Hermannstadt – Auch die landesweite und somit finale Etappe der alljährlichen Schüler-Olympiade im Fach Rumänisch ist nichts Ungewöhnliches. Die breite Öffentlichkeit der je betreffenden Stadt, wo das literarische Wettschreiben ausgetragen wird, neigt nun mal dazu, kaum Notiz von einer geballten Anwesenheit der ehrgeizigen Nachwuchsautoren von Prosa und Poesie zu nehmen. Der 1995 am Octavian-Goga-Gymnasium in Hermannstadt/Sibiu veranstalteten Landes-Etappe desselben Schülerwettbewerbs aber sollte noch am gleichen Nachmittag und Abend der Start einer sehr ausdauernden Freundschaft folgen – mitten im Sturm der Ergebnis-Bekanntgabe durch Anbringen der allseits heiß erwarteten Tabelle im Schulhof-Schaukasten lud der einheimische Lyzeaner Petru Trăscăian seinen Jahrgangs-Kollegen und schüchternen Konkurrenten Radu Vancu zum Vorbeischauen an einem Ort ein, „wo gute Literatur einfacher zu finden ist“. Gemeint war keine andere Weinstube als die Szene- und Studentenkneipe „Crama Național“ von Wirt ´Don Titi´ an der Lügenbrücke/Podul Miniciunilor, die leider Ende November 2019 für immer geschlossen wurde. Radu Vancu jedoch hatte das Glück, just Mitte der 90er-Jahre von Petru Trăscăian in die künstlerische und literarisch versierte Stammklientel dieses Lokals eingeführt worden zu sein. Und mehr als ein Vierteljahrhundert später am Donnerstag, dem 15. Juni 2023, freute sich Petru Trăscăian über die Moderation seines Prosa-Debüts in der Humanitas-Verlagsbuchhandlung durch Radu Vancu.
Literatur an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt studiert hat der Vorsitzende der Rumänischen Zweigstelle des weltweiten PEN-Schriftstellerverbands, und Philosophie in Klausenburg/Cluj-Napoca der stille Autor des handlichen Prosabands „Rețeaua“ vom kleinen und lokalen Editura Global Media Verlag. „Philosophie ist ein Fach, das man exklusiv für sich selbst studiert“, bekennt Petru Trăscăian. „Irgendwann beschleicht dich dabei auch ein Gefühl von Vergeblichkeit. Wer das nicht zugibt, ist kein Philosoph“, sagt der Freischaffende, der dem „Netzwerk“ im Buchtitel auf 100 Seiten ein Denkmal gesetzt hat, wie es nur jemand bauen und aufstellen kann, dem Sprache über alles geht, heilig ist. Diesen Wörtern und Sätzen in erstaunlich und sicher auch absichtlich geringer Anzahl haftet dabei eine Nachricht an, die alles sagt. „Die Einfachheit, die sehr schwer zu erreichen ist, habe ich als Jugendlicher verachtet“, so Radu Vancu über das Innere des schwarzweißen Büchleins von Petru Trăscăian, der dem tiefsinnigen Nachdenken über sich selbst, die Beziehung zu seiner Partnerin und zur Welt auch Kunstfotos in Hochauflösung beigefügt hat. Entstanden ist ein Taschenbuch für tief entspanntes Ausschau-Halten nach bleibender Überzeugung für immer.
„Ich wollte nicht Schriftsteller werden, aber ich wollte alles wissen.“ Petru Tr˛sc˛ian ist „stolz“ darauf, dass auch Radu Vancu zu seinen Mitmenschen zählt, in denen er die Neugierde an einer Lektüre des Romans „Nostalgia“ von Mircea Cărtărescu entfachen konnte. Kein Wunder natürlich, dass am Donnerstag-abend Mitte Juni im Keller-Raum der Hermannstädter Humanitas-Verlagsbuchhandlung auch Namen wie Teodor Baconschi, Horia-Roman Patapievici, Octavian Paler, Emil Hurezeanu und Ioan Petru Culianu fielen. „Ich glaube an die Menschheit“, betont Petru Trăscăian. Zu „jenen Menschen, die nicht mehr an die Menschheit glauben und ohne Ticket für die Rückreise nur noch auf den Mars wollen“, will er sich nicht zählen. „Und auch in 1000 Jahren wird es, glaube ich, keine Roboter geben, die uns übertreffen.“