Sinnvolle Freizeitgestaltung darf kein Privileg sein! – Davon überzeugt, ist vor mehreren Jahren in Wien eine Initiative in die Wege geleitet worden. „Hobby Lobby“ bietet kostenlose Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten, und das mittlerweile nicht nur in der österreichischen Hauptstadt, sondern auch in mehreren Städten in Österreich und Deutschland sowie seit vergangenem Herbst auch in der westrumänischen Stadt Temeswar/Timi{oara. Das Programm verfügt über ein Budget von 2 Millionen Euro für alle 14 Standorte.
Alles hat vor knapp sieben Jahren begonnen: In den Sommerferien im Jahr 2018 entschied die österreichische Mittelschullehrerin Rosa Bergmann, eine Bildungsorganisation, die sich für Chancengleichheit und kostenlosen Zugang zu informeller Bildung für benachteiligte Kinder einsetzt, zu gründen. Genauer ist „Hobby Lobby“ ein Programm für Kinder nach der Schule, das diesen Kindern die Möglichkeit zur Teilnahme bietet und somit die Folgen ihrer Armut bekämpft. Das Projekt kombiniert Sport, Kreativität, Naturwissenschaften und das Erlernen von Fremdsprachen und fördert jährlich eine große Anzahl von Kindern, darunter auch solche mit Migrations- und Fluchthintergrund.
„Die meisten Freizeitaktivitäten in Österreich kosten viel Geld. Für viele Familien ist es nicht möglich, die rund 100 Euro pro Monat für diese Aktivitäten zu zahlen. Und da trennt sich so ein bisschen die Gesellschaft: Kinder aus ärmeren Schichten sind dann eher am Smartphone, zu Hause, im Shoppingcenter, hängen im Park herum und haben nicht so wirklich die Möglichkeit, in solchen Vereinen teilzunehmen. Weil ich in meiner Kindheit Fußball, Klavierspielen und Tanzen gelernt habe, wusste ich, wie wichtig das eigentlich auch für mein Aufwachsen, für mein Erwachsenwerden war. Genau deswegen habe ich mir gedacht, das müsste man doch verändern. Da müsste es doch irgendwie eine Möglichkeit geben, dass alle Kinder so etwas haben“, erzählt Rosa Bergmann bei ihrem Besuch in Temeswar.
Von den ersten Freizeitkursen 2018 im 10. Bezirk in Wien wurde das Programm wegen der großen Nachfrage später auf vier Bezirke erweitert. 2022 kamen weitere Städte dazu. Nun agiert die „Hobby Lobby“ als Social Franchise an 14 Standorten in Österreich, Deutschland und Rumänien und begleitet wöchentlich rund 2000 Kinder. Die Organisation arbeitet mit einem Jahresbudget von 1,5 bis 2 Millionen Euro. Die Finanzen werden durch einen nachhaltigen Finanzierungsmix – aus Kooperationen mit Stiftungen, Unternehmen sowie aus Spenden und öffentlichen Mitteln – ermöglicht.
Auszeichnung für soziale Innovation
2022 erhielt das Projekt den Sonderpreis für das beste österreichische Projekt für die Verbesserung der interkulturellen Kompetenzen durch Schulungen, die Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs und für die Förderung von Offenheit und Respekt unter den verschiedenen Teilnehmern durch Peer-to-Peer-Lernen. Der SozialMarie–Preis für soziale Innovation ist ein von der österreichischen Unruhe Privatstiftung gestifteter Preis, der für sozial innovative Projekte verliehen wird und mit einem Geldpreis verbunden ist. 2023 gewann die „Hobby Lobby“ auch den ersten Platz des „European Social Economy Award“ für soziale Innovation.
In der Zwischenzeit hat sich aus dem „Hobby Lobby“-Programm in Österreich auch noch ein weiteres entwickelt. Das „Youth Leaders“-Programm kam eigentlich von den Kindern, die Teil von „Hobby Lobby“ in der ersten Pilotphase waren. „Sie sind jetzt Teenager, machen Matura oder beginnen gerade ein Studium und wollten nun auch für Jugendliche neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten“, sagt Rosa Bergmann.
Nachfrage nach mehr – Wartelisten wachsen
Seit der Gründung hat die „Hobby Lobby“ bereits tausende Kinder gefördert. Viele von ihnen berichten von gestärktem Selbstbewusstsein, verbesserten Schulleistungen und dem Gefühl, endlich „dazuzugehören“. Das Projekt zeigt eindrucksvoll, wie viel Potenzial in Kindern steckt, wenn man ihnen Räume zur Entfaltung bietet – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Dass sich die Gesellschaft auf vielen Ebenen durch all diese Initiativen ändert, das konnte auch Rosa Bergmann bemerken. „Die Sozialkompetenzen der Kinder haben sich stark verändert. Sie vertiefen ihre Teamfähigkeit, aber auch Stressresistenz, dann Führungskompetenzen, das wird sehr stark durch das Youth-Leaders-Programm gefördert, also Verantwortung übernehmen, aber auch Konfliktfähigkeit lernen die Kinder, weil sie natürlich in den Kursen miteinander umgehen müssen, psychosoziale Unterstützung, Selbstvertrauen, Partizipation in der Gesellschaft“, erklärt die Programminitiatorin.
