Kulturell hat Kronstadt/Brașov nicht viel zu bieten. Diese Meinung ist weit verbreitet, obwohl die Behörden in den letzten Jahren (mit Ausnahme der Pandemie) immer mehr Geld in Kultur investieren. Im Jahr 2022 gab es eine Höchstsumme von insgesamt sechs Millionen Lei vom Bürgermeisteramt und dem Kreisrat, aus der unabhängige Produktionen, Festivals, Aufführungen u. a. in allen Kulturbereichen finanziert wurden. Dennoch fehlt der Stadt ein bedeutendes Festival oder etwas Spezifisches, mit dem der Name der Stadt in Verbindung gebracht wird und das starkes nationales und internationales Interesse anzieht.
Seit Jahren versuchen Kulturvereine und NGOs die Situation zu ändern. Bislang ohne das erwartete Echo. Nun bespricht man (erneut) die Möglichkeit, Kronstadt/Brașov in eine Filmstadt zu verwandeln, in einen Magneten für Filmemacher weltweit. Das würde bedeuten, dass die Stadt Filmstudios und professionelle Infrastruktur für Dreh, Schnitt und Postproduktion anbietet, wie auch lokal ausgebildetes Personal, das in diesem Bereich arbeitet.
Ende vergangenen Jahres kamen Vertreter der Stadt- und Kreisverwaltung, Vorsitzende einiger Kulturvereine, Kulturmanager, Veranstalter von Filmfestivals, Regisseure und Filmproduzenten wie auch ein Berater in der Filmindustrie zusammen und besprachen die Möglichkeiten, Kronstadt zur Filmstadt zu entwickeln. Das Thema ist nicht neu, es konnte nun allerdings in einem öffentlichen Rahmen und in Anwesenheit von Vertretern vieler Bereiche analysiert werden. Im erst kürzlich eröffneten Astra-Kino auf der Postwiese/Livada Po{tei (Anschrift: Langgasse/Str. Lungă Nr. 1), wo das Ereignis stattfand, wurden anderthalb Stunden lang Argumente für den Aufbau und die Entwicklung der Kinoindustrie in der Stadt gebracht. „Wäre Kronstadt auf der Karte der Filmstädte der Welt, würde es mehr Touristen anziehen, Arbeitsplätze für die Einwohner schaffen und auch HoReCa-Dienste beanspruchen. Filmproduktionen bringen einen wirtschaftlichen Aufschwung, einen Vorteil für die Gemeinschaft“, meinte Drehbuchautor und Filmproduzent Florian Anghel. Kronstadt und seine Umgebung böten zahlreiche Attraktionspunkte, die Produzenten anlocken würden, darunter die einzigartigen Landschaften und die Wildnis, die nur an wenigen Orten Europas noch zu finden sind. Auch der gebürtige Kronstädter Regisseur Adi Voicu unterstützt die Meinung, dass der Kreis sehr viel zu bieten habe und das ausgenutzt werden sollte.
Erst 2021 wurde in der Gegend um Racoș die internationale TV-Koproduktion „Django” gedreht. Laut offiziellen Angaben wurden 16 der 40 Millionen Euro vom Gesamtbudget in Rumänien ausgegeben. Es ist eine der bedeutendsten Produktionen nach „Cold Mountain” (Regie: Anthony Minghella), bei der ebenfalls im Kreis Kronstadt gefilmt und Millionen Euro gewonnen wurden.
Filmschule, Studios und Verleih
Filmstadt Kronstadt würde bedeuten, dass vor Ort die nötige Logistik und Infrastruktur existiert, um Leinwandgeschichten zu schaffen. Es würde bedeuten, dass man bekannte Namen und große Filmproduktionen anzieht, die nirgendwo ein besseres Angebot finden. Derzeit haben wir von allem nur die bezaubernden Landschaften.
