Vom 6. bis 9. Juni 2024 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zum zehnten Mal das Europäische Parlament. In Rumänien wurde der Wahltag auf den 9. Juni zusammen mit den rumänischen Lokalwahlen festgelegt. Ein aktiver Dialog mit dem jungen Publikum wurde vor Kurzem in Temeswar/Timi{oara organisiert. Die Veranstaltung im Multifunktionssaal des Temescher Kreisrats war Teil einer Reihe von Diskussionen, die auf Empfehlung des Europäischen Ausschusses der Regionen, zum Thema Europawahlen 2024 organisiert wurde. Alin Nica, der Temescher Kreisratsvorsitzende ist Mitglied dieses Ausschusses und war somit der Gastgeber dieser Veranstaltung. Ziel des Dialogs war, das junge Publikum zu erreichen und über die Bedeutung einer aktiven Bürgerschaft und die Teilnahme an den Europawahlen zu informieren.
„In einer Zeit, in der die Stabilität der Europäischen Union bedroht ist, wollen unsere Redner den jungen Menschen zeigen, dass die gesunde Alternative für Europa nicht Uneinigkeit ist, sondern mehr Zusammenhalt und bürgerliches Engagement”, so die Organisatoren. Rund hundert Teilnehmer – meist Studenten an Temeswarer Universitäten – nahmen die Einladung an und belegten die Sitzplätze im Saal. Vor ihnen die Redner: Alin Nica, der Temescher Kreisratsvorsitzende und Vorsitzender der rumänischen Delegation im Europäischen Ausschuss der Regionen, Dominic Fritz, Bürgermeister von Temeswar, Diana Buzoianu, Mitglied im Rumänischen Parlament, Alma Pap, Koordinatorin des „Europe Direct”-Informationszentrums in Temeswar und Universitätsprofessor Silviu Rogobete von der West-Universität Temeswar. Die Themen: die Alternative zur Europäischen Union; Demokratie, Werte und europäische Identität; Einbeziehung junger Menschen in die Entscheidungsfindung; die Vorteile der EU-Mitgliedschaft aus der Sicht junger Menschen bzw. die aktive Bürgerschaft.
Die Diskussion wurde von Alin Nica eingeleitet, mit der Frage „Wie würde Europa bzw. Rumänien ohne die Europäische Union aussehen?”. „Gäbe es die Europäische Union nicht, wäre das Leben in Europa und auf der ganzen Welt in vielerlei Hinsicht anders. Dabei geht es insbesondere um die Auswirkungen auf die Grundrechte der Bürger, die Grenzen und die Beziehungen zwischen den Ländern, den Umweltschutz und andere Aspekte, die zur Lebensqualität beitragen. Ohne die EU würden Grenzschutz und Handelsschranken in Europa schwieriger werden, was sich negativ auf den Handel, die Mobilität und die Wirtschaft im Allgemeinen auswirken würde. Ohne die EU würde Europa die Vorteile der wirtschaftlichen Integration und des Binnenmarktes verlieren, was sich negativ auf das Wirtschaftswachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und den allgemeinen Wohlstand in der Region auswirken könnte. Das Fehlen der EU könnte sich negativ auf die Förderung und den Schutz der Menschenrechte in Europa und weltweit auswirken, mit möglichen Folgen für gefährdete Einzelpersonen und Gemeinschaften, aber nicht nur. Die internationale Sicherheitszusammenarbeit würde auch erheblich zurückgehen, was sich auf Europa und die ganze Welt auswirken würde. Das Fehlen der EU zöge erhebliche Folgen für die Sicherheit in Europa und weltweit nach sich, da die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten verringert und die Wirksamkeit gemeinsamer Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Bedrohungen beeinträchtigt würde”, sagte Alin Nica.
Die Punkte, die vom Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz angesprochen wurden, waren die beiden demokratischen Modelle auf dem Stimmzettel: Vielfalt/Multikulturalität vs. Uniformität. Die Bedeutung des Schutzes des multikulturellen Modells von Temeswar und Europa gegen antidemokratische Tendenzen mit nationalistischer Botschaft. „Die europäischen Werte wurden in Temeswar gelebt, noch lange bevor es die Europäische Union gab. Die Vielfalt von Temeswar ist die Grundlage für den Wohlstand der Stadt. Die Vielfalt ist die Quelle des innovativen Charakters der Stadt, ohne den wirtschaftlicher Wohlstand unmöglich wäre. Wir können mehrere Identitäten gleichzeitig haben: Wir können uns gleichzeitig als Temeswarer, als Rumänen und als Europäer identifizieren. Genau dieser Ansatz ermöglicht es uns, uns in die Lage der anderen zu versetzen und die Vielfalt zu einem Vorteil zu machen. Das EU-Motto der Einheit in der Vielfalt beruht genau darauf”, so Dominic Fritz.
