Dass der Druck auf die Südwest- und Westgrenzen Rumäniens steigt, seit die „traditionelle“ Ost-West-Route über die Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Ungarn - Österreich bzw. Kroatien - Slowenien - Österreich praktisch undurchdringbar wurde, ist mehrmals auch durch Meldungen in unsrer Zeitung bewusst gemacht worden. Regelmäßig wurden Gruppen von zehn bis 40 Migranten an der rumänisch-serbischen Grenze oder im Grenzbereich diesseits gestellt. Monatlich sind es mehrere hundert, während es im gesamten vergangenen Jahr keine 500 waren. Ein Zeichen, das Migranten nach neuen Routen suchen, um in den „goldenen“ Westen zu gelangen. Oder - wer weiß es schon so genau - um den Westen mohammedanisch zu unterwandern, möglicherweise mit Schein-Flüchtlingen.
Jüngst zog Frabrice Leggeri, Chef der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache (Frontex) in einem Gespräch mit France Press eine Bilanz der Beobachtungen zur Migration in den vergangenen paar Monaten. Demnach gäbe es gegenwärtig den stärksten Migrationsdruck aus dem durch Bürger- und Religionskrieg gespaltenen, also kaum kontrollierbaren Libyen auf das südliche Italien, wobei mit allerhand unsicheren Fahrzeugen versucht wird, das Mittelmeer zu überqueren und viele Opfer – zahlreiche gar nicht offiziell vermisste – verzeichnet werden.
An den Ostküsten Griechenlands landen gegenwärtig, laut Leggeri, täglich 80-100 potenzielle Immigranten. Vor der Unterzeichnung des EU-Türkei-Vertrags über die Beherbergung der Migranten auf türkischem Territorium (März 2016) waren es täglich 2500. Man kann also verstehen, weshalb Kanzlerin Merkel die werdende Erdogan-Diktatur in der Türkei wie ein rohes Ei behandelt. Schließlich ist eines der heißesten Wunschländer der Migranten Deutschland. Und die Willkommenskultur musste im Wahljahr 2017 weiter gedämpft werden. Hingegen stieg die Zahl der Migranten auf der libysch-italienischen Route, also aus Nordafrika, um 40 Prozent. Sie kommen mehrheitlich aus den ehemaligen Kolonien in Westafrika: Senegal, Guineea, Nigeria. 2016 waren es 180.000. In Europa angekommene Migranten. Nahezu ausschließlich Wirtschaftsflüchtlinge, sagte Frontex-Chef Leggeri gegenüber France Press.
2015 sind laut Internationaler Organisation für Migration rund eine Million Migranten nach Europa gekommen. Ein Rekordjahr. 850.000 davon waren an den Küsten Griechenlands an Land gegangen, mehrheitlich Syrer (56 Prozent), Afghanen (24 Prozent) und Iraker (10 Prozent). 2017, seit Jahresbeginn, sind in Italien 36.000 Migranten gelandet, um 43 Prozent mehr als zu Beginn des vergangenen Jahres. Auf der libysch-italienischen Route hat sich das Schlepperwesen ausgebreitet. Schlepperorganisationen haben laut Frontex-Schätzung 2015 zwischen 4,7 und 5,7 Milliarden Euro von den Migranten kassiert. 2016 sollen es, laut derselben Quelle, um rund zwei Millionen Euro weniger gewesen sein. Wegen strikterer Kontrolle. Die Reiserouten aus Westafrika sehen folgendermaßen aus: Anfangs reisen die Migrationswilligen mit Bussen. Um zirka 20 Euro, umgerechnet, kann man die Reisemöglichkeiten auf dem Territorium der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (CEDEAO) nutzen - etwas Ähnliches wie der Schengen-Raum in Europa. Ab Niamey, der Hauptstadt des Niger/Nigerias, wird die Nordreise der Migranten illegal. Um bis an die Grenze Libyens zu gelangen, sind an die Schlepper 150 Euro pro Kopf zu zahlen. Durchschnittlich. Andere Schlepper übernehmen die Führung bei der Durchquerung der Libyschen Wüste in Richtung Norden, was bis zu 500 Euro kostet. Pro Kopf. Ein Platz auf einem der Schiffswracks, die vielleicht grade noch einmal das Mittelmeer in Richtung Norden überqueren können, kostet um die 1000 Euro. In Schlauchbooten ist es billiger: bis zu 300 Euro pro Kopf. Für die Sicherheit steht niemand ein. Im Schlauchboot ist sie inexistent.
Sebastian Kurz, Österreichs Außenminister und Politstar im Kommen, fordert, dass die EU die eben beschriebene Westafrika-Route um jeden Preis gänzlich sperrt. Er schlägt vor, die Schlepperfahrzeuge/-schiffe im Süden des Mittelmeers abzufangen, möglichst noch in Küstennähe, um dann die Migranten in speziell für sie errichtete Unterkünfte im relativ sicheren Tunesien unterzubringen. Dort sollen eventuelle Asylgesuche vor Ort geprüft, also eine Art Selektion des Migrantenstroms vorgenommen werden. Wie jüngst bekanntgegeben, hat die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Visegrád-Staaten Tschechien und Ungarn sowie gegen Polen eröffnet – etwa gleichzeitig mit der Forderung des SPD-Kanzlerkandidaten und Parteichefs Martin Schulz, Staaten, die die Aufnahme von Migranten verweigern, auch die EU-Subventionen einfach zu streichen bzw. vorzuenthalten. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde verhängt, weil sich diese Staaten beharrlich weigern, die EU-Entscheidungen betreffs Verteilung der Immigranten innerhalb der EU zu akzeptieren.
Rumänien müsste laut diesem Verteilungsschlüssel 3546 Immigranten aufnehmen, die umverteilt werden aus anderen EU-Staaten. Bis zum 9. Juni hatte Rumänien 45 „Umverteilte“ aus Italien und 589 aus Griechenland aufgenommen. Integrieren muss Rumänien laut EU-Entscheidung 4180 Immigranten (1608 aus Italien und 2572 aus Griechenland).
Europaweit sind 160.000 Immigranten umzuverteilen. Dagegen gestimmt hatten seinerzeit Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Rumänien. Polen stimmte dafür, hat es sich aber unter den erzkonservativen Kacynski und der neuen Regierung Polens überlegt. Etwas später entschieden eine Reihe anderer EU-Staaten, weitere (zusätzliche) 22.000 Migranten aus den mit Syrien benachbarten Staaten aufzunehmen.