Das Duell, das am vergangenen Freitag im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks in Bukarest stattfand, unterschied sich in mehrfacher Hinsicht von einem Duell herkömmlicher Façon: Es fand nicht am frühen Morgen statt, sondern am Abend, nicht am Waldrand, sondern im Konzertsaal, nicht in der Dämmerung, sondern auf einer stimmungsvoll in rotes Licht getauchten Bühne.
Gleichwohl waren die beiden Duellanten Liviu Prunaru und Gabriel Croitoru ganz in Schwarz gekleidet, genauso wie ihr gemeinsamer Sekundant Horia Mihail. Die Waffen freilich waren weder Pistole noch Säbel, sondern zwei italienische Meistergeigen: Liviu Prunaru focht mit seinem Bogen auf einer Stradivari, Gabriel Croitoru auf einer Guarneri, während Horia Mihail am Bösendorfer-Konzertflügel dem Duellgeschehen sekundierte.
Die Satisfaktionsfähigkeit der beiden Duellanten stand von vornherein außer Frage: Beide gehören dem musikalischen Hochadel an und zählen zur Extraklasse der international gefeierten Violinvirtuosen. Ihr Ehrenhandel bezog sich demgemäß auch nicht auf die Wiederherstellung der verletzten Ehre eines der beiden Musiker, sondern auf die Bestätigung und Bekräftigung der Ehre, die der Musik zukommt und dieser durch bravouröses Spiel zu bezeugen ist.
Deshalb fand das Duell auch nicht in aller Einsamkeit und Abgeschiedenheit statt, sondern im vollbesetzten „Mihail Jora“-Saal vor laufenden Film- und Fernsehkameras sowie vor den Augen und Ohren eines zahlreichen Publikums, das auch noch auf der Bühne zu Füßen des diese optisch beherrschenden Orgelprospekts Platz gefunden hatte. Organisatoren des besagten Violinduells waren der rumänische Rundfunksender „Radio România Cultural“ und der rumänische Kulturverein „Accendo“, Koproduzenten der rumänische Fernsehsender „TVR 3“ sowie „Radio România Regional“.
Das Duell der Violinen wurde dabei nicht nur in Bukarest, sondern darüber hinaus in mehreren Städten Rumäniens ausgetragen: Die Tournee der Duellanten begann am 26. September mit einem Konzert im Kulturpalast von Neumarkt am Mieresch/Târgu Mureş und ging gestern im Saal der Philharmonie in Craiova zu Ende.
Das publikumswirksam inszenierte Duell stellte dabei nicht nur eine willkommene Werbung für die klassische Musik dar, sondern präsentierte auch noch zwei wunderbare Violinen, wobei die von Gabriel Croitoru gespielte Guarneri mit dem Beinamen „Die Kathedrale“ zum nationalen Kulturschatz Rumäniens gehört und bereits von George Enescu zum Klingen gebracht wurde, während sich die von Liviu Prunaru gespielte Stradivari mit dem Beinamen „Pachoud“ im Besitz des Königlichen Concertgebouw Orchesters Amsterdam befindet, das dieses 1694 gebaute Instrument dem rumänischen Geiger für die Dauer seiner dortigen Konzertmeistertätigkeit leihweise zur Verfügung stellt.
Musikgeschichtliches Vorbild für das in Rumänien veranstaltete Violinduell war ein historisches Duell zweier Meistergeiger, das im Jahre 1816 in der Mailänder Scala stattfand: Der französische Virtuose Charles Philippe Lafont und der italienische Teufelsgeiger Niccolò Paganini hatten damals jeder für sich eine Auswahl eigener Werke sowie gemeinsam eine konzertante Sinfonie für zwei Violinen und Orchester von Rodolphe Kreutzer zur Aufführung gebracht.
Nach Meinung der französischen Zuhörer gewann damals Lafont, nach Meinung der italienischen, die in der Mehrzahl waren, Paganini.
Der Aufbau des Bukarester Konzertes folgte in seiner Struktur dem historischen Vorbild. Zunächst interpretierte Liviu Prunaru einen Walzer von Tschaikowsky und einen ungarischen Tanz von Brahms in einer Bearbeitung von Fritz Kreisler, zwei Bravourstücke also, die dem Interpreten die Gelegenheit gaben, seine technischen und musikalischen Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Die Riposte von Gabriel Croitoru folgte auf dem Fuß: Mit der brillanten Darbietung des „Souvenir de Vienne“ von Heinz Provost und der virtuosen Ausführung des „Zapateado“ von Pablo de Sarasate mit sämtlichen Finessen wie fliegendem Staccato, Doppelgriffen und linkshändigen Pizzicati hielt Gabriel Croitoru gekonnt dagegen.
Die Riposte des Guarneri-Geigers parierte der Stradivari-Geiger daraufhin unmittelbar mit einer Rimesse: Er machte einen Ausfall in eher lyrisches Terrain und brachte seine Violine mit der berühmten „Meditation“ aus Jules Massenets Oper „Thaïs“ zum Singen, um sofort im Anschluss daran mit Antonio Bazzinis „Tanz der Kobolde“ ein Feuerwerk virtuoser Techniken zu entfachen, das Gabriel Croitoru nicht kalt lassen konnte.
Seine Parade bestand in der gefühlvollen Wiedergabe der „Caprice Viennoise“ von Fritz Kreisler und in der fulminanten Interpretation der „Zigeunerweisen“ von Pablo de Sarasate, die Horia Mihail, ebenso wie die bereits zuvor genannten Werke, am Flügel kongenial begleitete.
Unmittelbar nach der Pause konnte man dann den vielleicht schönsten Moment des Konzertes erleben. Man hörte die von den beiden Meistergeigern gespielten historischen Meisterinstrumente nun plötzlich ohne Klavierbegleitung und wurde von der Monumentalität des Klangs, der dem Resonanzraum der beiden Violinen entströmte, überrascht und geradezu überwältigt.
Hatte man zuvor die Guarneri als im Klang kräftiger und härter, die Stradivari als weicher und milder empfunden, so schienen die beiden Violinen, je nach den musikalischen Erfordernissen des „Grand Duo“ (op. 57) von Charles Auguste de Bériot, beständig die Rollen zu tauschen und ihre jeweiligen besonderen Eigenarten einander aufzuprägen und zugleich voneinander aufzunehmen.
Dieses Spiel des wechselseitigen Empfangens und Belehnens setzte sich auch bei der gemeinsamen Interpretation des Duos in D-Dur (op. 150) fort, das von dem unter seinem französisierten Vornamen Louis eher bekannten deutschen Komponisten Ludwig Spohr stammt, der seinerzeit, wie der Geiger Lafont, zu den großen Violinrivalen Paganinis zählte.
Den Abschluss des abwechslungsreichen Konzertes bildeten fünf Stücke aus der Orchestersuite „Die Stechfliege“ (op. 97) von Dmitri Schostakowitsch in einer Bearbeitung von Lev Atovmyan für zwei Violinen und Klavier. Auch in diesen vergleichsweise einfachen Stücken kam das breite und in zahlreichen Farben schillernde Klangspektrum der beiden Streichinstrumente voll zur Entfaltung, nun wieder unterstützt durch die tragenden Akkorde des von Horia Mihail gespielten Bösendorfer-Flügels.
Die drei Künstler bedankten sich für den überreichen Applaus mit drei Zugaben: mit einer zu dritt und zweien zu zweit, wobei das Duell zur Ehre der Musik in Harmonie, gegenseitiger Umarmung und gemeinsamer Verbeugung friedvoll begeistert ein beglücktes Ende fand.