„Ich wusste, dass ich mich beruflich in Richtung internationale Zusammenarbeit oder interkultureller Austausch entwickeln wollte“

Ein Interview mit Katharina Heigel, der neuen ifa-Kulturmanagerin in Sathmar

Katharina Heigel, derzeit Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen in Sathmar
Foto: privat

Der Sitz des Demokratischen Forums der Deutschen in Sathmar, wo auch Frau Heigel ihr Büro hat
Foto: Arthur Glaser.


Katharina Heigel (Jahrgang 1994), aufgewachsen an Wied und Rhein, studierte an der Universität Koblenz-Landau Management und Ökonomie sowie Anglistik und schloss beide Bachelor-Studiengänge ab. Ihr verstärktes Interesse für politische, kulturelle und gesellschaftliche Fragen führte sie an die Universität Passau, wo sie ihr Masterstudium in European Studies mit den Schwerpunkten Politikwissenschaft, Ostmitteleuropastudien und Betriebswirtschaftslehre abschloss. Studienbegleitend absolvierte sie u.a. auch ein sechsmonatiges Auslandspraktikum bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Peking. Anfang April dieses Jahres wurde Frau Heigel vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) als Kulturmanagerin nach Sathmar/Satu Mare zu den Gastinstitutionen Demokratisches Forum der Deutschen Kreis Sathmar sowie Kulturverband Sathmarense entsandt. Über ihre ersten Eindrücke, ihre Arbeitsschwerpunkte sowie Projektpläne sprach sie mit ADZ-Redakteur Arthur Glaser.

Mit über vier Monaten als Kulturmanagerin für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in  Sathmar tätig. Wie haben Sie diese ersten Monate im neuen Job empfunden?

Anfangs sehr ruhig. Zu Beginn kann man oftmals noch nicht so produktiv sein, wie man sich das vielleicht vorstellt. Da geht es eher darum, erst einmal anzukommen und sich einzuarbeiten. Aber man ist genau dann so voller Tatendrang und will am liebsten gleich durchstarten. Ich jedenfalls hatte ein wenig das Gefühl, als liefe mir die Zeit davon. So begann ich dann nach der Einführung in den ersten Wochen mit der Planung für das restliche Entsendejahr. Recht bald konnte ich erste Kontakte knüpfen, lernte Mitglieder des Forums sowie weitere Engagierte kennen. Beim Deutschen Theoretischen Lyzeum Johann Ettinger, der Direktion und einigen Lehrkräften konnte ich mich vorstellen und bin so also immer wieder für die Zusammenarbeit wichtigen Partnerinnen und Partnern begegnet. 

Die ersten beiden Monate waren von inhaltlicher Planung und der Organisation von Projekten geprägt. Im Juni und Juli war es aber dann endlich so weit, und die ersten Projekte liefen an. Rückblickend verging die Zeit rasend schnell. Ich habe mich gut im neuen Job zurechtgefunden, auch dank der persönlichen Übergabe mit Ihnen – meinem Vorgänger als Kulturmanager.

Wie kommt man dazu, sich für eine derartige Stelle beim ifa und auch für den Entsendeort Sathmar im Nordwesten Rumäniens zu entscheiden, gerade auch in Zeiten der Corona-Pandemie?

Tatsächlich wollte ich gerade wegen der Pandemielage wieder ins Ausland. Nach meiner Rückkehr von einem sechsmonatigen Auslandsaufenthalt in China beendete ich mein Studium und war insgesamt ein Jahr in Deutschland. Es war klar, dass reisen und „rauskommen“ sich auch in der nächsten Zeit eher schwierig gestalten würde. Also warum nicht wieder ins Ausland ziehen? 
Diesmal dann aber richtig, mit einem festen Job. Ich wusste, dass ich mich beruflich gerne in die Richtung internationale Zusammenarbeit oder interkultureller Austausch entwickeln wollte. Das ifa kam daher als potenzieller Arbeitgeber in Betracht. Die Stelle in Rumänien konnte ich mir gut vorstellen. Ich wollte unbedingt nach Osteuropa, habe unter anderem im Master Ostmitteleuropastudien studiert, und so bin ich schließlich in Sathmar gelandet. Eigentlich ist es so gewesen wie auch schon oft zuvor: Vieles hat sich einfach ergeben und ich habe mich darauf eingelassen.

