Vom 19. bis 21. Oktober 2018 fand in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen die Fachtagung zum Thema „Bewahren des materiellen siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes in der Heimatgemeinde – Was können die Heimatortsgemeinschaften beitragen?“ statt, veranstaltet von der Akademie Mitteleuropa in Zusammenarbeit mit dem HOG-Verband und maßgeblich gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Nach einer kurzen Vorstellung der mehr als 100 Teilnehmer folgte bereits der erste Beitrag von Hans-Georg Richter (Egmating) über „Kooperationsmodelle – Erfahrungen aus dem Renovierungsprojekt der Agnethler Kirchenburg“. Die Suche nach geeigneten, fachkundigen Arbeitskräften und anwendungsgerechten, traditionellen Werkstoffen, aber auch nach sinnvollen späteren Nutzungsmöglichkeiten sind Schwerpunkte.
Bei der Filmvorführung „Gottes verlassene Burgen. Sächsische Wehrkirchen in Siebenbürgen“ konnte manch einer der Teilnehmer „seine“ Kirche erkennen und berichten, wie sie heute, rund zwanzig Jahre später, ausschaut.
Der Samstag, 20. Oktober, wurde eröffnet mit einem Vortrag des Architekten Jan Hülsemann (Bremen) über „Das sächsische Bauernhaus in Siebenbürgen – Angepasste Technologien und Materialien zur Instandsetzung, Modernisierung und Umnutzung alter Häuser“. Erhalten des traditionellen Gassenbilds und der Hofstruktur, bewusster Umgang und Verwendung nachwachsender Materialien, die regional verfügbar sind, waren wichtige Anliegen.
Im Vortrag „Dachsanierung der traditionellen sächsischen Häuser“ wies Eugen Vaida (Alzen/Alțâna) darauf hin, dass ein Dorf idealerweise in der Landschaft „verschwinden“ soll, die Farben in der Natur integriert sind. Er nannte zahlreiche Aktionen, mit denen man versucht, die ortsansässige Bevölkerung für den architektonischen und historischen Wert ihrer Gebäude zu sensibilisieren. Eine „Karte der Handwerker und volkstümlichen Produkte“ wird noch dieses Jahr zur Verfügung gestellt.
Sebastian Bethge berichtete in seinem Vortrag über „Handwerk und Denkmalpflege an siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen“. Der aktuelle Zustand der Kirchenburgen: 34 Prozent sind verfallen / ruinös, 24 Prozent schlecht / ungepflegt, 23 Prozent befriedigend / gepflegt, 19 Prozent gut / sehr gut. Zukunftsvisionen/Projekte der Stiftung Kirchenburgen sind: Aufbau Denkmalpflege-Abteilung, Kirchenburgen-Bauhütte/Einsatzteam, Dächer-Programm, Bestandsaufnahme/Inventarisierung und Bauforschung. Die Denkmalpflege in Rumänien ist sehr schwach, sie hat wenig Lobby. Von zentraler staatlicher Stelle wurden die Kirchenburgen von der Unterstützungsliste heruntergenommen, da sie als Privatbesitz betrachtet werden.
Dr. Irmgard Sedler (Ludwigsburg) referierte über die „Renaissance der Siebenbürgischen Häuser“. Solche Häuser sind kulturelles Kapital für Marktgeschehen und Tourismus. Die „Sommersachsen“ knüpfen an das „Alte“ an und erhalten Güter für die Zukunft. Durch den „Mihai Eminescu Trust“, wurden etliche Bauernhöfe historisch nachhaltig renoviert, mit alten Möbeln eingerichtet und dem Tourismus zur Verfügung gestellt. In Deutschweißkirch/Viscri wurde das Rad der Geschichte zurückgedreht, englische Touristen schlafen gerne in alten Schlaftruhen und Schlafschubladen in den Bauernstuben.
