Die Jahresendausgaben der Publikationen der Burzenländer Heimatortsgemeinschaften widmeten in ihrem Inhalt Beiträge zu den im Vorjahr erfüllten 75 Jahren seit der Deportation in die ehemalige UdSSR, dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der anderen folgenden Repressivmaßnahmen gegen die Angehörigen der Deutschen Minderheit, veröffentlichten zahlreiche Erinnerungen der Betroffenen. Die Vorstände der Heimatortsgemeinschaften Neustadt und Nußbach veröffentlichten somit auch je ein Sonderheft, die den Winterbeilagen beigefügt wurden und diese Willkürmaßnahmen bestens dokumentieren, Ergänzungen zu den bisher erschienen wissenschaftlichen Dokumentationen namhafter Autoren darstellen. Ergänzt werden die beiden Sammelhefte mit Kopien von Akten, Archivfotos, die diesen zusätzliche Bedeutung zukommen lassen.
Neustädter Niederschriften von Betroffenen
Unter dem Titel „Gegen das Vergessen. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen für Neustadt im Burzenland - Zeitzeugenberichte“ erschien diese Dokumentation, die rund 170 Seiten umfasst, Erinnerungen für die Zukunft enthält, die die Zeit überdauern sollen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Vermerkt wird von dem Herausgeber, die Heimatortsgemeinschaft Neustadt im Burzenland: „Dieses Sonderheft wurde zu Ehren aller Neustädter erstellt, die Opfer des Zweiten Weltkriegs wurden, aber auch zu Ehren derer, die diese schweren Zeiten überlebt haben, mit all ihren traumatischen Ereignissen“. Auch wird der Dank an alle ausgesprochen, die die Leser an ihren Erlebnissen teilhaben ließen. Die Redaktion des Bandes besorgte Beate Schramm, gestaltet wurde er von Nora Wagner. Auch schon das Titelfoto des Sonderheftes, in dem Beate Schramm ein Unwetter über dem Burzenland fest-hält,führt einen in den vielseitigen Inhalt ein. In ihrem Vorwort geht sie dann auf die historischen Hintergründe ein, die zu diesen dramatischen Ereignissen führten, aber auch die Folgen in den Nachkriegsjahren. 279 Frauen und Männer aus Neustadt wurden 1945 nach Russland deportiert. 47 von diesen kamen nicht mehr zurück. Nur drei Monate später wurde am 11. April 1945 bestimmt, dass alle Rumäniendeutschen enteignet werden sollten. Es folgte 1952 die nächste Vergeltungsmaßnahme gegen die da lebende deutsche Bevölkerung, die Evakuierung aus ihren Heimatortschaften in andere Landesgebiete und die Zuteilung ihrer Wirtschaften an einheimische rumänische Bewohner, die aus dem Umfeld oder aus anderen Landesteilen hier ansässig werden sollten. 1956 hat die Regierung ein Dekret angenommen, durch das die Rückerstattung des enteigneten Guts an ihre ehemaligen Eigentümer erfolgen sollte. Aller-dings geschah das nicht von einem Tag auf den anderen, und meist mit viel Widerstand seitens der „neuen“ Eigentümer. Über die Einberufung zur deutschen Armee, die 1943 eingeleitet wurde, berichten Martin Bartesch und Georg Klees, an dessen persönliche Berichte ich mich selbst noch im Familienkreis erinnern kann. Nach verschiedenen Ausbildungen, Versetzungen von einem Standort zum anderen, von Land zu Land, konnte er im Alter von 20 Jahren am 31. August 1945 wieder zu Hause eintreffen. Kriegserlebnisse schildern Hermann Roth und Hans Schwab. Auf dieses nie zu erschöpfende Thema geht auch Hildegard Zintz in ihrem Rückblick ein. Richard Casper hielt seine Erinnerungen fest an den 23. August 1944, als Rumänien die Front wechselte und nun gegen die ehemaligen Verbündeten im Kriegsgeschehen stand. Nach weiteren Erinnerungen ist die Liste der gefallenen und vermissten Neustädter im Zweiten Weltkrieg einzusehen, Gedenktafeln im Eingang zur Evangelischen Kirche in Neustadt erinnern an diese. Der größte Teil des Bandes ist den Erinnerungen an die Deportation gewidmet. Seine Erlebnisse schildert ausführlich Rolf Hermannstädter, der sich auf die anfangs aufkommenden Gerüchte über die Aushebung der Männer zwischen 17 bis 45 Jahren, der Frauen von 18 bis 35 Jahren bezog, bis sich diese dann bewahrheiteten. Anschließend bezieht er sich auf die Fahrt, die Ankunft im russischen Arbeitslager, die unvorstellbaren Voraussetzungen bezüglich Nahrung, Gesundheit, Frost, denen sie ausgesetzt wurden. Mehrere Bilder von der Einwaggonierung, aus dem Lager, Grafiken und Zeichnungen, die von Betroffenen in der Deportation geschaffen wurden, ergreifende Gedichte von Hiergebliebenen oder Deportierten zur Erinnerung an ihre Familienangehörigen und der dort Verstorbenen rufen immer wieder die Erinnerungen wach, auch derer, die Nachkommen der betroffenen Generation sind. Mehrere Erinnerungen wurden von Angehörigen der Familie Boltres wie auch von anderen Zeitzeugen in den Band aufgenommen. Die Berichte über Epidemien, ausgelöst durch die mangelnde Hygiene, dem Nahrungsmangel, die fehlenden Medikamente werden von allen Berichterstattern betont. Ausführlich berichtet über die Deportation auch Lehrer Michael Farsch, der nach seiner Heimkehr noch 17 Jahre seinen Beruf als Lehrer ausüben konnte. Einige versuchten auch zu flüchten, doch mit wenig Erfolg, wie Heinrich Kasper schildert. Wie Peter Lukesch betont, endet jeder Krieg mit traumatischen Folgen. Die Erinnerungen an diese schreckliche Zeit belastet die Deportierten, aber auch ihre Nachkommen. Über Rückkehr aus der Deportation und dem Neuanfang in der Heimat schreibt Richard Casper. Im Archiv der Evangelischen Kirche ist die Liste der aus Neustadt Deportierten einzusehen. Ergänzt wird der Band auch mit niedergeschriebenen Erinnerungen, die sich auf die Zwangsevakuierung einiger Neustädter 1952, die als Angehörige der Bourgeoisie bezeichnet wurden, beziehen. In drei Tagen mussten diese die Heimatortschaft verlassen, mit wenig Hab und Gut unbekannte Ziele anfahren. Einige fanden in Elisabethstadt oder in ungarischen Gebieten aufnahmewillige Gastgeber, wo sie bei schwerster Arbeit ihr geringes Einkommen sichern mußten. Jeder Bericht, der in den Band aufgenommen wurde, die Archivfotos bieten unvorstellbare Lebenserinnerungen, die in der Zukunft nie vergessen werden sollten.