Welche Arbeitsschwerpunkte haben Sie als Kulturmanagerin bei den Gastinstitutionen?

In meinem Job geht es vor allem darum, Jugend- und Bildungsprojekte für deutschsprachige bzw. deutschlernende Kinder und Jugendliche auf die Beine zu stellen – für solche, die deutsche Wurzeln haben, aber genauso auch für jene, die keinen solchen Hintergrund haben und vielleicht erst in der Schule angefangen haben, Deutsch zu lernen. 

Mit meiner Arbeit beim Kulturverband möchte ich im Rahmen von außerschulischen Projekten das Interesse für die deutsche Sprache fördern, Möglichkeiten zum Austausch in der deutschen Sprache bieten und durch länderübergreifenden Austausch zeigen, dass die deutsche Sprache verbindet. 
Bei all dem spielt auch eine Rolle, das Bewusstsein für die Geschichte, Kultur und die Traditionen der Sathmarer Schwaben zu wecken. 

Sie haben bereits erste Projekte durchgeführt. Dazu gehörten Jugend- bzw. Schülerprojekte wie z.B. ein Poetry-Slam-Workshop sowie ein Journalismus-Workshop, die beide überregionalen Charakter hatten. Wie war das Feedback der Teilnehmenden? Welches Fazit haben Sie selbst zu den Projekten?

Laut den Teilnehmenden sind die Projekte gut angekommen. Viele sind aber müde von digitalen Veranstaltungen und Treffen im virtuellen Raum. Die beiden genannten Projekte wurden größ-tenteils online durchgeführt, was einfach vieles verunmöglicht hat. Ein persönliches Kennenlernen, Zusammensitzen und Beisammensein gelingt meiner Meinung nach in Präsenz eben doch noch einmal ganz anders. Bei zwei anderen Projekten, der Stadtrallye mit einer Schulklasse des Deutschen Theoretischen Lyzeums Johann Ettinger (DTL) und der Klassenolympiade mit zwei fünften Klassen des DTL, machte sich das bemerkbar: Hier waren die Kinder und Jugendlichen körperlich aktiv und gemeinsam draußen unterwegs. Mein Ziel ist es daher, in Zukunft wieder stärker auf Präsenzprojekte zu setzen – selbstverständlich in Abhängigkeit von der Entwicklung der Lage – und noch mehr Interessierte für die Teilnahme an unseren Angeboten begeistern zu können. 

In Rumänien wurden die Corona-Sicherheitsmaßnahmen erheblich gelockert. Haben Sie bereits Ideen bzw. Projektplanungen für die kommenden Monate?

Größere bzw. vom ifa geförderte Projekte sind ab Oktober geplant. Unter anderem ein Theaterworkshop für Kinder und Jugendliche zusammen mit der Jugendorganisation „Gemeinsam“ und deren Geschäftsführerin Gabriela Rist. Im Mittelpunkt für die kommenden Monate steht zum einen die Stärkung des länderübergreifenden Austausches mit besonderem Fokus auf Kooperationen mit ausländischen Schulen, zum anderen die Möglichkeit der Vernetzung der Kinder und Jugendlichen vor Ort. Hierbei sollen sprach- und kreativitätsfördernde Projekte auf die Beine gestellt werden wie etwa Workshops, Wettbewerbe oder Ausflüge. 

