Kronstadt/Braşov ist eine der Städte Rumäniens, die die meisten Wochenendausflugsziele bieten. Dazu gehört nicht nur der klassische Abstecher auf die Schulerau, sondern auch neuere, etwa zum Dinopark in Zărneşti. Für alle Naturliebhaber ist jedoch ein Besuch der Klamm der Sieben Leitern ein Muss. Erst vor wenigen Jahren wurde das Naturjuwel durch Ersetzen der alten Leitern durch neue den Bergliebhabern wiedergeben.
Nur wenige Kilometer südlich von Kronstadt, wenn man Richtung Bukarest fährt, liegt die Ortschaft Timişul de Jos bei Săcele. Hier muss man sein Auto abstellen, die Trekking-Schuhe anziehen und los kann es gehen. Was sich einem eröffnet ist ein Naturreservat - und es ist gut, dass die Bergliebhaber das auch verstanden haben. Dreimal haben wir als Familie die „Sieben Leitern“ bestiegen, jedes Mal hat uns die Sauberkeit der Landschaft und die Reinheit der Luft positiv überrascht.
Jedes Mal auch wären wir fast um ein Haar umgekehrt, denn schwarze Wolken und ein Donnergrollen ertönten aus der Ferne, der Regen ist aber dann doch ausgeblieben und zum Schluss hatten wir ein paar abenteuerliche und unvergessliche Stunden auf dem Hohenstein/Piatra Mare verbracht. Jedes Mal hat die Natur einen besonderen Eindruck hinterlassen und sie musste uns das Versprechen nicht abringen, nächstes Jahr wiederzukehren, wir haben es gerne von selbst getan.
Im Naturreservat Hohenstein ist auch der Braunbär zu Hause, der „ursus arctos“, so steht es an der Tafel geschrieben, die über das Natura 2000-Reservat Piatra Mare informiert. Treffen wird man ihn wahrscheinlich nicht, dafür ist die Waldstrecke viel zu belebt und das hält den Bären fern. Nur wer vom Weg abzweigt und sich tief in den Wald wagt, könnte ihn antreffen, wollen manche wissen. Ausprobiert haben wir es jedoch nicht. Neben dem Braunbären sind auch der Luchs und der Wolf hier im Hochgebirge beheimatet.
Es ist unglaublich, wie viele Menschen aus der Ebene und wie viele Stadtmenschen sich für aktiven Urlaub in den Bergen begeistern. Verständlich ist es aber schon, denn gleich nachdem wir den Auf- und Abstieg geschafft haben, lechzen wir schon wieder danach. Es sind ein paar Stunden – wie viele, das hängt natürlich von der Kondition, dem Alter und der Gruppe – sind Kinder dabei oder nicht - ab. Und selbstverständlich davon, was einem wichtiger ist: den Weg möglichst schnell zu bewältigen, um damit zu trumpfen, oder ihn, der so vieles zu bieten hat, eher gemütlich zu genießen.
Auf jeden Fall tut man seinen Muskeln und vor allem den Lungen etwas Gutes – die frische Luft ist unbezahlbar und nach den hier verbrachten Stunden ist es fast ein Sakrileg, wieder Stadtluft einatmen zu müssen mit all ihren Abgasen und dem Staub.
Eine Reihe von Symbolen auf der Tafel belehrt diejenigen, die noch belehrt werden müssen: Hier sind weder Motorräder noch Quads oder Autos erlaubt. Auch die Camper müssen sich einen anderen Platz suchen, auch wenn die Landschaft noch zu Beginn der Wanderung gerade dazu einlädt: saftig grünes Gras, ein munterer kleiner Gebirgsbach und der Waldrand. Auch laute Musik ist verboten, das Zeichen dafür ist ein durchgestrichener Kassettenrecorder – der jüngeren Generationen muss man erst erklären, was das überhaupt für ein Gerät ist. Eigentlich sollte das Verhalten hier dem Betreten eines Naturtempels entsprechen.
Andererseits sind hier so viele Wanderer unterwegs, dass es ein stark belebter Naturtempel ist. Denn die Strecke ist bei Touristen sehr beliebt, sobald das Wetter es zulässt und die Ferien da sind.
Der Anfang ist lieblich, der Waldweg eher eben und auch ziemlich breit. Es kommen junge und alte Bergliebhaber, auch Familien mit Kindern.. Kinder dürfen erst ab sechs Jahren die „Sieben Leitern“ besteigen. Aber der Frust wäre zu groß, so dass viele Eltern von Kleinkindern es auf eigene Faust und eigene Gefahr probieren und mit dem Nesthäkchen auf einem Arm dann die Leitern hochklettern. Trotz der Warnungen, die in mehreren Sprachen auf Schildern angebracht sind. Für die kleinen Bergsteiger bekommen die Eltern immer auch einen Sicherheitsgurt und einen Helm – das gehört zur richtigen Ausstattung. T-Shirts, Shorts und vor allem Trekking-Schuhe zählen zur „Sommermode“ der Wanderer auf der Sieben-Leitern-Klamm. Aber nicht selten bekommt man auch Turnschuhe zu sehen und ab und zu sogar Sandalen, bei jungen Damen, die partout nicht darauf verzichten wollen, statt die – zugegeben klobigen - Wanderschuhe anzuziehen. Man trägt, was man hat oder will, aber erneut auf eigene Faust, denn empfohlen werden, ebenfalls auf Schildern und im Internet, eben die Bergschuhe.
Die Wanderung kann beginnen, man verabschiedet sich von dem ebenen und auch ziemlich breiten Weg. Es gibt mehrere Stationen, auf Holztafeln wird erklärt, wo man sich gerade befindet, sei es ein Wasserfall oder eine Lichtung. Unter sich hat man, je nach Streckenabschnitt, graue Steine, grüne Moosteppiche oder braune Tannennadeln, wenn man nach oben schaut, dann sind es Tannenwipfel und Seile – für Seilrutschen eben, die längste, die wir gesehen haben. Nachdem man, von der Schönheit der Natur erfreut, an einem Wasserfall auf einer Waldlichtung angehalten und sich vielleicht gelabt hat, gelangt man über eine Holzbrücke, die durch den Wald führt, zu einer Schutzhütte. Hier muss man ein Ticket kaufen, um durch die eigentliche Klamm zu wandern: 10 Lei für Erwachsene, 5 Lei für Kinder. Der Weg bisher war wunderschön, aber das Schönste steht noch bevor.
„Sieben Leitern“ heißt die Klamm, denn der spektakulärste und schwierigste Part ist nur über sieben Metallleitern zugänglich: kleinere, längere und eine besonders lange und senkrecht an der Felswand angebrachte Leiter, von einem Wasserfall benetzt – deshalb ist die Klamm in den kalten Monaten nicht begehbar. Jede einzelne Sprosse lohnt sich, bringt einen einem noch schöneren Etappenziel näher. Angekommen an der längsten Leiter heißt es, nur nicht nach unten schauen, immer nach oben, gen Himmel, vor dir die Felsmauer und der Wasserfall, unter dir der Abgrund, oben der Himmel und das Versprechen, das sich bei der Ankunft ein Anblick eröffnet, der atemberaubend und unvergesslich ist: weiße Felsbrocken, viel Grün und das Rauschen des Gebirgsbachs.
Nach unten geht es schnell, zu Fuß oder per Zipline – der Seilrutsche auf gut Deutsch. Auch einige Jugendliche, die einen Abschnitt des Aufstiegs mit dem Fahrrad geschafft haben, rasen vorbei. Wer einmal hier war, wird immer wiederkehren wollen.