Begraben ist er auf dem Klausenburger Hauptfriedhof (Hajongard), wo ein bescheidener Grabstein an Mihai Patriciu erinnert (19. Januar 1909 – 29. Mai 1997), der eigentlich als Grünsperger Mihály geboren wurde und sich gelegentlich auch Mihai Weiss nannte, und der zu den Gründungsmitgliedern der Securitate gehört hatte.
Seine farben- und kontrastreiche Biographie hat jüngst der Klausenburger Archäologe Gheorghe Petrov ins Gedächtnis der Öffentlichkeit gerückt, der seit 20 Jahren zu den Initiatoren und Koordinatoren einer neuen Archäologiesparte gehört: derjeniger, die Opfer des kommunistischen Terrors suchen, die – in der Regel von der Securitate und/oder auf einen simplen Befehl von Securitateoffizieren hin – ermordet und in anonymen Gräbern verscharrt wurden.
Marius Oprea, der Gründer und erste Leiter des Instituts zur Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus in Rumänien / Institutul de Investigare a Crimelor Comunismului în România (IICCR), definierte einst als Präsident des IICCR (er wurde inzwischen zusammen mit Petrov und weiteren Archäologen ihres Teams vom IICCR entfernt…) die Lage der Bürger Rumäniens folgendermaßen: „Ohne dass Sie es wissen können, kann es vorkommen, dass sie irgendwo am Land, wenn sie spazieren gehen oder wandern, auf Gräber treten, wo Menschen ruhen, die einfach mitten in der Nacht von zuhause weggeführt, hinauseskortiert und erschossen wurden, um dann irgendwo insgeheim verscharrt zu werden. Wir versuchen, jene Toten zu finden und an ihnen eine bescheidene Gerechtigkeit zu verüben. Sie ihren Familien zurückzugeben, um christlich begraben zu werden. Dies einerseits.
Andrerseits stützen sich unsere Untersuchungen auch auf die Identifizierung derjeniger, die diese Menschen ermordet haben. Wir stoßen oft auf ein Paradoxon: Wir machen nicht selten noch lebende Securitatemitglieder ausfindig, die an seinerzeitigen Exekutionen aktiv beteiligt waren. Es stimmt: Es sind alte Menschen. Doch überlegen Sie mal folgendes: Nazis werden auch heute noch verfolgt, bis in die Tiefen des Urwalds am Amazonas, oder wo sie sich auch zu verbergen versuchen, und werden, sind sie einmal gefasst, gerichtlich belangt für ihre unverjährbaren Verbrechen gegen die Menschheit. Unsere Securitatemitarbeiter aber besitzen heute Villen in Luxusvierteln, beziehen Renten, die zehn bis zwanzigmal höher sind als die Renten der Nachkommen derer, die sie ermordet haben – und niemand wird für die Verbrechen, an denen sie beteiligt waren, zur Verantwortung gezogen.“
Marius Oprea kennt sich in der Sache aus: Seine Lehrzeit hat er in der Berliner Bundesbehörde für die Aufbewahrung und Aufarbeitung der Akten des Staatssicherheitsdienstes der DDR verbracht, als diese von Joachim Gauck geführt wurde.
Bis vor Kurzem führte der Klausenburger Archäologe Gheorghe Petrov das Team der Archäologen des IICCR an. Die ADZ berichtete 2019/20 ausführlich über die Entdeckungen des Teams im ehemaligen Innenhof des früheren Gefängnisses für politische Häftlinge von Karansebesch, wo zahlreiche Skelette offensichtlich ermordeter politischer Sträflinge – vorwiegend ehemalige Partisanen, die bis in die zweite Hälfte der 1950er Jahre im Banater Bergland gegen die Kommunisten gekämpft haben und sich der Unterstützung einer antikommunistisch gesinnten Bevölkerung erfreuten.
Dieser Tage trat Petrov mit dem Fall des ehemaligen Spanienkämpfers, des Ex-Securitate-Obersten und Ex-Generaldirektors des Metallurgischen Kombinats Reschitza und von Unio Sathmar an die Öffentlichkeit. Der als Mihai Patriciu auf dem Klausenburger Zentralfriedhof Begrabene, der als Grünsperger Mihály in einer jüdisch-rumänischen Familie in einer Ortschaft an den Westhängen des Siebenbürgischen Erzgebirges, auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Bihar/Bihor, zur Welt kam und der in seiner frühen Jugend auch den Namen Weiss Mihai als Pseudonym zu benutzen pflegte, engagierte sich schon früh politisch und gehörte als Linker den Internationalen Brigaden im Spanienkrieg an (George Orwell, der zur gleichen Zeit in den Internationalen Milizen in Spanien kämpfte, schrieb über diese Zeit: „Man hatte das Gefühl, plötzlich in einer Ära der Gleichheit und Freiheit aufgetaucht zu sein. Menschliche Wesen versuchten, sich wie menschliche Wesen zu benehmen und nicht wie ein Rädchen in der kapitalistischen Maschine.“)
Grünsperger/Weiss/Patriciu kämpfte, nachdem er aus einem französischen Internierungslager ausgebrochen war, aber auch in der französischen Résistance während des Zweiten Weltkriegs gegen die Nationalsozialisten, um dann schon vor der von Stalin unterstützten Machtübernahme der Kommunisten nach Rumänien zu kommen und in der Folge kurzzeitig eine fulminante Karriere im neugeschaffenen Sicherheitsdienst im kommunistischen Rumänien hinzulegen.