Eine Möglichkeit, die Idee, in der Zinnenstadt ein Filmparadies zu entwickeln, dennoch zu verwirklichen, wäre ein großes, bekanntes Filmfestival, das die Stadt für Schauspieler, Produzenten und Filmemacher attraktiv macht. Dass dies allerdings eine Investition von Jahren bedeute, die zudem solide Unterstützung seitens der Behörden benötigt, war allen Teilnehmern der Besprechung klar.
Sowohl Vizebürgermeisterin Flavia Boghiu, wie auch der stellvertretende Leiter der Abteilung für Projektmanagement des Kreisrates, Petru Nechifor, erklärten, dass die öffentlichen Institutionen diese Vorhaben nicht decken können, zumal es keine spezifische Finanzierungslinie dafür gibt. Außerdem sei die Filmindustrie teuer, die erforderlichen öffentlichen Gelder nicht ausreichend. „Es wäre eine nationale Premiere, wenn Lokalbehörden Filmproduktionen finanzieren würden. Nicht, dass ich wüsste, dass irgendein Bürgermeisteramt so etwas macht”, fügte die Vizebürgermeisterin hinzu. Das Nationale Filmzentrum CNC wäre für Produktionen zuständig und wenn es Kronstadt als Filmstadt unterstütze, dann könnten auch die Lokalbehörden dazu beisteuern. Bis dahin fördere man die Filmindustrie lokal und auf Kreisebene durch Filmfestivals und -workshops.
Aktuelle Lage
Marian Gîlea ist einer der ersten in der Zinnenstadt, der Filmfestivals organisiert. Der Vorsitzende des Vereins Fanzin hat vor zehn Jahren das Horror- und Fantasy-Filmfestival „Dracula Film“ ins Leben gerufen, eines der wenigen seiner Art im Land. Sein Plan war, das Ereignis mit Kronstadt in Verbindung zu bringen, so dass es zur internationalen Attraktion wird, so wie das „Dracula-Brand“ in Törzburg/Bran, ganz in der Nähe von Kronstadt. Die Filmfestspiele in Kronstadt haben tatsächlich Leute des Filmbusiness aus dem In- und Ausland begeistert. Weltweite Anerkennung erfordert allerdings auch die Anwesenheit von Stars und Weltpremieren verfilmter Geschichten. Das beansprucht wiederum viel mehr Geld, als das Festival von Behörden und Sponsoren auftreiben kann.
Um seine Pläne dennoch zu verwirklichen, plant Gîlea kleine Schritte. Im Rahmen des Ereignisses unterstützt er Jugendliche aus Rumänien zwischen 16 und 19 Jahren, in der Zinnenstadt zusammen Kurzfilme zu schaffen. Wenn das Projekt noch wächst, könnte man sich am Modell „Sarajevo City of Film” inspirieren, so Regisseur Andrei Dăscălescu, der bei der Debatte anwesend war. In der Hauptstadt Bosniens und Herzegowinas gab es ein Projekt, bei dem während des berühmten Festivals zehn Kurzfilme internationaler Teams entstanden, die großteils aus öffentlichen Geldern finanziert wurden.
Was die Filmproduktion in Kronstadt betrifft, ist der Bedarf noch größer. Es gibt weder in der Filmbranche ausgebildetes Personal – in keinem der Bereiche wie Kamera, Ton, Technik, Kostüme, Make-Up, Bühnenbild, Spezialeffekte, Schnitt etc., noch professionelle Ausrüstung, noch Studios. Es gibt praktisch nichts von dem, was eine Filmstadt braucht - außer der wunderbaren Landschaft, betonten die Anwesenden bei der Diskussion im Astra-Kino.
Private Investition, staatliche Förderung
Eine Lösung für das Vorhaben könnten private Investitionen und nicht rückzahlbare Fonds darstellen. Aber auch hier wäre die Unterstützung der Behörden von Bedeutung, die bei-spielsweise Räumlichkeiten oder Gelände zur Verfügung stellen, wie etwa die Fabrikhallen des ehemaligen Rulmentul-Werks, die seit Jahren verlassen sind. Dort könnten Studios entstehen.
