Ein ganz anderer Arbeitsalltag

Gespräch mit der Hermannstädter Schulinspektorin Anneliese Heltmann

Anneliese Heltmann unterrichtet fünf Stunden evangelische Religion in „vollen“ deutschsprachigen Klassen am Onisifor-Ghibu-Lyzeum in Hermannstadt. Als sie im Herbst 1990 in die 12. Klasse der Brukenthalschule kam, hatte man wegen der massiven Ausreise die Klassen 11 C, D und E zu einer einzigen zusammengeschlossen.
Foto: Gerold Hermann

Anneliese Heltmann, geborene Hermannstädterin, Absolventin der Brukenthalschule, hat evangelische Theologie in Hermannstadt studiert, ist also Religionslehrerin. Anschließend hat sie den Studiengang zur Ausbildung deutschsprachiger Grundschullehrer der Babeş-Bolyai-Universität besucht, was ihr auch die feste Stelle am Onisifor-Ghibu-Lyzeum in Hermannstadt sicherte. Mit Anneliese Heltmann, seit dem 1. September 2016 Inspektorin, zuständig für Grundschulunterricht und nationale Minderheiten im Kreis Hermannstadt, sprach Gerold Hermann.

Frau Heltmann, seit gut einem Jahr geben Sie wenig Religionsunterricht, dafür haben sie andere Aufgaben. Wie sieht denn ein Tag bei Ihnen aus?

Mein jetziger Job als Schulinspektorin setzt eine ganz andere Tätigkeit als den regulären Unterricht voraus. Ganz anders als bis jetzt, besteht mein Arbeitsalltag im Verfassen von Dokumenten, die den guten Ablauf des Unterrichts betreffen. Auch bin ich in ständigem Gespräch mit Lehrern über die verschiedenen Probleme, die im Schulalltag auftauchen. Nur ein kleiner Teil meiner Tätigkeit läuft mittlerweile in der Schule ab.

Was finden Sie Positives an Ihrem neuen Aufgabenfeld?

Bereichernd finde ich den Unterrichtsbesuch bei Kolleginnen, da entdeckt man beruflich immer etwas Neues.

Es gibt wohl wenige Lehrer, die sich über eine so genannte „Inspektion“ freuen, oder?

Ein Teil meiner Arbeit ist der Unterrichtsbesuch, man kann ihn ja wie im Rumänischen „Inspektion“ nennen, das ist aber nicht alles. Bei der Gelegenheit sprechen wir auch über all das, was meine Kollegen freut und bedrückt. Es geht auch um Beratung, Hilfestellung leisten, einfach füreinander da sein.

Relativieren sich durch diese Gespräche dann auch die eigenen Sorgen?

Genau. Es zeigt sich, dass meine Probleme dann nicht gerade zu den allergrößten gehören, vieles wird ausbalanciert, weil man das ganze Unterrichtssystem aus einer anderen Perspektive kennenlernt. Auch meine Vorgängerin im Amt, Monika Hay, die jetzt die Brukenthalschule leitet, kann ich mittlerweile viel besser verstehen.

Dieser neue Blickwinkel auf Altbekanntes hat auch andere Lehrer, die Leitungsfunktionen übernommen haben, überrascht. Kommen wir zu Ihrem Aufgabenfeld zurück: Sie sind zuständig für den Unterricht in Sprachen der Minderheiten. Was gibt es denn noch im Kreis Hermannstadt außer Deutsch?

Ungarisch. In Hermannstadt allerdings mit ganz wenigen Schülern: Simultanunterricht in der Grundschule, in höheren Stufen laufen die Klassen aus, wegen mangelndem Interesse werden keine neuen gebildet. In Mediasch gibt es ungarischsprachige Klassen von Stufe 0-8.

Im Gegensatz dazu stößt der deutschsprachige Unterricht auf stetig wachsendes Interesse. Gemäß der Forumsstatistik gab es im Kreis Hermannstadt im Schuljahr 2016-2017 insge-samt 1598 Kinder in deutschsprachigen Kindergartengruppen, 3476 in den Klassen 0-8 und 1022 im Lyzeum, addiert also 6096 Jugendliche im deutschsprachigen Bildungssystem nur in unserem Kreis. Mir scheint diese Zahl äußerst beachtlich. Wo sehen sie die Probleme?

Im Mangel an fachlich und sprachlich qualifiziertem Lehrpersonal! Es beginnt ja schon im Kindergarten: Eltern und Direktoren wollen deutschsprachige Gruppen und fordern beim Schulinspektorat Erzieherinnen an, die wir aber leider kaum noch vermitteln können. Die Absolventen des Pädagogischen Lyzeums studieren nach dem Abitur fast immer, selten aber Grundschulpädagogik.

Das Problem ist alt! Schon vor gut 30 Jahren hieß es im Päda, die Ausbildung habe keinen Sinn, weil die meisten Absolventen dann weder Erzieher noch Grundschullehrer werden, jedenfalls nicht in Rumänien. Aber die Absolventen von damals sind heute das tragende Element des deutschsprachigen Unterrichts im ganzen Land, was in den Jahren bald nach der Wende niemand für möglich gehalten hätte.

So ist es! Wenn der deutschsprachige Unterricht so begehrt ist, müssen die Eltern und später die Schüler die Qualität insgesamt schätzen. Vielleicht sollten wir uns über die vielfältigen Chancen unserer ehemaligen Schüler einfach freuen – ganz besonders über jene, die dann doch im Kindergarten arbeiten oder Lehrer werden (vier Pädaabsolventinnen des Jahres 2017) …

Trotzdem: Wie meistern Sie den Personalengpass?


Es gibt viele Kindergartengruppen, auch private, und dann besteht der Anspruch der Eltern auf Weiterführung der Bildungssprache in der Grundschule. Da haben wir dann das größte Problem. Wir müssen mit den Lehrern, die wir haben, qualitativ entsprechenden Unterricht bieten. Da führt dann an vielen Schulen kein Weg am Deutschtest für die Aufnahme in die Vorbereitungsklasse vorbei – auch wenn der bei Eltern und Lehrern gleichermaßen unbeliebt ist. Wir diskutieren seit Jahren über eine entsprechende Form des Ausleseverfahrens. Es ist jedenfalls nicht leicht, bei Sechsjährigen die Kommunikationsfähigkeit in einer Fremdsprache objektiv zu testen.

Test bestanden, Eltern zufrieden, das Kind besucht die deutschsprachige Grundschule. Die allermeisten Kinder schaffen das. Was aber, wenn nach Lehrermeinung die Unterrichtssprache Deutsch das Vorwärtskommen des Kindes bremst, statt fördert?

Lehrer können nur beraten, selten akzeptieren Eltern aber den Rat, zur rumänischen Abteilung zu wechseln – auch wenn Lehrer versichern, dass das Kind da erfolgreicher wäre.

Paradoxerweise glauben Eltern mehr an „unser Erfolgsmodell“ als wir!

Vieles ist personengebunden. Das ist leichter an kleinen Schulen erkennbar, da schwanken die Schülerzahlen stark in Abhängigkeit von Lehrpersonen, deren Tätigkeit man eben kennt…

Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen möglichst viel Erfreuliches, aber auch Durchhaltevermögen!