits- oder Erziehungslager; orange: Gedenkstätten; grau mit Häkchen: Treffen; hellblau: Kampagnen mit Plakaten und Flyern; Männchen mit weißem Balken: Demonstrationen, Protestaktionen
Fotos: George Dumitriu

Vom gleichmacherischen Kommunismus haben sie die Nase voll, doch die Demokratie erleben sie nicht viel besser. Denn auch die EU hat es nicht geschafft, mit korrupten Politikern, ethnischen Problemen und sozialen Missständen in Rumänien endlich aufzuräumen. Oder aber sie wünschen sich eine Gesellschaft, die auf christlich-orthodoxen und traditionellen Werten beruht, die ausgleichende Gerechtigkeit übt und das ungerechte Wohlstandsgefälle von West- nach Osteuropa durch kompensierende Maßnahmen im Land abfedert. Höchste Zeit auch, dass jemand Rumänien als notorisches „Problemland“ der EU rehabilitiert und Grund für ein gesundes Nationalbewusstsein liefert. So unge-fähr mag es aussehen, das typische Profil eines potenziellen Opfers für rechtsextremistische Bauernfänger...
Denn mit solchen und ähnlichen Gedanken grinst er einem verschlagen ins Gesicht: der böse Wolf im Schafspelz. Seine Kehrseite? Maskierte Intoleranz, geschickt versteckter Rassismus, Generalisierung von Problemen und emotionell gefärbte Stimmungsmache. Summa summarum: Rechtsextremismus. Pauschal bediente Sündenböcke sind die „korrupte politische Führung“, die „skrupellosen ausländischen Geldhaie“, die „kriminellen Roma“, denen wir Rumäniens schlechten Ruf verdanken oder die „perversen Anderssexuellen“, die die Moral unserer Kinder gefährden. Die Formel läuft auf einen einzigen Nenner hinaus: Die „anderen“ gegen „uns“ - „wir“ gegen die „anderen“! So ähnlich fing es auch in Deutschland einmal an...

Demokratie muss verteidigt werden

„Demokratie muss nicht nur geschaffen, sondern immer wieder erhalten werden, denn sie kann versagen“, erklärt Matthias Jobelius, Leiter der Bukarester Filiale der Friedrich Ebert Stiftung (FES) zur Eröffnung der Ausstellung „Für eine aktive Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ am 14. Mai. Mit 17 aufklärenden Info-Paneelen wendet sich diese im Marmorsaal der Fakultät für Geschichte an der Bukarester Universität in erster Linie an Studenten und Jugendliche. Immer wieder fällt dort auch der Begriff Antisemitismus. Alexandru Florian, Direktor des Nationalen Instituts für Holocauststudien „Elie Wiesel“ (INSHR), des Mitorganisators der Ausstellung, erklärt: „Oft fragen uns die Leute, was hat das mit Antisemitimus, Holocaustleugnung und Judentum zu tun?“ Die Antwort ist einfach: All diese Phänomene haben Rechtsextremismus als Basis. „Jeder kann morgen Opfer sein!“ warnt auch der ehemalige Außenminister und Universitätsdekan Dr. Adrian Cioroianu. Daher sei es der Universität ein Anliegen, nicht nur fachliche Bildung, sondern auch Zivilbewusstsein zu fördern. Die Bedeutung dieser Initiative unterstreicht nicht zuletzt die Anwesenheit des deutschen Botschafters Werner Hans Lauk bei der Eröffnung der Ausstellung.
Ist Rechtsextremismus tatsächlich eine Gefahr für Rumänien? Jobelius präsentiert zuerst die gute Nachricht: Hierzulande gibt es derzeit keinen politisch organisierten rechtsextremen Flügel, was Rumänien positiv von den umgebenden EU-Staaten unterscheidet (siehe auch ADZ vom 26.10.2013: www.adz.ro/artikel/artikel/europa-wird-immer-rechter/). Doch es gibt Nischen und eine ideologische Subkultur, die ein Nährmedium für rechtsextremes Gedankengut sein kann. Xenophobe Haltung, Vorurteile gegen Minderheiten oder die Verharmlosung des Holocaust sind auch in Mainstream-Teilen der Gesellschaft verbreitet.

