Über die Leinwand flackern Gesichter: mal lächelnd, mal betörend, mal aufmerksam klug, mal mit in der Ferne verlorenem Blick. Hingegossen im fließenden Spitzenkleid, oder mit strengem Blick unter elegantem Hut. Sie ist eines in allem und alles in einem: zarte Muse und hehre Ikone im Rumänien der Zwischenkriegszeit. Gefeierte Schriftstellerin, heimliche Diplomatin, stolze Prinzessin, zartfühlende Geliebte und aufopfernde Krankenpflegerin. Bis heute fasziniert ihr Anblick, der einst ganz Europa in den Bann zog, Verehrerherzen zum Schmelzen brachte und ihr den Platz im strahlenden Mittelpunkt der politischen und intellektuellen Gesellschaft sicherte.
Martha Bibescu, geboren 1886 als Martha Lucia Lahovary, ist die Tochter des walachischen Ministers Ion Lahovary und seiner Frau Smaranda (Ema) Mavrocordat, beide mit byzantinischen Wurzeln aus altem rumänischem Herrschergeschlecht. Am 28. November 1973 schiebt sich der Zeitpfeil wie ein Paravent zwischen unsere Realitäten. Eine immer noch transparente Wand, durch die ihre überirdische Schönheit dann und wann hindurchschimmert. Martha als junges Mädchen. Martha als frischgebackene Mutter. Martha, wie sie vor ihrer Schwägerin selbstbewusst und reichlich kokett posiert. Es sind vor allem nie gesehene, private Fotos aus ihren Jugendjahren, die Kunsthistorikerin Dr. Oana Marinache und Grafiker Cristian Gache auf der Vernissage der Ausstellung „Martha Bibescu 130“ (noch bis zum 19. August täglich 10-18 Uhr) im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ am 21. Juli 2016 präsentieren.
Schwere Kindheit mit jähem Ende
Sie führt das Leben einer Prinzessin, noch bevor sie den Titel trägt - Luxus, Reisen, eine hervorragende Erziehung. Doch bereits ihre Kindheit ist überschattet: Vom frühen Tod des Bruders, kaum zu verwinden für die Eltern, denn die Töchter Ioana, Martha, Margareta und Magdalena können die Lücke des einzigen männlichen Nachkommens der Familie nicht füllen. 1918 und 1920 sterben auch die Mutter und die beiden jüngeren Schwestern Marthas, die eine an einer Krankheit, die andere begeht Selbstmord aus Liebeskummer. Das Glück scheint dem Mädchen endlich hold, als Prinz George Valentin Bibescu, Nachfahre des walachischen Herrschers Gheorghe Bibescu, betört von ihrer Schönheit, um die Hand der erst 14-Jährigen anhält. Nach zweijähriger Verlobungszeit wird Hochzeit gefeiert. Martha, nun Prinzessin, Ehefrau mit 16, gebiert bereits mit 17 ihr erstes und einziges Kind, ihre Tochter Valentina - ein Trauma mit schwerwiegenden Folgen. Weil der Arzt zunächst strikte Enthaltsamkeit verordnet, vergnügt sich der reife Ehemann anderweitig - zeitlebens.
Eine Muse für Europa
Martha flüchtet sich in Gesellschaft und Kultur. Ihre literarische Karriere, die 1908 mit der Veröffentlichung ihrer Reiseerinnerungen an Persien, wohin sie ihren Gatten begleitete, unter dem Titel „Die acht Paradiese“ beginnt, und wofür sie von der Französischen Akademie mit nur 22 Jahren geehrt wird, katapultiert sie augenblicklich ins Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit Europas. Insgesamt 40 vielbeachtete Bücher schreibt sie im Laufe ihres Lebens. Doch auch die Verwandtschaft und Freundschaft mit Elizabeth Asquith, der Tochter des späteren britischen Premiers Herbert Henry Asquith, die 1919 Prinz Anton Bibescu heiratet, verschafft ihr das nötige gesellschaftliche Parkett. Und eine Vielzahl an Verehrern...
