Constantin Duma gehört zu jenen Fotoreportern, die bei allen großen Ereignissen in Temeswar/Timișoara dabei sind. Den ganzen Tag unterwegs, stets mit seiner Kamera und seinem Laptop im Rucksack, immer einsatzbereit. Bereits 1970 hatte der aus Marghita im Kreis Bihor stammende Fotograf sein erstes Bild in einer Zeitung veröffentlicht – es erschien in der Zeitung „Crișana“, für die er damals als Mitarbeiter tätig war. Sein Lebensweg führte ihn nach Temeswar, wo er sich seit 1975, als er sein Studium der Industriechemie an der TU Politehnica begann, niederließ. Hier arbeitete er unter anderem bei der Zeitung „Drapelul Roșu“. Im Dezember 1989, als die Revolution in Temeswar ausbrach, war Constantin Duma, der damals im Schnitt etwa 50 Filme in der Woche fotografierte und ein eigenes Fotoatelier hatte, mit seiner Kamera unterwegs. Seine Fotografien liegen heute als Dokumentationsmaterial in der Gedenkstätte der Revolution vor. Mit ihrem Journalistenkollegen, der heute bei der rumänischen Nachrichtenagentur „Agerpres“ arbeitet, führte ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu folgendes Gespräch.
Welches war Ihr Status damals und wie sind Sie dazu gekommen, während der Revolution von 1989 zu fotografieren?
Ich war damals 38 Jahre alt und beim Temescher Kreisschulamt als Fotograf tätig. Das Fehlen von didaktischem Material bzw. der Möglichkeiten, das vorhandene Material zu vervielfältigen, bot den Fotografen die Gelegenheit, den Bildungsakt zu unterstützen. Ich habe, z. B., zu diesem Zweck umfangreiches Material über den rumänischen Dichter Mihai Eminescu fotografiert und in etwa 300 Exemplaren vervielfältigt. Ich hatte davor als Mitarbeiter bei der Zeitung „Drapelul Roșu“ gearbeitet, aber da ich einen nach Australien geflüchteten Bruder hatte, kam ich ins Visier der Securitate und musste mich zurückziehen. Beim Kreisschulamt startete ich 1984 von Null. Die Schulen und Kindergärten sind ein fantastisches Thema für die Fotografie. Ich blieb da bis 1990, als ich Europa bereiste, wie jeder freie Mensch, der sich vorstellte, dass die Freiheit etwas mehr bedeutet. Ich hatte damals, als die Revolution begann, schon eine geformte Fotografenhand. Ich hatte einen sehr guten Professor in Temeswar, Iacob Cornea, der mich in Sachen Fotografie ausgebildet hat.
Woher hatten Sie die Ausstattung? Wie schwer war es, Zugang zur Apparatur und zu Filmen zu bekommen?
Es war damals so ähnlich wie heute. Wenn du weißt, an welche Tür du anklopfen musst, wenn du das notwendige Geld dafür hast, deine Beziehungen regelmäßig pflegst, dann bekommst du das, was du brauchst. Als die Revolution begonnen hat, besaß ich 320 Filme. Ich musste mir aber nach der Revolution weitere andere verschaffen. Die Filme entwickelte ich ständig während dieser Zeit.
Sie haben Dutzende Fotos von der Revolution 1989 in Temeswar geschossen, aber auch von dem Gerichtsprozess, der 1990 folgte.
Es war der Gerichtsprozess vom März 1990, der im Jugendhaus abgehalten wurde. Damals begann der sogenannte „Prozess Temeswar“, bei dem zunächst 21, später 25 Angeklagte vor Gericht kamen.
Am 17. Dezember 1989 sind viele Temeswarer gefallen. Die Strategie derjenigen, die sich an der Spitze des Staates befanden, war, die Idee zu verbreiten, dass in Temeswar obskure Interessensgruppen mit Hauptsitz im Ausland eine Rebellion ausgelöst haben, die das Land dann verlassen haben. Das ist der Grund, weshalb die Leichen von 43 Menschen, die sich im Leichenschauhaus des Kreiskrankenhauses Temeswar befanden, in der Nacht vom 18. Dezember von einer komplexen Struktur entwendet und zum Cenușa-Krematorium nach Bukarest gebracht wurden, um verbrannt zu werden. Aber zurück zu dem Prozess: Ich wurde beauftragt, diesen Prozess zu fotografieren. Ich habe alle Personen getroffen, die darin involviert waren, jene, die z. B. an verschiedenen Orten in Temeswar geschossen haben, die der unterschiedlichen Verbrechen angeklagt waren. Es kamen auch einfache Leute, Mitarbeiter des Cenușa-Krematoriums, als Zeugen, die äußerst erschrocken waren. Sie fragten mich, was sie vor Gericht sagen sollten, und ich riet ihnen, die Wahrheit zu erzählen. Darunter waren auch zwei Menschen, die die Leichen in den Ofen gesteckt haben. Sie erzählten, sie hätten 41 oder 43 Leichen verbrannt. Für jeden Körper, den sie in den Ofen steckten, zeichneten sie eine Linie auf der Wand.
Auf Ihren Fotos sind auch sehr tragische Episoden zu sehen, z. B., wie einige Gräber exhumiert wurden und die Menschen ihre Angehörigen wiedererkennen. Wann und wo hat sich diese Episode zugetragen?
