Mehr als zehn Kinder plantschen in dem kleinen Becken - ihre Gesichter strahlen. In ihrer Mitte befindet sich die Temeswar Ärztin Ioana Vârtosu, die Anleitungen zu den Übungen gibt, die die Kleinen im Wasser durchführen müssen. Es sind Babys dabei, aber auch ältere Kinder – drei bis zwölfjährige, die zur Wassertherapiestunde gekommen sind. Diese wird den Kindern mit besonderen Bedürfnissen drei Mal in der Woche kostenlos angeboten. Im Jahr 2007 startete das Hydrotherapie-Projekt, das von dem Verein [coala Mamei Junior unter der Leitung von Dr. Ioana Vârtosu initiiert wurde.
„Die Kinder, mit denen wir arbeiten, haben nicht nur Bewegungsschwierigkeiten, sondern auch geistige Probleme. Es sind Kinder mit autistischen Zügen oder Down-Syndrom, die sowohl physisch, als auch psychisch behindert sind”, sagt die Ärztin. Für die Hydrotherapie engagieren sich freiwillig fünf Physiotherapeuten, ein Arzt, ein Psychotherapeut und ein Psychopädagoge. „Außer der Therapie haben die Kinder und Eltern Gelegenheit, sich zu unterhalten.
Wir konnten beobachten, dass es viele Eltern gibt, die mit ihren Kindern nur selten aus dem Haus gehen. Nicht, weil sie keine Zeit haben, sondern, weil sie einfach die Blicke der Leute satt haben. Bei uns werden die Kinder wie normale Kinder behandelt“, sagt die Ärztin.
Das Medium Wasser ist ein besonderer Erfahrungs- und Bewegungsraum, vor allem für Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Schwächen. Durch die Auftriebskraft des Wassers gelingt es, sich fast schwerelos zu bewegen, wobei der Stütz- und Bewegungsapparat stark entlastet wird. Somit werden viele Bewegungserfahrungen möglich, die auf dem Trockenen oder generell aufgrund einer Behinderung gar nicht möglich sind. Dazu kommt, dass die ständige Berührung mit dem Wasser die Körperwahrnehmung intensiviert. Und nicht zuletzt ist es der Spaß-Faktor, der ebenfalls zur psychomotorischen Förderung beiträgt.
„Man arbeitet mit Kindern, man hat zusammen Spaß und man freut sich gemeinsam über jeden Erfolg, und wenn er noch so klein ist. Die Kinder bedanken sich mit einen Lächeln und das ist die allergrößte Belohnung überhaupt“, sagt Physiotherapeutin Erika Kempf, die sich hauptberuflich der Hippotherapie widmet. Drei Kinetotherapeuten sorgen dafür, dass sich die Kinder, die zur kostenlosen Hydrotherapiestunde kommen, regelrecht wohlfühlen. Und das sieht man ihnen an. Denn keines der Kinder wehrt sich vor dem Wasser, sondern alle lachen, wenn sie mit dem feuchten Element in Berührung treten. „Brianna hat durch die Hydrotherapie das Gehen erlernt.
Heute ist es das erste Mal, dass wir die Schwimmreifen und –bretter bei Seite gelassen haben. Auch wenn Brianna dabei ein bisschen Wasser schluckt, ist es kein Problem, denn dann weiß sie, dass sie sich schnell wieder aufrichten muss. Sie ist heute sogar fünf Meter gelaufen, ohne ihr Gleichgewicht zu verlieren, und das ist ein fantastischer Fortschritt”, schwärmt Dr. Ioana Vârtosu. Tränen in den Augen hatte die Ärztin, als die dreijährige Brianna ihre erste Schritte im Wasser machte. Brianna kam frühzeitig zur Welt und leidet an Tetraspastik – sie ist praktisch gelähmt. „Ein tetraparethischer Junge fühlt sich im Wasser super wohl und hat sogar das Schwimmen erlernt. Es gibt sehr, sehr viele Beispiele für Erfolgsmomente während unserer Hydrotherapie“, erzählt Erika Kempf. Die Hydrotherapie trägt dazu bei, dass die Spastik reduziert wird. Spastisch ist auch der zwölfjährige R²zvan, der seinen Rollstuhl am Rande des Beckens gelassen hat. Alexandra, Aisha, Daniel, Stefi und viele andere Kinder freuen sich über die wöchentliche Therapiestunde, die ihnen physisch und psychisch gut tut. Auch für die Eltern ist die Therapiestunde eine gute Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen.
„Je nachdem, an welcher Erkrankung das Kind leidet, werden eine-zwei Therapiestunden pro Woche empfohlen. Wir mieten das Becken drei Stunden in der Woche an, denn das können wir uns momentan leisten. Wir sind sechs Leute, die mit den Kindern arbeiten, so dass wir in einer Stunde etwa 20 Minuten mit jedem Kind individuell arbeiten können”, sagt Ioana Vârtosu. Am Anfang der Therapiestunde zeigen die Therapeuten, welche Übungen durchgeführt werden müssen. Diese können sie dann zu Hause in der Badewanne oder in einem anderen Schwimmbecken mit anderen Kindern machen.
Dr. Ioana Vârtosu und die anderen Spezialisten engagieren sich freiwillig. Das Geld, um das Becken anzumieten, wird über Spenden eingesammelt. Auch Wohltätigkeitsereignisse, wie zum Beispiel Konzerte, fanden statt, um die Wassertherapiestunden bezahlen zu können.
Mehr als 50 Kinder haben sich bisher zum kostenlosen Programm eingeschrieben. Ein Psychologe und Psychopädagoge hilft jenen, die nicht sofort das kühle Nass betreten wollen, ihre Ängste zu überwinden. Über die Facebook-Seite der Initiative, Terapia prin Apa, melden die Eltern ihre Kinder an. Für das Projekt wurde viel Lobby gemacht. Nicht ausschließlich, um den Nutznießern zu helfen, sondern auch, um in der Gesellschaft ein Zeichen zu setzen. „Es gab die Menthalität in Rumänien, dass diese Krankheiten übertragen werden. Dass man nicht hinschauen soll, weil man sich damit anstecken könnte. Man kommt sehr schwer darüber hinweg. Wenn man auf der Straße einem Kind im Rollstuhl begegnet, wird man von Gefühlen überwältigt. Man empfindet Empathie, Mitleid, man fragt sich, was wohl das Kind oder die Eltern fühlen könnten. Danach freut man sich, dass man selbst kein behindertes Kind hat”, sagt die Initiatorin des Wassertherapie-Projekts. „In dem Augenblick, wo man diese Kinder kennengelernt hat, sieht man, dass sie ein besonderes Lächeln haben. Sie freuen sich über Dinge, die wir einfach ignorieren, sie drücken eine echte Freude aus. Und es wird uns klar, dass alle Sachen, über die wir uns beklagen, Kleinigkeiten sein können”, fügt die Ärztin hinzu.
Oft vergessen die Menschen das Wichtigste: Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen ist vor allem erst mal ein Kind. Und wie die anderen Kinder möchte es dazu gehören, beim Spielen und Spaß haben. Die Wassertherapie unterstützt diese Kinder dabei, Entwicklungsfortschritte zu machen. Damit das Anderssein nicht mehr ganz so schwer fällt.