„Es war niemals eine Pflicht gewesen“, sagt Josef Koch, der langjährige Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Hatzfeld/Jimbolia, die Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille und die Urkunde in den Händen haltend. Die Menschen im Saal klatschen Beifall – Josef Kochs Einsatz im Dienste der deutschen Gemeinschaft in seiner Heimatstadt und darüber hinaus wurde am Abend des 19. Mai im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm geehrt. Anlässlich der Heimattage der Banater Schwaben hatte der Vorstand der Landsmannschaft der Banater Schwaben die Entscheidung getroffen, drei Banater auszuzeichnen. Einer davon ist der Hatzfelder Josef Koch, die anderen beiden sind Edith Singer, seit März dieses Jahres Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Temeswar (DFDT), und Dietlinde Huhn, Vorsitzende des Deutschen Forums in Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare.
Noch sitzen sie ahnungslos in der ersten Reihe und warten darauf, dass das Konzert der Donauschwäbischen Singgruppe Landshut beginnt, als Peter-Dietmar Leber, der Vorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die Geehrten bekannt gibt. Die Freude und Überraschung in den Gesichtern der drei ist nicht zu übersehen.
Lehrerin mit Leib und Seele
„Sie ist Lehrerin mit Leib und Seele, und das seit gut vier Jahrzehnten. Und sie ist als Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Großsanktnikolaus Kopf und Herz der dortigen Gemeinschaft“: Mit diesen Worten beginnt Peter-Dietmar Leber, der selbst aus Großsanktnikolaus stammt, die Laudatio auf Dietlinde Huhn. Die Forumsvorsitzende, seit 1981 als Deutschlehrerin in ihrer Heimatstadt tätig, ist überzeugt, dass sich Schule und Forum bzw. deutsche Gemeinschaft gegenseitig befruchten. Seit Jahren ist Dietlinde Huhn darum bestrebt, die deutsche Schulabteilung im Ort am Leben zu erhalten, aber auch, den Schülerinnen und Schülern etwas von der Kultur und dem Brauchtum der Banater Schwaben zu vermitteln. Fast 25 Jahre lang war Dietlinde Huhn, seit 2014 in Rente, stellvertretende Schulleiterin in Großsanktnikolaus. „Sie ist der festen Überzeugung, dass über die Schule die deutsche Sprache und Kultur, Tradition und Brauchtum am besten gepflegt und gesichert werden können“, so Peter-Dietmar Leber.
Die deutsche Schulabteilung in Großsanktnikolaus ist – mit Ausnahme der Schulen und Abteilungen in Temeswar und Lugosch – die einzige, die es geschafft hat, den Veränderungen nach 1990 und speziell der massiven Auswanderung der Deutschen standzuhalten. Das Interesse für das Erlernen der deutschen Sprache ist in Großsanktnikolaus immer noch präsent. Auch deutsche Traditionen wie das Faschings- oder das Erntedankfest werden in der Aranka-Stadt noch gepflegt. Das Deutsche Forum verfügt über eine deutsche Kinder- und Jugendtanzgruppe, „Buntes Sträußchen“, die bei vielen Festen auftritt. Die Forumsvorsitzende pflegt einen regen Kontakt zur HOG Großsanktnikolaus und zum Verein „Altenhilfe Großsanktnikolaus“ in Burgkirchen an der Alz in Deutschland.
„Das war die größte Überraschung meines Lebens“, zeigt sich Dietlinde Huhn im Anschluss an die Verleihung der AMG-Medaillen überwältigt. „Ich habe empfunden, dass das die Zeit von mir erwartet, und ich habe gegeben, was ich verstanden habe, zu geben – für die Gemeinschaft in Großsanktnikolaus, für die Kinder, die Jugendlichen und Erwachsenen in den verschiedensten Bereichen. Ich habe es auch nie als Arbeit empfunden“, fügt sie bescheiden hinzu. Das Ergebnis ihres Engagements lässt sich heute in Großsanktnikolaus sehen.