Auch könnte in die Ausbildung investiert werden, etwa durch Zusammenarbeit mit dem Technischen Kolleg „Mircea Cristea“, das über eine Videoabteilung verfügt, oder mit der Transilvania-Universität, die gegebenenfalls einen Film-Studiengang einführen könnte. Eine Langzeitunterstützung seitens der öffentlichen und privaten Bereiche würde der gesamten Gemeinschaft zugute kommen, nicht zuletzt auch, weil es die jungen Leute motivieren könnte, nicht gleich nach dem Studium wegzuziehen, sondern ihr Glück in ihrer Heimatstadt zu versuchen, meinten die Teilnehmer an der Debatte.
Diskussion in der Sackgasse?
„Ist Kronstadt denn vorbereitet für so etwas? Gibt es in der Stadt Leute, die die Filmindustrie entwickeln können?”, fragte Boghiu. Eine öffentlich-private Partnerschaft, wie aus dem Saal vorgeschlagen wurde, sei kompliziert, weil der Film teuer und auch kommerziell ist. „Kronstadt kann zur Filmstadt werden, wenn man es will”, meinte hingegen Adi Voicu. Eine jahrelange systemische Investition könne diese Industrie wachsen und gedeihen lassen. Man müsse sich allerdings klar darüber werden, was man mit der Stadt vorhat. Denn Kronstadt sei weiterhin eine Arbeiterstadt ohne solides kulturelles Angebot. Will man Kultur, so muss man sie richtig und gezielt unterstützten.
Aus der Diskussion ging klar hervor, dass die Behörden derzeit kein Interesse daran zeigen, in die Filmindustrie zu investieren. Das unterstreicht wohl auch die Situation der Kinos in Kronstadt: Von den vier renovierten Kinos funktionieren nur Astra und Patria gelegentlich, Modern und Popular sind weiterhin geschlossen. Kommerzielle Filme sieht man in der Afi- oder Coresi-Mall, Autorenfilme selten in der Redoute, bei Astra und Patria und in alternativen Räumlichkeiten.
Film stellt garantiert keine Priorität für die Behörden dar, eine Filmstadt daher erst recht nicht. Sollte es daran liegen, dass Kronstadt ohnehin zu den beliebtesten Städten Rumäniens zählt und sich selbst genügt? Oder keine Werbung mehr braucht? Warum unterstützt dann Bürgermeister Allen Coliban das umstrittene Musikfestival „Massif” (3.-5. März) in der Schulerau/Poiana Brașov, das er zum internationalen Highlight entwickelt haben will? „Massif” ist nur eine Kopie des „Untold”-Festivals (Klausenburg/Cluj-Napoca), das nicht hier entstand und nicht von Kronstädtern entwickelt wird.
Die Diskussion, Kronstadt zum Filmset zu verwandeln, scheint aus dem Nichts erschienen zu sein – und vorschnell in der Sackgasse zu enden. Denn man fragt sich, wer wohl in dieser wunderschönen, aber teuren Stadt und Umgebung drehen möchte, wenn die Behörden keine Unterstützung wie beispielsweise Ermäßigungen oder Vorteile bieten? Die Filmindustrie zieht immer in Regionen, wo es für sie finanziell vorteilhaft ist. Und Ausstattung parat zu haben nur für die wenigen Regisseure, die hier drehen, zeugt wohl nicht von einer klugen Investition – außerdem kommen große Produktionen ohnehin mit eigenem Equipment.
So bleibt im Augenblick nur die Idee bestehen – und wenn in Zukunft die Politik sie unterstützen will und in die Ausbildung junger Leuten setzt, die damit auch in Kronstadt bleiben, parallel ein starkes Filmereignis mitentwickelt und Studios miteinrichtet, könnte man bestimmt, in einigen Jahren, Kronstadt mit Film gleichsetzen. Man muss es nur wollen!