Am 30. Januar 1934 wurde Hans Liebhardt in Großpold bei Hermannstadt geboren. Er ist als Schriftsteller hauptsächlich durch seinen Weißkircher-Zyklus bekannt sowie als Herausgeber von Anthologien zur rumäniendeutschen Literatur. Hans Liebhardt arbeitet gegenwärtg in drei Verteilern, die für unsere Öffentlichkeit etwas bedeuten: die Zeitung ADZ, die deutsche Fernsehsendung von TVR und die deutsche Sendung von Radio Bukarest. Hier sind die Gespräche, die Bianca Filip mit dem Autor führt, zu einer ständigen Einrichtung geworden. Das folgende Interview gehört in diese Serie.
Sie werden heute 80 Jahre alt. Spielt so ein Geburtstag bei einem Schriftsteller eine Rolle?
Jeder Mensch freut sich, wenn er beachtet wird. Ansonsten scheint es mir, dass es bei einem Autor weniger darauf ankommt, was er in 80 Jahren gemacht hat, sondern eher darauf, was er im letzten Jahr noch zustande gebracht hat. Das zeigt, wie lebendig er selber geblieben ist und was er der Öffentlichkeit noch bieten kann.
Im Frühsommer 2013 wurde auf der Bukarester Buchmesse der Band „Deutsche Erzähler aus Rumänien nach 1945“ vorgestellt, herausgegeben im Bukarester Verlag Curtea Veche, gefördert vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde – Tübingen. Die Anthologie ist in zwei Bänden erschienen, deutsch und rumänisch, jeweils 500 Seiten. Gemacht wurde sie von Olivia Spiridon, die in Hermannstadt geboren wurde und in Tübingen arbeitet. Was halten Sie davon?
Es ist unbedingt eine Leistung, sowohl als verlegerisches wie auch als finanzielles Projekt. Aufgenommen wurden 26 Autoren, davon leben sechs noch in der alten Heimat, neun in der neuen Heimat und elf schon in der ewigen Heimat.
Die Herausgeberin schreibt über Sie, Hans Liebhardt: „Sein 1966 veröffentlichter Debütband ‘Träume und Wege’ stellt einen bedeutenden historischen Moment in der Entwicklung der rumäniendeutschen Literatur nach 1945 dar, der von Kritikern mit Enthusiasmus aufgenommen wurde.“ Stimmt das?
Ja, das stimmt. Durch diesen Band war ich auf den Weißkircher-Stoff gestoßen, die Weißkircher-Methode habe ich dann weiter entwickelt, sodass etwa Emmerich Reichrath im Januar 1973 geschrieben hat: „Hans Liebhardt ist zurzeit der am meisten und günstigsten beprochene Autor der rumäniendeutschen Literatur. Es gibt kaum einen Satz von ihm, der zitierenswert ist und noch nicht zitiert worden wäre... Gewiss spricht diese Einmütigkeit der Kritik dafür, dass Hans Liebhardt in seinen besten Geschichten – denn es gibt auch ausgesprochen schwache – eine Gestaltungsform gefunden und mit einem adäquaten Gehalt ausgefüllt hat, die für unsere Verhältnisse repräsentativ sein mag“.
Als Journalist arbeiten Sie jeden Tag für die ADZ. Hält Sie diese Beschäftigung nicht von anderen Projekten ab?
Ich bin schon aus meinen NW-Zeiten – das bedeutet seit 1951, denn der Neue Weg wurde vor 65 Jahren, im März 1949 gegründet – daran gewöhnt, dass der Mensch jeden Tag sein Pensum erledigen muss. Außerdem sind mir bei der Zeitungsarbeit immer auch die anderen Einfälle gekommen. Dazu ist die ADZ, die den Neuen Weg fortsetzt, bis heute eine wichtige Einrichtung geblieben, durch die wir die Öffentlichkeit erreichen können.
Seit einem Jahr kann man unsere Bukarester deutsche Radiosendung auch auf Internet hören oder später abrufen, jedenfalls die Beiträge, die wir hineinstellen. Das sind auch Ihre Serien „Wer wir sind und was wir wollen“ und „Zeitgeschichte in Anekdoten“. Sie haben mir unlängst erzählt, dass Sie damit eine beeindruckende Erfahrung gemacht haben...
Ja, ein Großpolder Schulkamerad, der in Deutschland lebt, hatte mich angerufen und mir gesagt, dass ihm diese Geschichten so gut gefallen, weil sie ihn an zu Hause erinnern und er auch meine Stimme hört. Natürlich erzähle ich in dieser Hörfunkserie nicht nur über Großpold. Ich habe eine allgemeine Schiene gefunden, die etwa von dem Pfarrer und Volksschriftsteller Otto Piringer ausgeht und sich in der Tradition unserer Kalenderliteratur bewegt. Außerdem hat mir das Großpold-Buch von Martin Bottesch geholfen, dass ich mich an vieles besser erinnert habe und dass ich meine Erlebnisse überprüfen konnte. So entstehen Weißkircher-Geschichten nach Weißkircher.
Seit April 2012 ist auch die Bukarester deutsche Fernsehsendung auf Internet abrufbar, und zwar auf TVR 1 Akzente, man muss noch das Datum eingeben. Das scheint für unsere Landsleute eine wunderbare Dienstleistung zu sein, dass man diese Programme jetzt überall in der Welt sehen kann.
Christel Ungar-Ţopescu, die Chefredakteurin der Akzente-Sendung, ist der Meinung, dass dies überhaupt die wichtigste Neuerung ist, die in den letzten Jahren eingeführt wurde, dass man das Programm als Videodatei überall abrufen kann. Ich hatte in den Weihnachts- und Neujahrsferien Zeit, mir die „Bukarester Geschichten“ noch einmal anzuschauen. Am besten gefallen hat mir im Nachhinein der Bericht von den Bukarester Tagen im Herbst 2012, aufgenommen an den Buden vor der Expoflora im Herăstrău-Park. Das waren lebendige Stadtbilder von einst und heute, immer auch die passenden Geschichten dazu, alles in der bezaubernden Jahrmarktsstimmung. Bei solchen Produktionen kann man feststellen, dass es dazu auch 5000 Seitenaufrufe im Internet gibt. Das ist ein interessiertes Publikum besonders in Deutschland, das zu den hiesigen Zuschauern der Donnerstag-Sendung hinzukommt.
Die „Bukarester Geschichten“ stützen ihre Anziehungskraft auf drei Elemente: Das außergewöhnlich gute Bild, das Adrian Drăguşin macht, Ihre Erzählungen und die wirkungsvolle Endausfertigung durch Tiberiu Stoichici. Haben Sie weitere Pläne?
Ich gehe bei jeder Produktion davon aus, dass es die letzte sein kann.
Die Stadt allerdings bietet noch jede Menge Möglichkleiten. Adrian Drăguşin, der die Regie macht und die Themen vom Optischen her aussucht, sagt, dass es im Frühjahr wieder stärker losgehen soll.