Ende März 2015 stand der dringende Handlungsbedarf aufgrund der Ergebnisse der zweiten Operation des Hauptknotens an ihrer linken Wade und den Untersuchungen innerhalb der Abteilung für Plastische Chirurgie des Kreiskrankenhauses in Kronstadt/Braşov fest: Amputation des linken Beines, oberhalb des Knies. Aus einem kleinen Gewächs entwickelte sich trotz operativem Eingriff vor vier Jahren (2011) und anschließenden regelmäßigen Kontrollen ein klar erkennbarer Knoten, der offenbar ausgestrahlt hatte. Ein Szintigramm zeigte, dass die Metastasen das Bein schon verlassen hatten und in die oberen Regionen des Körpers gewandert waren. Das bedeutete, dass also auch eine Amputation nur eine Notlösung sein würde. Christa Siegmund sah ihr Bein lange an. Sie war mit der Entscheidung allein. Sie musste sich sehr schnell entscheiden. Joachim Fuchsberger hilft sich in so einem Fall: „Über Hürden springst du, wenn du vor ihnen bist, nicht vorher, wenn du sie noch gar nicht siehst. Wer am Start an die Gefahren des Rennens bis ins Ziel denkt, kann es nicht gewinnen“. (Joachim Fuchsberger: „Altwerden ist nichts für Feiglinge“) Sie sagte zur Operation „Ja“ und hoffte nur, dass sie sie psychisch und finanziell durchstehen kann. Wie sie mit einer Beinprothese leben, ihr Haus und den Garten in Predeal bestellen wird (sie ist seit achtzehn Jahren Witwe) waren fernliegende Fragen.
Es kam anders. In letzter Minute hinterfragte ein Arzt den Entschluss zur Amputation und überzeugte Christa, nach Klausenburg, zur Onkologie, zu fahren. Der Onkologe Dr. Alin Rancea, für den sie durch Vermittlung eines ihr bekannten Arztes einen Termin bekam, riet ihr zu einer weiteren Untersuchung, dem PET-CT. Von diesen Apparaten gibt es zur Zeit vier in Rumänien. Eine solche Untersuchung stellt hohe Anforderungen an den Patienten, gibt aber klare Befunde. Anforderungen finanzieller Art (5100 Lei), gesundheitlicher Art (nicht zu hoher Blutzuckerspiegel und nicht kurz nach einer Chemotherapie) und schließlich psychischer Art. Christa hatte wieder Glück. Die Krankenkasse war aufgrund ihres Dossiers bereit, die Kosten zu zahlen. Freunde halfen ihr in Bukarest bei der Durchführung der PET-Untersuchung in Fundeni. Es folgten immer wieder Zeiten des Wartens, der Ungewissheit, der Sorge. Christa ist alleinstehend.
Schließlich ergab der PET-CT-Befund, dass die Metastasen wohl gewandert waren („multiple metastase în tranzit la nivelul gambei stângi, active metabolic“), aber innerhalb der Wade. Die inneren Organe waren nicht befallen. Außer dem radikalen Eingriff, der Amputation, war somit die Möglichkeit einer komplexen Operation möglich, nämlich die aufgezeigten Knoten einzeln zu entfernen.
Jetzt war sie zur Amputation nicht mehr bereit, sie sah keinen Sinn mehr darin. Eine Kommission erlaubte die Operation der Knoten durch Dr. Alin Rancea. Viel Gewebe von ihrer Wade wurde entfernt und zurück blieb eine richtige Mulde. Christa kam kurz darauf ins Hospiz nach Hermannstadt und wurde dort liebevoll betreut und fachgerecht verarztet. Zurzeit wohnt sie im Altenheim in der Blumenau in Kronstadt, eine Einrichtung der Honterusgemeinde. Täglich wird ihre offene Wunde sorgfältig gereinigt. Seit einiger Zeit kann sie ohne Gehhilfe langsam gehen. Goldener Herbst leuchteten mehrere Wochen durch die Fenster ihres Zimmers. Sie ist sehr dankbar für all die Hilfe, die sie erfahren durfte. Die Reihe der Institutionen und der Personen, die ihr geholfen haben, ist lang. Und ihre Dankbarkeit bezieht sich auch auf die richtige Zusammenarbeit all der Menschen, die an ihr handelten, obwohl auch wundersame Zufälle eine wichtige Rolle in ihrer Krankheitsgeschichte gespielt haben. Dass sie mit einem Pulverfass im Körper lebt, weiß sie. Jetzt aber fühlt sie sich wohl. Und hofft, auch wieder in ihr Zuhause nach Predeal zu fahren. Sie ist Mitglied im Handarbeitskreis des Kronstädter Forums und strickt gerade Socken, als Beitrag zum Weihnachtsbasar.
Christa ist nicht allein.