Über 132.000 ausländische Touristen sollen laut offiziellen Angaben im letzten Jahr Kronstadt besucht haben, die meisten davon in der Sommerzeit. Trotzdem war bisher das Angebot an Stadtführungen eher knapp, besonders für solche in deutscher Sprache. Es fehlten auch thematische Führungen, wie zum Beispiel „Kronstadt bei Nacht“ oder „Die Legenden der Stadt“. Ab dem 1. Juni soll sich alles ändern.
Der österreichische Bestseller-Autor Bernhard Moestl, der seit viereinhalb Jahren zum Wahlkronstädter geworden ist, hat vor Kurzem das Projekt „Braşov Walks“ ins Leben gerufen. Es richtet sich an deutschsprachige Touristen, die in die Stadt unter der Zinne kommen. Durch Führungen mit Bernhard Moestl sollen diese Kronstadt und die Umgebung als Spaziergänger erleben, hinter die Fassaden blicken und dabei die verborgenen Schönheiten Rumäniens entdecken. Eine Führung dauert zwischen 2 und 4 Stunden, wobei die Preise bei 12 Euro pro Person anfangen. Über Kronstadt, Tourismus und „das gewisse Etwas“ das in Rumänien noch erhalten geblieben ist, sprach mit Bernhard Moestl KR-Redakteurin Elise Wilk.
Herr Moestl, es sind fast 30 Jahre her seitdem Sie Rumänien zum ersten Mal besucht haben. Welches waren Ihre Eindrücke damals?
1987 bin ich mit der Fluggesellschaft Tarom nach Istanbul geflogen und hatte eine Zwischenlandung in Bukarest, wo ich drei Tage geblieben bin. Ich mochte das Land von Anfang an, es hat mich fasziniert. Osteuropa war immer spannend für mich. Nach der Revolution bin ich dann wieder gekommen, es war 1991. Wir waren auf der Reise in die Türkei und hatten in Caransebeş einen Autounfall. Die Bewohner haben uns damals geholfen. Ich war überrascht davon, dass sie deutsch sprachen, auch untereinander. In meinem Leben bin ich viel gereist, aber die zwischenmenschliche Wärme, die ich damals gespürt habe, habe ich nur an wenigen Orten der Welt gefunden.
Wann kamen sie zum ersten Mal nach Kronstadt?
Es war 1992, als ich den Onkel meiner damaligen Freundin besucht habe. Ich erinnere mich noch, wir haben im Hotel Capitol gewohnt. Da ich viel Zeit in Asien verbracht hatte, war Rumänien für mich eine Mischung aus Europa und Asien. Dem Land ist es gelungen, seinen Charakter zu bewahren. Hier gibt es noch die alten Werte wie Gemütlichkeit, traditionelle Gastfreundschaft und Offenheit gegenüber Fremden. Die Menschen sind so geblieben, wie früher. Man fährt mit dem Auto durch die Dörfer und sieht die Leute auf den Bänken plaudern. So etwas gibt es in Europa nicht mehr. In Rumänien ist noch eine Welt lebendig, die man anderswo nur noch aus Erzählungen kennt.
Haben sie Angst, dass diese Welt mit der Zeit verschwinden wird?
In vielen Gebieten ist der westliche Einfluss unübersehbar. Aber trotzdem hat es Rumänien bis heute geschafft, diese Sachen zu erhalten. Natürlich befürchte ich, dass es in einigen Jahren nicht mehr so sein wird. Deshalb rate ich allen meinen Freunden: „Wenn ihr nach Rumänien kommen wollt, kommt jetzt! In einigen Jahren wird es nicht mehr so sein“.
Seit viereinhalb Jahren ist Kronstadt ihre Wahlheimat. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin in die Stadt gekommen, um bei einer österreichischen Firma zu arbeiten. Und bin geblieben. Wien mit seinen 2 Millionen Einwohnern ist mir zu hektisch. Hier ist alles langsamer, ruhiger. Die Rumänen haben mich sofort aufgenommen.
Wie haben Ihre Freunde und Bekannte darauf reagiert?
Wenn man den Leuten aus Österreich sagt, man ist nach Rumänien gezogen, reagieren sie genau so als ob man gesagt hätte „ich bin auf den Mond gezogen“. Viele meiner Freunde haben mich gewarnt, dass Rumänien gefährlich sei, dass man hier auf der Straße überfallen wird. Das alles sind nur Vorurteile. Ich habe hier nie Probleme gehabt.
