Im November 2007 gründete der Diplom-Mathematiker Jürgen Ludwig in Kronstadt/Braşov die GmbH „Transfer de Tehnologie şi Management“ (TTM) mit dem Ziel, rumänischen Unternehmern und Unternehmen die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen besser zu erschließen. Ludwig kann auf eine gut 30-jährige Erfahrung in Deutschland zurückblicken, wo er als Projektmanager für Großprojekte oder als Manager in mittelständischen Unternehmen und Beratungsgesellschaften tätig war. Damit der Know-how-Transfer auch effizient ist, müssen in Rumänien einige Voraussetzungen erfüllt sein: Neben dem natürlichen Potenzial sollte eine entsprechende Gesetzgebung die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie deren Vermarktung regeln. Moderne Technologie benötigt auch entsprechend ausgebildete Fachkräfte. Über „grüne Zertifikate“, effizienten und umweltschonenden Energieverbrauch und über den fünften Energietag in Kronstadt, zu dem TTM in den nächsten Tagen einlädt, sprach ADZ-Journalist Ralf Sudrigian mit dem TTM-General Manager Jürgen Ludwig.
„Grüne“ Energie ist in Rumänien immer gefragter. Woran liegt das? Gibt es da natürliche Gegebenheiten vor Ort?
Voraussetzung für die Produktion von „grüner“ Energie sind natürlich die regenerativen Quellen, also Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und auch Erdwärme. Da ist Rumänien eines der wenigen Länder in der Europäischen Union, die mit allen diesen Voraussetzungen reich gesegnet ist. Die Wasserkraft wird schon immer in großem Maßstab genutzt und trägt in einem großen Maß zur Energieversorgung bei. Biomasse (wir sprechen hier von Holz) wird auch heute noch weitgehend auf dem Land als Brennstoff genutzt. Das Potenzial der windreichen Gebiete, überwiegend in der Dobrudscha und in der Moldau, aber auch im Banat, liegt im internationalen Vergleich auf Platz 10 weltweit – und die Sonne scheint in Rumänien deutlich mehr und kräftiger als zum Beispiel in Deutschland, dem Land mit den meisten Solaranlagen. Erdwärme (Geothermie) spielt offensichtlich hier keine große Rolle.
Wie fördert die rumänische Gesetzgebung diese Energieerzeugung aus regenerativen Quellen?
Das Gesetz 220/2008 wurde mit der Dringlichkeitsverordnung 88/2011 und der Verabschiedung dann im Juni im Parlament in Kraft gesetzt. Damit können nun endlich Investoren mit (einigermaßen) stabilen Bedingungen rechnen, was die Gewährung von grünen Zertifikaten angeht.
Was heißt „einigermaßen“?
Nun ja, es steht immer noch ein Teil der sekundären Gesetzgebung von der Landesbehörde für Reglementierung im Energiebereich (ANRE) aus. Dies betrifft unter anderem die Festlegung von festen Einspeisevergütungen für kleinere Anlagen. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es werden grüne Zertifikate für jeweils eine Megawattstunde elektrische Energie ausgegeben, dabei wird unterschieden zwischen den Energiearten. Für Windenergie gibt es bis Ende 2017 zwei, danach ein Zertifikat; für Solarenergie sechs Zertifikate, für Energie aus kleinen Wasserkraftwerken (bis 10 MW) ein halbes bis zu drei – je nach Art des Kraftwerks, für Biomasse zwei bis drei, im Einzelfall auch vier, für Geothermie und Biogas zwei bis drei und für Gase aus Kläranlagen oder Abfalldeponien ein bis zwei Zertifikate. Die Zertifikate werden für einen Zeitraum von 15 Jahren garantiert und können zu Preisen zwischen 27 und 55 Euro gehandelt werden.
Gibt es noch Nachholbedarf?
Ja, insbesondere beim Handel mit der erzeugten Energie. Hier muss dringend das „Quasi-Verbot“ langfristiger Abnahmeverträge aufgehoben werden. Die aktuelle Situation führt dazu, dass Banken sich bei der Finanzierung von „grünen“ Projekten deutlich zurückhalten.
Kommen wir zum Thema Energie-Effizienz. Wo werden die größten Energie-Verluste verzeichnet? Wie kann das behoben werden?
Hier müssen wir unterscheiden zwischen den Verlusten bei der Energie-Produktion, dem Energie-Transport und der Nutzung der Energie. Wir haben in Rumänien noch immer hoch ineffiziente Kohle- und Gaskraftwerke, die daneben auch die Anforderungen der Luft-Reinhaltung nicht erfüllen. Hier helfen nur Neubauten. Der so-wieso im Zuge der Errichtung von zahlreichen Wind- und Solaranlagen notwendige und auch geplante Netzausbau muss parallel auch in Übertragungseffizienz investieren – also die Modernisierung der Umspannwerke. Die Wärmedämmung von Wohn- und Bürogebäuden ist sicher ein Thema, das uns noch lange begleiten wird. Hier sind erste Schritte getan, es stehen den Städten und Gemeinden Fördermittel aus EU-Programmen zur Verfügung, die abgerufen werden müssen. In den rumänischen Industriebetrieben schlummert noch ein hohes Potenzial an Energie-Einspar-Möglichkeiten. Vergleicht man den Energieverbrauch in Relation zum Brutto-Inlandsprodukt, dann liegt dieser in Rumänien doppelt so hoch wie in Deutschland.
In diesem Jahr findet der Energietag Braşov zum fünften Mal statt.
Ja, am 16. Oktober im Braşov Business Park in der Str. Ionescu Crum. Wir fangen um 8.30 Uhr an. Wie immer ist der Eintritt frei und wir haben eine deutsch-rumänische Simultanübersetzung.
Welches Echo hat diese von der TTM organisierte Veranstaltung bisher gehabt?
Wir veranstalten diese Tagung schon immer gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Kronstadt und dem Deutschen Wirtschaftsklub Kronstadt. In Kronstadt hat der Energietag eine feste Position als große überregionale und auch internationale Veranstaltung erreicht. In den vergangenen Jahren haben immer mehr als 100 Gäste am Energietag teilgenommen; die namhaften Sprecher kamen aus der nationalen rumänischen Politik und Verwaltung und aus namhaften international tätigen Produzenten der Anlagentechnik. International tätige Investoren schätzen unseren Energietag und besuchen uns inzwischen regelmäßig.
Welches sind die Schwerpunkte in diesem Jahr?
Wir werden uns auf den Anfang der Diskussion über grüne Energie besinnen: die Reduktion der CO2-Emmission und der damit verbundenen Erwärmung der Erde, die es zu vermeiden gilt. Daraus haben sich die Ziele der EU und der einzelnen Nationen in der EU entwickelt. Die Umsetzung betrachten wir dann konkret in den beiden Feldern Grüne-Energie-Erzeugung und Energie-Effizienz. Dabei legen wir Wert auf konkrete Aussagen der Referenten – z. B. von Petru Luhan, dem Abgeordneten im Europaparlament, Niculae Havrileţ, dem Präsidenten der ANRE.
Was ist aus dem Energie unabhängigen Bürogebäude geworden, das die TTM in Kronstadt errichten will?
Wir haben die Planungen konkretisiert und werden die Fortschritte auch wieder vorstellen. Einen großen Schritt haben wir in der Zielsetzung getan: Wir wollen das Gebäude als Energie-PLUS Haus bauen – es soll mehr Energie produzieren, als es verbraucht und es soll nach neuesten internationalen Maßstäben zertifiziert werden. Wir haben die Latte noch ein bisschen höher gelegt...