Es gibt bereits einige Ideen auf dem Papier. Die werden jetzt Schritt für Schritt geplant. Auch die in der Vergangenheit erfolgreich durchgeführte Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus der Ukraine und Ungarn soll weitergeführt werden. Eine Fortführung des rumänisch-ukrainischen „Jugend schreibt!“-Projekts ist dabei angedacht. Für zwischen-durch gibt es noch das ein oder andere kleinere Projekt. In Kürze werden wir beispielsweise einen Ausflug zum Károlyi-Schloss nach Großkarol/Carei anbieten. Zu-dem ist auch ein schwäbischer Kochnachmittag in Planung.

Sie konnten sich bereits mit einigen Vertretern der deutschen Minderheit hier in der Region treffen und sich austauschen. Welche ersten Eindrücke haben Sie von der deutschen Minderheit in der Region bisher gewonnen?

Hier in der Region ist die deutsche Sprache sehr präsent. Ob auf dem Rathaus, Ortsschildern, Bussen oder Aufdrucken an Geschäften. Neulich im Café stiegen auf einmal die Gäste vom Nachbartisch mit ins Gespräch ein – auf Deutsch. Auch wurde schon mal das Getränk mit einem „bitte sehr“ serviert. Was ich in Gesprächen erfahren habe, ist, dass es immer noch viele Familien mit schwäbischen Wurzeln gibt, wenn auch zunehmend weniger. In vielen schwäbischen oder ehemals vorwiegend schwäbisch geprägten Dörfern sinkt der Anteil der deutschen Minderheit. Oftmals sind es die Älteren, die noch Schwäbisch sprechen – dazu Ungarisch, auch mal kein Rumänisch. 

Von den Jüngeren bezeichnen sich auch welche als der deutschen Minderheit angehörend. Aber bei ihnen scheint das Bewusstsein dafür teils nicht mehr ganz so stark wie etwa bei ihren Großeltern zu sein. Ich sehe, dass die Nachfahren der schwäbischen Aussiedler, die vor rund 300 Jahren in diese Region gekommen sind, versuchen, durch Kulturveranstaltungen und Feste die Weitergabe von Sprache und Traditionen zu fördern. 

Erst vor Kurzem war ich beim schwäbischen Tanzfestival in Petrifeld und habe mich inmitten von Sathmarer Schwaben und auch interessierten rumänischen und ungarischen Personen wiedergefunden. Da sieht man dann auf einen Blick, wo sich hier überall noch Menschen mit schwäbischen Wurzeln finden. Auch konnte ich neulich mit zwei Damen aus dem Ort Beschened (rum. Dinde{tiu Mic) sprechen, die den sathmarschwäbischen Dialekt noch beherrschen. Beide über 70, haben sie von ihren Wurzeln erzählt, den Schwaben in ihrem Dorf, in der Umgebung und von den Veränderungen über die Jahrzehnte in der Region. Sei es die gesprochene Sprache, typisches Essen, traditionelle Lieder und Tänze oder alte Bräuche. 

Ich habe den Eindruck, dass die Kultur und Geschichte der Sathmarer Schwaben bewahrt werden und sich vielerorts Personen dafür einsetzen. Darüber hinaus wird es aber zugleich immer schwieriger, diese nachhaltig zu übermitteln und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Persönlich empfinde ich dies jedoch als eine natürliche Entwicklung der Zeit.

Vielen Dank für das Interview!­


Das Entsendeprogramm des ifa bietet die Möglichkeit, Organisationen deutscher Minderheiten zu unterstützen und neue Erfahrungen zu sammeln. Die Arbeitsaufenthalte in Mittel-, Ost- und Südosteuropa oder in einem Staat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) dauern zwischen einem und fünf Jahren. In den Organisationen arbeiten die ifa-Kulturmanagerinnen und -manager beziehungsweise Redakteurinnen und Redakteure in ausgewählten Projekten und unterstützen die Einrichtungen mit ihrem Knowhow. Ziel des Entsendeprogramms ist es, ein modernes und lebendiges Deutschlandbild zu vermitteln und die Organisationen vor Ort in ihrer kulturellen Brückenfunktion zwischen Minderheit und Mehrheit zu stärken.