Wie wichtig es ist, dass sich junge Menschen an den Wahlen beteiligen, aber auch, wie wichtig das Engagement der Gemeinschaft als Instrument zur Gestaltung einer demokratischen Zukunft ist, wurde ebenfalls vom Temeswarer Bürgermeister angesprochen. „Bei den Wahlen am 9. Juni kann das Gleichgewicht zwischen den beiden Modellen, der Vielfalt und der Einheitlichkeit, durch die Stimme der Jugendlichen hergestellt werden”, sagte dieser.
In der Diskussionsrunde in Temeswar kam auch Diana Buzoianu, Mitglied im rumänischen Parlament seitens der USR, zu Wort. Mit 29 Jahren ist sie die jüngste weibliche Abgeordnete in Rumänien. „Ich glaube, dass unser Land an einem Wendepunkt steht, so wie es die frühen 2000er Jahre für die Generation unserer Eltern waren. Damals war die Entscheidung vieler, eine neue Reise anzutreten und ihr Zuhause zu verlassen. Ich aber beschloss, in die Politik zu gehen, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, damit die jungen Menschen das Land nicht verlassen. Ich vertrete aber alle Rumänen - die aus dem Inland sowie die im Ausland”, erklärte sie.
„Was ist Ihre erste Erinnerung an die EU?” – mit dieser Frage regte Alma Pap die Teilnehmer zum Diskutieren an. Die Koordinatorin des Informationszentrums „Europe Direct” in Temeswar sprach des Weiteren über die Vorteile der EU-Mitgliedschaft für Jugendliche und über die Möglichkeiten des Lernens oder zur Freiwilligenarbeit über EU-Programme wie Erasmus+, ESC, DiscoverEU, Eurodesk usw.
Nicht zuletzt kam auch Universitätsprofessor Silviu Rogobete von der Fakultät für Politikwissenschaft, Philosophie und Kommunikationswissenschaften an der West-Universität Temeswar und ehemaliger Konsul von Rumänien in Südafrika zu Wort. Die Dynamik der nationalen Identität gegenüber der Unionsbürgerschaft; der Konflikt zwischen Nationalismus und Europäismus und die Verantwortlichkeiten, Chancen, Gefahren für die Bürger sowie Manipulation waren die Themen, die er in die Runde einbrachte. Auch ließ er das Publikum über die Frage nachdenken: „Was macht mich Rumänisch? Was macht mich Europäisch?”
Die Diskussion war dynamisch. Viele Teilnehmer im Saal stellten Fragen und regten die Redner zu informationsreichen Antworten an. Zu den Interessen der Jugendlichen zählten auch Fragen zu den Mechanismen, die die nationale Identität angesichts des von der EU geförderten Supranationalismus und der kulturellen Uniformität schützen. Etwa: „Wie können nationale Identität und Unionsbürgerschaft in einem vielfältigen politischen und sozialen Kontext miteinander in Einklang gebracht werden?”
Bei den Wahlen in Rumänien im Jahr 2024 steht viel auf dem Spiel. Die Rumänen werden zur Wahl von Bürgermeistern, Gemeinderäten, Abgeordneten des Europäischen Parlaments und des rumänischen Staatspräsidenten aufgerufen sein. Am 9. Juni stehen Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament an. Voraussichtlich werden am 15. und 29. September die Präsidentschaftswahlen und am 8. Dezember 2024 die Parlamentswahlen stattfinden.
Während 2019 nur wenige Rumänen an den EU-Wahlen interessiert waren, zeigen die Daten der jüngsten Eurobarometer-Umfrage, dass das Interesse aller EU-Bürgerinnen und –Bürger für die bevorstehenden Wahlen gestiegen ist. Grund ist die aktuelle geopolitische Lage. Somit halten mehr als acht von zehn Europäern die Wahlen 2024 für wichtig. In Rumänien geben 60 Prozent der Befragten an, dass sie an den Wahlen am 9. Juni interessiert sind, wobei 68 Prozent glauben, dass die Stimmabgabe in der aktuellen geopolitischen Situation wichtig ist.
Innerhalb einer weiteren Umfrage, die landesweit in Rumänien durchgeführt wurde, sollte sich die EU nach Ansicht der Rumänen auf die Bereiche Verteidigung und Sicherheit, Lebensmittelsicherheit, Landwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaft und Industrie konzentrieren, um ihre Position auf der Welt zu stärken. Die Bedeutung, die die Bürgerinnen und Bürger der Verteidigung und Sicherheit des EU-Blocks beimessen, hat während der Legislaturperiode zugenommen, insbe-sondere angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.