Die „Neue Weltordnung“

Randbemerkungen

Die „Neue Weltordnung“ kommt von der „Souveränitäts“-Strömung und ist ein Mix aus plakativem Nationalismus, Fremdenhass (gepaart mit der Paranoia „die Fremden wollen uns Böses“ – die rumänischen Auswüchse wurden in dieser Rubrik bereits wiederholt behandelt) und fußt auf religiösem Fundamentalismus. Am besten drückte das die amerikanische Kongressabgeordnete Lauren Boebert aus: „Die Kirche muss die Regierung leiten, nicht die Regierung die Kirche. Ich bin diese ganze Misere mit der Trennung von Kirche und Staat satt. (...) Die (politische) Linke will Gott mit der Regierung in allen Aspekten unseres Lebens ersetzen. Nein, so etwas wird nie geschehen!“

Der Begriff „Patriot“ wird etwa von der Gruppe QAnon, die einem D. Trump so nahesteht, laufend bemüht, ebenso präsent in Großbritannien mit „holen wir uns die Kontrolle zurück“ (Brexit-Kampagne), oder in Rumänien mit den „Patrioten“, die in jedem Rumänen einen Nachkommen von Burebista oder wenigstens Stefans des Großen und „Heiligen“ sehen, denen die Großartigkeit im genetischen Code festgeschrieben ist. Folglich kann die Kärglichkeit des rumänischen Alltags nur von den „Fremden“ kommen – ausländische Unternehmer, Nato, EU etc. Unbedingt aus allem, was nicht orthodox ist...

Trotz dieser grob-konkreten Richtungen bleibt die „neue Weltordnung“ (programmatisch?) vage und verschwommen konturiert (von einer Weltregierung, aus wenigen „Personen“, die nur angedeutet werden, geführt). Seit den „Protokollen der Weisen aus Zion“, also seit mehr als hundert Jahren, geistert die Idee einer geheimen Weltregierung herum, und sie kristallisiert sich manchmal auch ums ältere Freimaurertum oder um die Illuminaten (denen Adam Weishaupt und Adolph Knigge, ja, DER Knigge, und Mitglieder wie Herder, Pestalozzi, Goethe, Ignaz von Born oder W. A. Mozart angehörten), deren Mythos bis ins 21. Jahrhundert fort genährt wird. Dazu gehört auch die „Bilderberg-Gruppe“. Als „Neue Weltordnung“ geistert die Verschwörungstheorie erst seit den Wendejahren 1989-90 herum, und nicht selten radikalisiert sie sich in Antisemitismus.

Der amerikanische Politikprofessor Michael Barkun beschreibt das so: „Eine Quelle ist der christliche Millenarismus, integriert in einem fundamentalistischen Protestantismus. Spekulationen übers Ende der Zeiten, wenn die Geschichte ihren Höhepunkt und ihre Enträtselung findet, führen zu Szenarien, in denen die diabolische Gestalt des Antichristen ihre Kontrolle über die Welt festigt. Die andere Quelle ist säkular: ein Corpus von Pseudoforschungen zu Geschichte und Politikwissenschaften, der Ereignisse als Ergebnis der Machinationen von Geheimorganisationen darstellt.“ In beiden wird das kritische Denken ausgehebelt, dem magischen Denken – dem Wunderglauben – Raum geschaffen.

Seit dem 19. Jahrhundert werden zunehmend fiktive jüdische Geheimgesellschaften ins Spiel gebracht, deren Ziel es sei, den Christen ihr Vermögen abzuluchsen, das Christentum zu vernichten, eine Weltordnung zu schaffen, die von Juden geführt wird. Die Deutschen und Franzosen als Urheber dieser Theorien werden ab dem 20. Jh. von Amerikanern abgelöst, die heute führend sind im Schmieden von Verschwörungstheorien. Ein Höhepunkt ist das Buch „Die Neue Weltordnung“ (1991, von Pat Robertson), wo es heißt, dass die Geschichte der modernen Welt von einer seit zwei Jahrhunderten fortdauernden Verschwörung bestimmt sei, an der sich die bayerischen Illuminaten, die Freimaurer, die Kommunisten und die Finanzierer der Wall-Street beteiligen, in deren Zentrum eine Reihe von Juden stehe, die Rothschilds, Moses Hess, Paul Warburg. Bei anderen: Soros.

Die Neue Weltordnung ist die vor-vor-alte und soll durch Instrumentalisierung von Angst entstehen, von Ungewissheit und Zweifel. Nationen ŕ la 19. Jh., Frauen am Herd, Gesetze nur nach der Bibel, Denken als Sünde.