Langfristig strebt „Hobby Lobby“ den Ausbau weiterer Standorte an – sowohl in Österreich als auch international – und sucht dafür Partner, Förderer und Ehrenamtliche, die mithelfen möchten, diese Vision Realität werden zu lassen. „Wir betreuen rund 2000 Kinder in all unseren Standorten zusammen. Der Bedarf und die Nachfrage aber sind größer. Etwa tausend zusätzliche Kinder stehen derzeit auf der Warteliste“, schließt Rosa Bergmann.
Hobby Lobby in Temeswar: Ein neues Kapitel
Benachteiligte Kinder, die gar keinen Zugang zu außerschulischen Aktivitäten haben, das ist wohl ein gemeinsames Thema in Rumänien. Ob Sport, Kunst, Musik, Naturwissenschaften oder Fremdsprachen – all diese Aktivitäten bleiben für viele Kinder ein unerfüllbarer Wunsch. Als 2024 Elena Tănase Rosa Bergmann kennengelernt hatte, war die Rumänin gleich von der Initiative der Österreicherin begeistert. Schon im Herbst des vergangenen Jahres wurde dann der erste Standort der „Hobby Lobby“ in der Temeswarer Fabrikstadt/Cartierul Fabric eröffnet.
Das Echo der Initiative in Temeswar war bereits in der Herbstphase – Oktober–Dezember 2024 – überraschend: Am Standort in der Fabrikstadt wurden 50 Kinder von neun ehrenamtlichen Trainern über elf wöchentliche Workshops betreut.
„Die Hobby Lobby bringt Freizeit, Bildung & Gemeinschaft genau dorthin, wo sie gebraucht wird, denn wir erreichen auch Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern und Eltern, die lange arbeiten müssen“, sagt Elena Tănase, die Geschäftsführerin von Hobby Lobby in Temeswar. So gibt es mittlerweile auch ein zweites Zentrum im Stadtteil Dacia, im Nordwesten von Temeswar. In dem dicht besiedelten Viertel leben viele junge Familien und ältere Menschen und vor allem: immer mehr Kinder. Hundert Kinder aus der Dacia-Nachbarschaft wurden in die Frühjahrsphase aufgenommen. „Obwohl dieser Stadtteil nicht als benachteiligte Gegend gilt, stellten wir bei unseren Schulbesuchen fest, dass etwa ein Drittel der Kinder in der Nachbarschaft nicht an außerschulischen Aktivitäten teilnimmt. So konnten wir für sie in diesem Frühling zahlreiche Kurse wie Basketball, Yoga, ´Young Vets´ für Tierliebhaber, Kalligrafie, Basteln, Musik, Kochen oder Wassersport anbieten“, setzt Elena Tănase fort.
Die Kooperation von „Hobby Lobby“ wurde in der Zwischenzeit mit zahlreichen Schulen, aber auch lokalen Behörden erweitert. Das Bürgermeisteramt von Temeswar (über die Gesundheits- und Bildungsverwaltung) unterstützt die Hobby Lobby-Initiative und setzt sich für die Förderung der weiteren Entwicklung des Programms ein. Die Frühjahrsphase (März–Juni 2025) endete vor Kurzem: An den beiden Standorten wurden nun 180 Kinder von 16 ehrenamtlichen Kursleitern in 22 wöchentlichen Workshops betreut. Der „Merida“-Verein, der das „Hobby Lobby“-Programm in der Bega-Stadt umsetzt, war in diesem Frühling auch beim Großsportevent mit wohltätigem Hintergrund „Timotion“ dabei. Die Teilnehmer konnten für die soziale Initiative spenden. „Die von Privatpersonen und Unternehmen erhaltenen Spenden werden die Materialien für die nächste Aktivitätsphase im Herbst 2025 abdecken. Das ist großartig!“, schließt Elena Tănase.
Freizeit mit Sinn – auch im Sommer
Auch wenn das umfangreiche offizielle Programm nun Pause macht, werden derzeit zwei Sommerwochen für je 15 Kinder aus der Region Ronatz/Ronaț-Dacia und aus der Fabrikstadt organisiert, wobei diese Kinder neue Möglichkeiten, ihre Freizeit zu verbringen, entdecken können. Eine neue Herbstetappe von „Hobby Lobby Temeswar“ wird im Oktober starten. Dafür werden bereits freiwillige Kursleiter, die ihre Hobbys mit den Kindern ihrer Gemeinden teilen möchten, gesucht. Details dazu sind von der Webseite hobbylobby.co.at/timisoara-rumania/ abrufbar.