Ab 1945 engagierte sich der aus Frankreich nach Rumänien zurückgekehrte Mihai Patriciu im Repressionsapparat der Kommunisten Rumäniens, trat offiziell der Kommunistischen Partei bei und wurde zu einem Vertrauten des späteren kommunistischen rumänischen Innenministers Teohari Georgescu (1945-1952), der für den rasanten Aufstieg Patricius in der Hierarchie sorgte: 1945 für kurze Zeit Chef des Regionalen Polizeiinspektorats Alba, dann Chef des Regionalen Polizeiinspektorats Klausenburg (1945-1947), Generalinspektor für die Region Klausenburg der am 20. Juni 1947 gegründeten Generaldirektion der Staatssicherheit („Securitate“) und danach, in der selben Funktion, in Kronstadt, bis zum 22. Juli 1952.
Als Innenminister Teohari Georgescu 1952 beseitigt wurde, fiel auch sein Vertrauter Mihai Patriciu, der nach nur sieben Jahren militärischer Dienste bereits im Rang eines Obersten der Securitate stand. Patriciu fiel in der Folge der von Stalin aus Moskau auch seinen Satellitenstaaten dringend anempfohlenen Entfernung von Juden aus höheren politischen und administrativen Ämtern, ohne allerdings seines militärischen Grads (Oberst der Reserve) und seiner Rentenrechte verlustig zu werden.
Lange blieb der Ex-Securitate-Oberst nicht in der Reserve. 1955 wurde er, 46-jährig, Generaldirektor des Metallurgischen Kombinats Reschitza, dem kommunistischen Rechtsnachfolger der Werke und Domänen UDR Reschitza, die 1948 „nationalisiert“ worden waren. Generaldirektor von CMR Reschitza blieb er bis 1961, obwohl er außer der „politischen Eignung“ nichts hatte, was ihn für einen solchen Posten empfohlen hätte. Bald darauf wurde er – wieder als Generaldirektor und wieder bloß nach rein politischen Kriterien – als Generaldirektor bei Unio Sathmar eingesetzt.
Auf beide hohe Verantwortungsposten in der Wirtschaft kam Mihai Patriciu, alias Mihály Grünsperger, alias Mihai Weiss, als Securitate-Offizier der Reserve, der heute zahlreiche Morde und Verbrechen gegen die Menschheit zur Last gelegt werden. Mihai Patriciu aber wurde niemals zur Verantwortung gezogen. Er ging aus Sathmar in Rente, ließ sich anschließend in Klausenburg nieder und genoss hier bis ins hohe Alter seine mehr als stattliche Doppelrente – als Securitate-Oberst und als hochdotierter Generaldirektor zweier bedeutender Werke der kommunistischen Zeit – bis 1997, als er schließlich das Zeitliche segnete.
Niemals – so der IICCR-Archäologe Gheorghe Petrov – sei Patriciu/Grünsperger/Weiss vom Rechtssystem Rumäniens wegen Verbrechen gegen die Menschheit belangt worden. Heute liegt gegen den Ex-Securitate-Oberst der stalinistischen Zeit viel vor. Petrov schreibt auf seiner Sozialisierungsseite, Patriciu sei „einer der größten Verbrecher des kommunistischen Regimes“ gewesen, „der die Verhaftung und Strafuntersuchungen unter Folter von hunderten Personen anbefohlen“ habe, „der hunderte Personen in Gefängnisse gesteckt und zu Arbeitslagern verdammt“ habe, „von denen viele nie mehr nach Hause kamen. Wir (Anm. d. Red.: gemeint ist das Team, das Petrov leitete, also u.a. die Archäologen Paul Scrobotă, Horaţiu Groza und Gabriel Rustoiu) hatten bloß Gelegenheit, sein Grab ausfindig zu machen und viele seiner Gesetzwidrigkeiten und Verbrechen zu enthüllen sowie einige seiner Opfer aufzufinden, die zumeist einfach in Erdlöcher geworfen wurden, in namenlose Gräber in den heutigen Landkreisen Alba, Bistritz-Nassod, Klausenburg, Mureş und Sălaj. So viel konnten wir für die Seelen der Ermordeten und mit dem Dank der Nachkommen tun.“
Das Thema der kommunistischen Verbrechen ist in Rumänien weiterhin ein zeitweilig viel zu heißes Eisen. Zum Beweis: Sowohl Marius Oprea, der sich allmählich auch zu einem respektablen Schriftsteller mausert, als auch Gheorghe Petrov sind bereits mehrmals aus dem Institut zur Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus IICCR entfernt worden.
Dazu Petrov zu dem, was im Sommer 2020 passiert ist: „Es war das dritte Mal, dass ich gezwungen wurde, diese Institution des Rumänischen Staates unter Druck zu verlassen, dem ich bisher 14 Jahre meines Lebens geschenkt habe. Ich musste viele laufende Forschungsprojekte aufgeben und die Vorbereitung weiterer Projekte stoppen.“