„Zeitzeugenberichte“ der Nußbächer bei 2.Auflage
„Die Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Russland, die Leidensgeschichte unserer Eltern, Großeltern und Verwandten bleibt uns Nachkommen immer lebendig vor Augen. Das ihnen widerfahrene Unrecht haben sie weder bewirkt, noch verursacht - es war eine Folge des Zweiten Weltkriegs“, betont im Vorwort zu dem Sonderheft „75 Jahre seit der Deportation nach Russland“ der Vorsitzende der HOG Nußbach in Deutschland, Harald Johannes Zelgy. Diese ergänzende 2.Folge umfasst Berichte und Archivfotos von Ehepartnern aus anderen Ortschaften, die sich zur Nußbacher Gemeinschaft bekennen. Auch wurde die Herausgabe dieses neuen Heftes, das rund 76 Seiten umfasst, durch eine großzügige Spende ermöglicht. Frau Gerhild Herberth hatte zum Tode ihres Ehegatten Pfarrer Günter Herberth, der 2019 starb, statt Blumen um Spenden gebeten, die der HOG zukommen sollten. Somit wurde der finanzielle Rahmen geboten, um diese Publikation als Beilage des HOG- Heimatbriefes zu veröffentlichen. Pfarrer Günter Herberth hat 30 Jahre als Seelsorger in Nußbach gedient und war auch 12 Jahre Dechant des Kronstädter Kirchenbezirkes. Eingeleitet wird die Ausgabe mit einem ergreifenden Erinnerungsbericht von Altraut Zelgy, den sie verfasst hat und dem sie u.a eine zensurierte Postkarte, die rumänisch verfasst werden musste, um an ihre Eltern zu gelangen, von der Fahrt nach Russland beifügt. Sie ist auch die Autorin der Erinnerung an ihre Heimkehr aus Russland über Sighet und Klausenburg. Sie schrieb den Text anlässlich der 50-jährigen Rückkehr in die Heimat. Die Schilderung des Christtages im Donezbecken ist einer der Berichte, die nie zu vergessen sind, ein Festtag, der zum Leidenstag für tausende Deportierte geworden war. Katharina Cloos-Szöllösy aus Klausenburg bietet eine aktualisierte Fassung ihres Berichtes im Nußblatt 18/2005, in dem sie an ihre Kindheit erinnert, wie sie ihre Eltern zum Sammelplatz in Nußbach begleitete, von wo sie deportiert wurden. Auch der Verfasser dieser Zeilen hat als erste Lebenserinnerung den 13. Januar 1945, als ein rumänischer und ein russischer Soldat, gekleidet in Pufoaica und mit Maschinengewehr, seinen Vater abholten. Doch bleiben wir bei den Nußbächern, die ihre Erinnerungen nach Jahren wieder auffrischen konnten. Einige der ehemaligen Deportierten, die aus der Deportation nach Deutschland geschickt wurden, haben wegen dem da Erlebten ihre ehemalige Heimat auch nie mehr besucht. „Erinnerungen an damals...“ bietet Mathias Bolesch, Emma Teutsch „Erinnerungen an eine bittere Zeit...“, während Martha Boltres „Zeilen gegen das Vergessen“ bietet. Ergänzt werden die Beiträge von Maria Roth, geborene Kreusel in Heldsdorf, die aus Kronstadt deportiert wurde. Abschließend wird die Publikation mit der Liste der nach Russland deportierten Personen aus Nussbach und einem Bildanhang ergänzt. Eine ausführliche Dokumentation über die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion in der Zeitspanne 13. Januar 1945 bis 1949 hat Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Siebenbürgischen Museums e.V. in der Ausstellung „Skoro damoi!“ im September und Oktober 2020 in Dinkelsbühl gezeigt. Die Ausstellung ist bis zum 11. April 2021 im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck zu sehen. Die HOG Nußbach hat dazu auch mit Briefen und Archivfotos beigetragen. Die beiden Sonderhefte ergänzen diese erforderliche Dokumentation, um nie zu vergessen was unsere Vorfahren erlebt haben, ein Vergehen, an dem sich nicht unsere Landsleute schuldig machten, und dem besonders in den letzten Jahren nach der politischen Wende von 1989 genaue Analysen und Interpretationen gewidmet werden konnten.