„Dona Nobis Pacem“, die letzten Worte dieses schönen Kanons verklangen am Sonntag nach Ostern, dem Quasimodogeniti des Kirchenjahres, in der evangelischen Kirche in Bukarest. Gemeinsam sangen die Chormitglieder der Emmericher Gemeinde aus Deutschland mit den sangesbegeisterten Bukarestern, die mangels eigenen Chors die seltene Gelegenheit nutzten, um in ihrer Kirche durch diese Gemeinschaftsaktion den Gottesdienst zu bereichern. Fast schon alte Bekannte – denn die Partnerschaft existiert, angeregt durch den gebürtigen Bukarester, Pfarrer Dr. Martin Neubauer der evangelischen Gemeinde in Emmerich, schon seit einigen Jahren (wir berichteten: Wertvolle Begegnungen, ADZ Freitag, 15. Juli 2016). Ein Novum allerdings war, dass in diesem Jahr die Reise nicht in Richtung Niederrhein erfolgte, sondern zum ersten Mal Gemeindemitglieder aus Emmerich nach Rumänien kamen. Dabei ließ man sich die Gelegenheit nicht entgehen, neben Bukarest auch einen Abstecher in das Burzenland zu unternehmen. Bereits am Dienstag davor angereist, standen neben Besichtigungen und Chorproben in Bukarest, natürlich in Vorbereitung auf die Darbietung am Sonntagmorgen in der evangelischen Kirche und am Abend im Sinne der Ökumene in der katholischen Kathedrale St. Joseph in Bukarest, Besuche der Gemeinden in Zeiden/Codlea, Wolkendorf/Vulcan und Kronstadt/Braşov auf dem Programm.
Tief beeindruckt äußerten sich die Mitglieder im Anschluss an den Gottesdienst über ihre Erlebnisse. Trotz Vorträgen, die Pfarrer Dr. Neubauer im Vorfeld des Öfteren über Land und Leute geboten hatte, zeigten sich die aus Emmerich und Kleve stammenden 16 Chormitglieder, die im Grenzgebiet zu den Niederlanden auch Holländer und eine Belgierin zu den ihren zählen, überrascht, in Rumänien ein so ausgeprägtes deutsches Gemeindeleben anzutreffen. Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die kulinarischen Freuden samt zünftigem Kesselgulasch zählten ebenso zu den bleibenden Eindrücken wie die imposante Landschaft Siebenbürgens. Überrascht vom plötzlichen Wintereinbruch, bot sich statt blühender Frühlingswiesen ein tief verschneites Panorama, für die Niederrheiner ein seltenes Phänomen. In Sinaia beim Besuch des Königsschlosses Peleş und in Kronstadt beim Besuch der Schwarzen Kirche, wo sie durch den Kunsthistoriker Dr. Frank Thomas Ziegler eine detaillierte und engagierte Führung erhielten, lag alles unter einer Schneedecke begraben. Aber „als ich des Morgens in Wolkendorf die Rollläden zurückschlug, um die Sonne hereinzulassen, lag vor uns das Massiv des schneebedeckten Bucegi. Was für ein Anblick“, bemerkte eine der Teilnehmerinnen noch ganz begeistert. Doch auch das erst jüngst eingerichtete Heimat-Museum in Zeiden, die dortige Kirchenburg und Gemeinde, deren Pfarrer Andreas Hartig den Chor auch in Bukarest begleitete, und selbstverständlich die Törzburg/Bran und der Besuch der Tartlauer Kirchenburg weckten lebhaftes Interesse. Vor allem aber sind wieder einmal Vorurteile ausgeräumt worden, denn eingestandene Ängste und Bedenken zerstreuten sich rasch angesichts der positiven Überraschungen, die Stadt und Land zu bieten hatten.
So verlief auch der Gottesdienst in Bukarest, nicht zuletzt dank des gut einstudierten Auftretens des gemeinschaftlichen Chors, der abwechselnd von Kantor Vlad Năstase (Bukarest) und Kantor Torsten Mühlberg (Emmerich) dirigiert wurde, fröhlich und harmonisch. Neben reinen Chordarbietungen gab es auch einen gemeinsam mit der Gemeinde vorgetragenen Kanon „Wo die Liebe blüht...“ oder das Lied „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht...“ Die Liturgie bestritten Pfarrer Andrei Pinte und Andreas Hartig gemeinsam. Pfarrer Dr. Neubauer, der nicht zum ersten Mal hier als Gastprediger auftrat, wählte für seine Predigt – etwas unorthodox im Sinne des Kirchenjahrs – eine Stelle aus Matthäus (25, 31-46) zum Weltgericht und der dann erfolgenden Scheidung der Gerechten von den Ungerechten durch Christus. Nicht zuletzt als ergänzenden Beitrag zu den Grundpfeilern – sola scriptura (allein die Schrift), sola fide (allein durch Glauben), sola gratia (allein aus Gnade), solus Christus (allein in Christus) – des evangelischen Glaubens in diesem Reformationsjahr.
Unorthodox in seinen Methoden, aber konsequent in den Glaubensinhalten versteht Pfarrer Dr. Neubauer auch sein Amt als evangelischer Pfarrer. Vielleicht auch als Anregung gemeint, berichtete er beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen im Gemeindesaal von Gottesdiensten, die er für ein jüngeres Publikum konzipiert habe und familienfreundlich einmal im Monat am frühen Sonntagabend anberaume. Eine Neuerung, die sich als ausgesprochen erfolgreich hinsichtlich der gestiegenen Besucherzahlen erwiesene habe. Der Austausch von Ideen und Anregungen zur Jugend- und Frauenarbeit und vielen weiteren Themen des kirchlichen Miteinanders bilden – neben der diesmal im Fokus stehenden gemeinsamen Chorarbeit – den Mehrwert auch für zukünftige Begegnungen. Dass bei dieser Gelegenheit nicht nur gegessen und geredet, sondern auch ausgiebig gesungen wurde, dafür sorgte auch der Gastgeber Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli. Mit „Die Gedanken sind frei“ bis zu Liedern in sächsischer Mundart und natürlich der Sachsenhymne „Siebenbürgen, Land des Segens“ konnte das Mittagsmahl stilvoll abgerundet werden.
So gestärkt konnten sich die Chormitglieder noch zu einer Besichtigung des George Enescu-Museums auf der Calea Victoriei unter der Führung von Vlad N˛stase aufmachen, bevor sie sich auf den Weg zur St. Josephs-Kathedrale begaben. Schon jetzt bemerkte der eine oder andere, dass man gerne, ob privat oder im Rahmen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit, nach Rumänien zurückkommt.