Eine Scheidung kann George Bibescu, so scheint es, in letzter Minute verhindern, indem er Schloss Mogoşoaia erwirbt und seiner Martha schenkt. Von nun an steckt sie all ihre Energien in die Restaurierung des schon immer geliebten Schlosses. Der Ort avanciert zum Traumpalast - und zum Schauplatz gesellschaftlicher Ereignisse, intellektueller Zusammenkünfte und politischer Entscheidungen. Zu den prominentesten Besuchern gehören Königin Maria, mit der sie bald eine innige Freundschaft verbindet, aber auch Größen wie Marcel Proust, Winston Churchill, Charles de Gaulle oder König Alfons von Spanien traten dort über die Schwelle. Den beliebten Ort für gesellschaftliche Events in der Zwischenkriegszeit frequentierten außerdem die Könige Karl I. und Ferdinand I., der Philosoph und Schriftsteller Mircea Eliade, der Historiker und Politiker Nicolae Iorga oder der Kriegsjournalist und Redakteur Pamfil Şeicaru, in der Mitte des wirbelnden Strudels der Ereignisse eine strahlende Martha als Muse.
Die unglückliche Ehe gibt ihr die Freiheit, sich in die Intellektualität zu flüchten, wie sie selbst bemerkt - was sie allerdings von ihrem Gatten nur umso weiter entfernt. „Prinzessin Bibescu hat einige zeitgenössische historiografische Entdeckungen vorausgesehen“, lobt indes Mircea Eliade, „vor allem den unschätzbaren Wert der populären Kultur (...) in dem Sinne, dass jede wahrhaftige historische Forschung zum Bewusstsein einer kulturellen und spirituellen Einheit Europas führt“. Charles de Gaulles sagt ihr auf den Kopf zu: „Für mich sind Sie die Personifizierung Europas.“
Innerer Reichtum
„Es gab viel Drama in ihrem Leben, aber ihr Schicksal hat die Ereignisse stets dominiert“, kommentiert Projektkoordinatorin Aurora Fabritius die Frage, ob Martha jemals glücklich war. Nachdem sie im Ersten Weltkrieg zusammen mit Königin Maria von der Front zurückgekehrte, Verletzte pflegte, nachdem sie von Legionären verfolgt und ausgeplündert worden war, nachdem sie ihrem kranken Gatten bis zum Schluss beigestanden hatte, flieht sie im September 1945 vor den Kommunisten nach England und weiter nach Frankreich. Tochter Valentina und deren Ehemann bleiben als Gefangene des kommunistischen Regimes zurück. Erst 1956 gelingt es Martha nach mehreren vergeblichen Versuchen, auch sie ins Ausland zu bringen. „Ich fühle mich seltsam distanziert, frei und kraftvoll, während ich Abschied nehme von allem, was ich auf diesem Flecken Erde geliebt habe“, bekennt sie vor ihrer Flucht. „Das Geheimnis jener, die wie wir mit ihrem Boden verbunden bleiben, ist, dass unser Erbe in uns weiterlebt. Auch wenn wir es verlieren, es bleibt. Ich trage in meinem Herzen meinen See mit schlafenden Gewässern, meine Buchen und meine Berge werden mich nie verlassen.“
Der Kreis schließt sich
Zum 130sten Male jährt sich heuer die Geburt Martha Bibescus. Doch die Faszination, die sie ausübt, ist zeitlos. Die Projektion zeigt Martha, Martha und Martha... An ihrem Antlitz, so jung, so stark, so verletzlich und so stolz, kann man sich nicht sattsehen. „Die Ausstellung ist eigentlich Produkt eines Zufalls“, gesteht Cristian Gache. Bei Recherchen zum Tagebuch Nadeja Stirbeys, der Schwägerin Martha Bibescus, stieß man zufällig auf zahlreiche, bisher unveröffentlichte Fotos von Martha Bibescu, die Nadeja selbst geknipst hatte. Ergänzende Aufnahmen stammen aus den Privatsammlungen der Familien Bibescu und Ghika, sowie aus Londoner Archiven. Die Ausstellung mit etwa 180 Fotografien auf 40 Paneelen wurde im Rahmen des Projekts „Kulturjahr Martha Bibescu 130“ realisiert und gastierte vom 31. Januar bis Ende März in Mogoşoaia. Nach einer Tour durchs Land soll sie am 28. November, dem Todestag Martha Bibescus, wieder in die Hauptstadt zurückkehren. „Damit sich der Kreis schließt“, sinniert Oana Marinache.