Demokratie – ein schwer erkämpftes Gut

Auf 17 Paneelen, im Kreis angeordnet, liefert die Ausstellung einen Überblick über den Zusammenhang zwischen Demokratie und Rechtsextremismus. Woran erkennt man rechtsextremistische Tendenzen? Was sind die Denkfallen, in die potenzielle Opfer ahnungslos stolpern können? Mit von den Extremisten gern bedienten historischen Heldenmythen – etwa dem der tapferen Legionäre, die sich als Einzige dem Kommunismus entgegenstellten – wird mit knallharten Fakten aufgeräumt. Zielgerichtet fällt der aufklärende Lichtkegel hinter die Hüllen und Masken der auf Täuschung ausgerichteten Manipulatoren. Der Betrachter kann sich nun selbst eine Meinung bilden. Weil sich Rechtsextremismus in schwer zu beobachtenden Schattenzonen abspielt, wenn keine Partei sichtbar Kampagnen macht, ist diese Aufklärung besonders wichtig, erklärt FES-Mitarbeiter Cristian Chiscop.
Als Darstellungsform der Ausstellung wurde die Collage gewählt: Infokästen mit straff strukturierter Basisinformation, belebt durch Schnipsel aus Zeitungen und historischen Dokumenten, Fotos und suggestiv hingeworfenen Gedanken. Jedes Paneel vermittelt ein in sich abgeschlossenes Thema: Was ist Demokratie? Warum brauchen wir sie? Historische Referenzen zeigen zum Beispiel, dass Gleichberechtigung nicht immer selbstverständlich war: Zwischen 1940 und 1942 durften Juden nicht an nationalen Theatern eingestellt werden, nicht Autofahren und mussten das Vierfache an Steuern bezahlen. 1856 wurde die Sklaverei in den rumänischen Fürstentümern aufgelöst. 1923 erst wurde gleiches Wahlrecht für jede Ethnie oder Religion zugesichert. Die Liste soll bewusst machen: Demokratie ist ein im Laufe der Geschichte langsam und hart erkämpftes Gut.

Das Paneel „Demokratie in der Praxis“ erklärt Formen der Teilnahme durch Petitionen, Bürgerinitiativen, Blogs, NGO und mehr. „Demokratie in Gefahr“ erläutert dann das ideologische Substrat, auf dem Rechtsextremismus entstehen kann: Uniformisierung statt Diversifizierung, Meinungsüberwachung, Verfolgung anders Denkender, anders Glaubender, anders Aussehender, Einschränkung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit, festgelegte Rolle der Frau. Kurz: Das Weltbild der Rechtsextremen lässt keine Vielfalt zu. Ungleichheit besteht von Geburt an.
Ein weiteres Paneel erklärt die historischen Figuren der paramilitärischen Legionärsbewegung, die sich bis zu ihrer Niederschlagung 1941 durch Chaos und politische Morde an Oppositionspolitikern auszeichnete. Rechtsextreme hingegen versuchen, das Image von Ion Antonescu, der 1940 die Militärdiktatur ausrief, das Parlament auflöste, rassistische Gesetze und Zensur einführte und die Deportation der Juden aus Bessarabien und der Bukowina nach Transnistrien anordnete, zu rehabilitieren.