Sie brennt für die banatschwäbische Tracht
Der inneren und selbst auferlegten Pflicht, sich für die Deutschen einzusetzen, wurde auch Edith Singer im Laufe der Jahre gerecht. Die in Bakowa geborene Deutsche engagiert sich seit den 1990er Jahren vielseitig im Temeswarer und Banater Deutschen Forum. Edith Singer, die Chemie und Physik an der Temeswarer Universität studiert hatte, war drei Jahrzehnte lang als Chemielehrerin am Kunstlyzeum in Temeswar und zeitweilig auch als stellvertretende Schulleiterin tätig. „Ein Herzensanliegen von Edith Singer waren schon immer die Pflege und der Erhalt der gruppeneigenen Traditionen, Trachten, Volkstänze und Volkslieder. Dafür setzt sie sich unermüdlich ein – in den Forumsgremien, be-sonders aber in der Leitung des 1992 gegründeten Jugendtrachtenvereins ´Banater Rosmarein´“: Harald Schlapansky, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Bana-ter Schwaben, liest die Laudatio auf Edith Singer vor. „Edith Singer brennt für die banatschwäbische Tracht“, sagt er – und das wissen die Deutschen aus dem Banat nur zu gut.
Ein besonderes Anliegen der DFDT-Vorsitzenden war schon immer die Pflege, Restauration und die originalgetreue Herstellung der Trachten – eines für die Banater Schwaben sehr wichtigen Identitätsmerkmals. Ihr Können übermittelt Edith Singer an die kommenden Generationen – dass sie sich unter den jungen Leuten, die die banatschwäbischen Volkstänze erlernen und lieben, wohl fühlt, ist nicht zu übersehen. Der Austausch zwischen den Jugendlichen im Banat und dem Jugendverband Deutsche Banater Jugend- und Trachtengruppen in Deutschland ist u.a. auch dank Edith Singer möglich geworden. „Diese grenzüberschreitende Jugendarbeit ist beispielhaft und zukunftsweisend“, lobt Harald Schlapansky. „Ihrem im Jahr 2015 verstorbenen Ehemann, Prof. Dr. Karl Singer, langjähriger Vorsitzender des Banater Regionalforums, war sie stets eine verlässliche Stütze und engagierte Mitstreiterin“, so der Laudator. Die DFDT-Vorsitzende empfindet die Auszeichnung als besondere Ehrung. „Ich bin beeindruckt und dankbar, diese Auszeichnung erhalten zu haben. Ich mache gerne weiter“, meint Edith Singer.
Brücke zwischen der neuen und der alten Heimat
Auch für Josef Koch stellt die Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille, die er an jenem Abend erhält, eine Überraschung dar. „Sie ist eine Bestätigung der Arbeit, die ich im Laufe der Jahre geleistet habe. Und zwar hier, in der neuen, aber auch in der alten Heimat“, freut er sich. Die HOG Hatzfeld war eine der ersten, die nach 1990 die Verbindungen zur alten Heimat wieder aufgenommen haben. Josef Koch, im Oktober vergangenen Jahres 80 geworden, absolvierte in Temeswar die Deutsche Pädagogische Lehranstalt und anschließend die Sporthochschule. Er war in seiner Heimatstadt Hatzfeld, wie auch nach seiner Auswanderung nach Deutschland 1983 in Spaichingen und Trossingen als Sportlehrer tätig.
1993 übernahm Josef Koch den Vorsitz der HOG Hatzfeld, den er – mit einjähriger Unterbrechung – bis 2017 innehatte. „Mit außergewöhnlichem Engagement widmete er sich über all die Jahre der Arbeit in der HOG – eine der größten innerhalb unserer Landsmannschaft – und setzte sich unermüdlich für die Belange seiner Landsleute ein. Es ist ihm gelungen, Beziehungen zu Hatzfeld – zur Stadtverwaltung, dem Deutschen Forum und den kulturellen Institutionen – zu knüpfen und zu verstetigen“, lobt Franz Schlechter, Sprecher der Heimatortsgemeinschaften im Bundesvorstand. Seit 1998 ist die HOG Mitveranstalter der „Hatzfelder Kulturtage“, die alljährlich stattfinden. „Unter seiner Federführung wurde viel für die Bewahrung des deutschen kulturellen Erbes, für die Dokumentation der Ortsgeschichte, aber auch für den Erhalt der Gemeinschaft getan“, betont der Laudator. Josef Koch war außerdem neun Jahre lang Sprecher der Heimatortsgemeinschaften im Bundesvorstand der Landsmannschaft.