Wie entstand die Idee, Führungen für deutsche Touristen zu organisieren?
Ich habe eine Fotografie-Ausbildung absolviert und habe 22 Jahre lang als Reiseleiter gearbeitet. „Braşov Walks“ entstand, weil ich den Leuten meine Stadt zeigen und meine Begeisterung für Kronstadt auch mit anderen teilen will. Da ich in Österreich ein bekannter Autor bin, werde ich mit Sicherheit meine Leser davon überzeugen, Rumänien zu besuchen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass ich gewisse Dinge anders als ein gebürtiger Rumäne sehe. Die Führungen heißen „Braşov Walks“, weil die Touristen die Stadt als Spaziergänger erkunden werden. Dabei erlebt man mehr als bei der Fahrt mit einem Touristenbus.
Manche haben Ihnen vorgeworfen, dass Sie den Namen „Braşov“ verwenden und nicht den deutschen Stadtnamen „Kronstadt“, obwohl sich Ihr Projekt ja an deutsch sprechende Besucher wendet.
Es ist ganz einfach: der Name „Braşov“ wurde aus praktischen Gründen verwendet. Unser Angebot sollte leicht im Internet zu finden sein, und die Touristen geben „Braşov“ in die Suchmaschine ein und nicht „Kronstadt“.
Als absolute Neuigkeit bieten Sie den Besuchern nicht nur klassische Führungen, sondern auch thematische Spaziergänge an. Was für Angebote hat „Braşov Walks“ für die Touristen?
Es gibt eine lange Wanderung von der Zinne bis zum Martinsberg. Dann gibt es die Führung „Braşov für Kenner“. Der Spaziergang führt zu einigen weniger bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Man gelangt durch die Obervorstadt zur Warthe, durch den Wald zum Heldenfriedhof und schließlich wieder zurück ins Zentrum. Dann gibt es Wanderungen zur Törzburg und zur Rosenauer Burg. Eine ganz spezielle Führung ist „Das Rumänien von damals“. Dabei werden Dörfer in der Nähe von Kronstadt besucht, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und alte Bräuche noch eingehalten werden. Eine andere Führung nennt sich „Auf den Spuren der Revolution von 1989“. Begleitet von einem Zeitzeugen, der als Journalist die damaligen Ereignisse hautnah miterlebt hat, werden wir uns auf historische Spurensuche begeben. Dann gibt es noch zwei Fotografie-Führungen. Eine widmet sich der Architektur aus dem Kommunismus, die andere findet zu jener Zeit des Abends statt, in welcher der Himmel für kurze Zeit in ein magisches Blau getaucht ist. Zu dieser Zeit entstehen besonders schöne Aufnahmen.
Wieviele Personen können maximal an den Führungen teilnehmen?
Bei den Foto-Walks können bis zu 15 Personen teilnehmen, bei den anderen Führungen bis zu 20.
Gibt es auch eine minimale Teilnehmerzahl?
Ich kann die Führung auch für nur drei Leute machen.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz in Kronstadt?
Es ist der kleine Friedhof am Martinsberg, unterhalb der Zitadelle.
Was wäre noch nachzuholen, was den Tourismus in Kronstadt betrifft? Was gefällt ihnen ihrer Ansicht nach nicht?
Der Mangel an Information für die Touristen. Zum Beispiel gibt es nirgends eine Information, wie man nach Bran kommt. Die Erreichbarkeit Kronstadts vom Bukarester Flughafen. Und dann gibt es noch einen Aspekt- es kommen viele Gäste aus Deutschland und Österreich und sie wollen gerne Deutsch sprechen. Man müsste in den Gaststätten Speisekarten in deutscher Sprache ausstellen. Touristen schätzen das.
Werden Sie in Zukunft auch Führungen in anderen Sprachen anbieten?
Es kann sein. Mit der Zeit wird das Projekt wachsen und das Team der Stadtführer wird sich vergrößern. Bra{ov Walks sollte in Zukunft einer der Gründe sein, weshalb Touristen die Stadt besuchen wollen.
Herr Moestl, wir danken Ihnen für das Gespräch.