Man suchte verzweifelt nach den Toten der Revolution. Am 22. Dezember begaben sich einige Menschen auf den Armenfriedhof und wühlten die Erde mit Schaufeln auf, um ihre Angehörigen zu suchen. Doch nicht diese Episode ist auf jenem Bild zu sehen, das ich Dir geschickt habe. Es ist eine andere Geschichte der Verzweiflung. Nach den Feiertagen suchten die Menschen immer noch nach ihren Toten. Am 28. Dezember 1989 wurden aus dem Leichenschauhaus des Kreisspitals nicht identifizierte Menschenleichen am Heldenfriedhof begraben – mit Priester. Man wusste nicht, wer diese Menschen waren. Im Januar machten einige Leute Druck, dass die Gräber geöffnet werden, um die Personen zu identifizieren. Am 14. Januar 1990 wurden 14 Leichen exhumiert. Auf einem der Bilder siehst Du eine Mutter, die ihren Sohn wiedererkennt. Es ist die Mutter von Sorin Leia, der am 18. Dezember auf den Treppen der Kathedrale erschossen worden ist.
Warum haben Sie beschlossen, im Dezember 1989 auf die Straße zu gehen?
Mein Beruf hat mich dazu bewogen. Es passierten Sachen, die einen großen Wert für die Nachwelt haben sollten. Ich wusste nicht, was geschehen würde, wie alles enden würde. Meine ersten Fotografien zeigen nur entfernte Gruppen, auf denen die Gesichter nicht zu erkennen sind. Mir war bewusst, dass jederzeit jemand erscheinen könnte, der mir meine Filme wegnehmen, sie entwickeln könnte und all die, die darauf erkannt werden, würden garantiert ins Gefängnis kommen. Ich hatte eine große Verantwortung. Ich habe die Filme bei mir zuhause versteckt. Ich war am 20. Dezember mit Mircea Radu, einem Freund, der die ersten Videoaufzeichnungen der Revolution gemacht hatte, unterwegs. Wir klopften damals an verschiedene Türen in der Innenstadt an, um nachzufragen, ob wir denn reinkommen könnten, um von oben zu fotografieren. Niemand ließ uns damals hinein. Erst am 21. Dezember konnten wir aus der Wohnung einer Frau, die im Stadtzentrum wohnte, die Ereignisse fotografieren. Ich hielt damals mit meiner Fotokamera die Gruppe fest, die mit Ruten aus Oltenien hergekommen war, um die Rebellion zu stoppen.
Wann hatten Sie Angst um Ihr Leben?
Es gab zwei Momente, in denen ich geschlagen wurde. Aber so richtig Angst, dass ich sterben werde, hatte ich nicht. In den Tagen der Revolution wurde in vielen Läden eingebrochen und die Geschäfte wurden verwüstet, ausgeraubt, in Brand gesetzt. Ich kann mich noch erinnern: Der Pelzladen, wo heute der Eingang in das Timi{-Kino ist, brannte. Da kam ein Feuerwehrauto herbei, aber die Menschen haben sich auf die Feuerwehrleute gestürzt und diese geschlagen, bevor sie noch den Brand löschen konnten. In jenen Momenten, am Sonntag, dem 17. Dezember – es war Nachmittag, gegen 17.30 Uhr – erschien eine Gruppe von 20 Militärs, die sich vor der Kathedrale aufstellten und etwa 20 Sekunden lang in die Luft schossen. Der ganze Siegesplatz erstarrte. Doch schnell wurde wieder „Jos Ceaușescu“ und andere Slogans gerufen. Auf den Treppen der Kathedrale habe ich erstmals die Worte gehört: „Vrem regele!“ (deutsch: Wir wollen den König). Nach dem ersten Warnfeuer begannen die Militärs, auf die Menschen zu schießen. Sie schossen auf ihre Beine. Neben uns wurde eine Frau von einer Kugel getroffen. Mircea Radu und ich, wir standen auf den Treppen der Kathedrale. Als wir bemerkt haben, dass mit echten Kugeln geschossen wird, sind wir davongelaufen. In solchen Situationen bist du ständig in Gefahr.
Ebenfalls am 17. Dezember, nachdem am Freiheitsplatz geschossen wurde, geriet ich in einen Streit in einem Gemüseladen (rum. „aprozar“). Wir warfen mit Pfirsichkompott-Gläsern herum. Da erwischten mich zwei Militärgruppen und ein Typ schlug mich mit dem Gewehrkolben, dass ich in Ohnmacht fiel. Ein weiterer Moment war am 20. Dezember, am Opernplatz, als ich auf einer Mauer bei „Lacto“ saß und fotografierte. Plötzlich kamen von meiner Linken fünf Menschen auf mich zu und schlugen mich mit Fäusten und Füßen, bis die Mitarbeiter der Electrotimiș-Fabrik, die Kollegen meines Bruders, herbeikamen und mich aus ihren Händen retteten.
Was hat Ihnen die Demokratie gebracht?
Du kannst sehr gut leben in einer geschlossenen Gesellschaft, die deinen Horizont nicht öffnet, aber das ist nicht die echte Behauptung, die du in deinem Leben erreichen kannst. Meiner Meinung nach haben die Umsturzbewegungen im Dezember 1989 eine echte Revolution und einen Regimewechsel gebracht, und dem Individuum wurde erstmals eine wahre Chance geboten, um sich zu behaupten. Es gibt zwar eine Meinung, die besagt: „Früher war es besser“. Aber es war nur deshalb besser, weil wir jung waren. Für mich war die Revolution von 1989 das große Ereignis, das ich erleben durfte.