Wo sich der Wolf im Schafspelz besonders gut versteckt

Beschrieben werden auch die Stufen der Anwerbung, vom losen Sympathisanten bis zum militanten Aktivisten, der selbst vor Straftaten nicht zurückschreckt. Zwei Tafeln befassen sich mit den in Rumänien bekannten Bewegungen, ihren Botschaften, Farben und Symbolen. Das Programm, mit dem sie auf Bauernfang gehen, stellt sich mitunter harmlos dar: mehr Geld für Bildung und Gesundheitssystem, Tilgung der Auslandsschulden, Kampf gegen Korruption, Stopp dem Wohlstandsgefälle. Wer würde dem nicht zustimmen? Ihre realen Taten der letzten 10 Jahre stellen sich jedoch anders dar: Protestmärsche gegen Homosexuelle, Roma, die ungarische Minderheit und religiöse Diversität. Starker Akzent wird auf Bruderschaft gesetzt: „Wir gegen die andern“ und „wenn einer von uns geschlagen ist, sind wir alle geschlagen“, so lauten typische Parolen. Der Wolf im Schafspelz lauert zunehmend auf lokalpolitischer Ebene, wo er sich durch bürgernahe Aktivitäten Aufmerksamkeit sichert. „Gute Patrioten“ und „gute Orthodoxe“ präsentieren sich der Bevölkerung als Meinungsführer und distanzieren sich mit markigen Sprüchen von den „korrupten Politikern“. Ihre Slogans richten sich klugerweise nicht klar gegen die Demokratie, doch sie suggerieren, dass diese – oder synonym die EU, das Establishment, die Konsumgesellschaft – schuld an Korruption und anderen Missständen ist. Nicht jedem fällt gleich auf, dass, wer sympathieheischend „Arbeitsplätze für Rumänen“ fordert, tatsächlich „Ausländer raus“ meint.

Typisch ist der Appell an soziale Ängste, der die Selbstdarstellung als Retter folgt, etwa durch Organisation von karitativen Events, Jugendlagern, Betreuung für Kinder, Alte und Kranke – selbstverständlich nur für die eigenen Anhänger, keinesfalls für Ausländer und Roma. Als Trittbrettfahrer nutzen sie geschickt Themen, die dem Volk stark am Herzen liegen. Seite an Seite mit uns demonstrierten sie gegen den Goldabbau in Roşia Montană – eine willkommene Gelegenheit, das Öl der eigenen Propaganda ins Feuer zu gießen: „Lasst nicht zu, dass sich andere an unseren Bodenschätzen bereichern“. Klassische Muster sind auch Appelle an Gefühle oder das Beanspruchen von Werten und Traditionen. Man soll „rumänisch fühlen“, ein guter orthodoxer Christ sein, dem „Ausverkauf des Landes“ entgegenstehen. Möglichst viele sollen sich mit ihrer Botschaft identifizieren. Besonders subtil verbirgt sich rechtsextreme Ideologie in rebellischer Musik und Kleidung, durch Liedtexte und Aufschriften, die zur Gewalt auffordern. Über Online-Shops sind sie leicht erhältlich und sollen unter Jugendlichen Gemeinsamkeiten schaffen. Auch You-Tube und Facebook spielen eine immer größere Rolle bei der Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts.
Tatsächlich sind rechtsextreme Aktivitäten in Rumänien verbreiteter als man glaubt. Nicht nur in der Hauptstadt, im ganzen Land gibt es ihre Filialen, Bibliotheken und Treffpunkte (siehe Karte).
 
Was kann man tun?

Auch hierzu haben die Veranstalter eine Antwort vorbereitet: Wichtig sind Aufklärung in Schulen und auf Konferenzen, Unterstützung von NGO, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus einsetzen, aber auch die Zivilcourage des Einzelnen, sich in einschlägigen Diskussionen deutlich gegen Rechtsextremismus auszusprechen. Letzteres ist oft nicht schwer, denn häufig fehlt den Argumenten rechter Meinungsmacher der logische rote Faden. Stereotypen werden bedient, die leicht hinterfragt werden können, indem man konkrete Beispiele zur Untermauerung der Behauptungen einfordert.
Die vorliegende Ausstellung, die sich an Jugendliche ab 14 Jahren richtet, liefert nicht nur das Rüstzeug, Rechtsextremismus zu erkennen und sich eine eigene Meinung zu bilden, sie eignet sich auch als Ansatzpunkt für schulische Diskussionen, Aufsätze, Projektarbeiten und Ähnliches.
Sie kann übrigens an Schulen, Universitäten und öffentliche Einrichtungen kostenlos ausgeliehen werden, informiert FES im Begleitprospekt. Für die 17 zwei mal einen Meter großen Roll-Up Paneele genügt ein etwa 50 Quadratmeter großer Raum oder ein Flur von 20 Metern. Einsehen kann man die Paneele unter www.nu-extremismului-de-dreapta.ro, wo auch pädagogisches Material zum Download bereitsteht.