Die Frage „Siebenbürgisch-sächsisches Kulturgut retten – ist das sinnvoll?“ mag durchaus provokant sein. Sie wurde von Horst Göbbel (Nürnberg) gekonnt beantwortet. Der Referent stellte folgende Thesen zum Erhalt des kulturellen Erbes der Deutschen in Rumänien auf:
Das deutsche Kulturerbe Rumäniens in seiner Gesamtheit ist nicht zu retten. Jedoch kann mehr gerettet, kann mehr bewahrt werden, als auf den ersten Blick möglich erscheint. Die in Siebenbürgen lebenden Siebenbürger Sachsen und die Ev. Landeskirche in Rumänien sind von der Größe der Aufgaben überfordert. Entscheidend für die Bewahrung des Kulturgutes sind gleichgesinnte Partner vor Ort. Viele von uns müssen ihr Verhältnis zu „den Rumänen“ grundlegend überdenken und sie langfristig als Erbe unserer zivilisatorischen Hinterlassenschaft in Siebenbürgen sehen. Geboten ist, die Erlebnisgeneration unter den Deutschen – ob in Rumänien oder außerhalb Rumäniens – zu animieren, sich am Prozess zur Rettung ihres Kulturerbes zu beteiligen, sie als Auftrag anzunehmen. Wesentlich erscheint, Partner aus allen möglichen Bereichen (Kultur, Politik, Wirtschaft, … Einzelpersonen, Institutionen, Stiftungen, … in Rumänien, in Europa) zusammenzuführen, Konzepte zum Thema Bewahrung des deutschen Kulturerbes zu entwickeln und umzusetzen. Nur wenn der rumänische Staat das siebenbürgisch-sächsische Kulturgut als nationales Kulturgut anerkennt und es für schützenswert erklärt, hat es eine realistische Chance, die Generationen von Siebenbürger Sachsen zu überdauern, die sich um dieses Kulturgut heute noch kümmern können oder wollen.
Daraus abgeleitet formulierte er den Auftrag / die Aufforderung: Kulturgut bekannt machen, denn „Was man kennt, das schätzt man. Was man schätzt, dass schützt man.“
Der Sonntag, 21. Oktober, wurde eingeleitet durch eine Morgenandacht, gehalten von Pfarrer Harald Schneider (Steinau).
In der Fortsetzung der Fachtagung referierte Dr. Ingrid Schiel, (Gundelsheim a. N.) über die Trachtendokumentation. Ein einheitlicher, sehr umfangreicher, aber auch aussagekräftiger Fragebogen, der als Datei auf der WEB-Seite des HOG-Verbandes heruntergeladen werden kann, soll dazu beitragen, dass HOGs die Trachtendokumentationen des jeweiligen Heimatortes sehr bald erstellen, solange noch Kenner der Materie und der ortstypischen Details verfügbar sind. Die Referentin ist gerne bereit, bei der Arbeit vor Ort mit Rat und Tat zur Seite zu stehen (schiel@siebenbuergen-institut.de).
Außer den Trachten gibt es aus dem Kulturkreis der Siebenbürger Sachsen noch eine ganze Reihe weiterer „Beweglicher Kulturgüter“. Referent Dr. Horst Müller (Leidersbach) erläuterte anhand von Beispielen, was „Bewegliche Kulturgüter“ sind, wo sie sich befinden, wie sie beschrieben und dokumentiert sind, wodurch sie gefährdet sind, und wie bewegliche Kulturgüter verloren gingen. Er rief dazu auf, deren Bestandsaufnahme in jeder HOG zu starten.
Als besonders kritisch im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial wurde das Desinteresse der Erbengeneration sowie unsachgemäße Aufbewahrung / Nutzung und unfachmännische „Restaurierung“ identifiziert, aber auch unverhältnismäßig hohe Unterhaltskosten. Die anstehende Bestandsaufnahme könnte zurückgreifen auf Veröffentlichungen in Zeitungen, Büchern, im Internet, auf gezieltes Befragen der älteren Generation bzw. von Zeitzeugen oder auf das Aufarbeiten von Inventurlisten (z. B. „Neicov-Inventar“). In einem im kommenden Jahr zu veranstaltenden Workshop sollen dann der Stand der Erfassung und besondere Erkenntnisse und Erfahrungen ausgetauscht werden über die Fragen: Wer kann wo und wie helfen? bzw. Wer braucht wo und welche Hilfe? Netzwerkbildung wird als zielführender Ansatz gesehen.
Aus dem Fazit der Tagung ist zu erwähnen, dass eine Zusammenfassung der Institutionen gemacht werden sollte, damit man weiß, wo was zu finden ist, wo man Hilfe und Tipps kriegt, dass HOG-Mitgliederversammlungen helfen sollen, sich zu vernetzen, Arbeiten zu koordinieren, damit sie nicht doppelt gemacht werden, dass Erfahrungen und Informationen aus den HOG-Tagungen verbreitet und an die nächste Generation weitergegeben werden.
Eine ausführlichere Version dieses Beitrags wird auf der Homepage des HOG-Verbands veröffentlicht (http://hog-verband.de/aktivitaeten-vorstand).