Die Österreicherin Vea Kaiser ist 27 Jahre alt und tourt neben ihrem Philologiestudium in Wien auf Lesereise durch Europa. Schon im Kindergarten hatte sie sich vorgenommen, Schriftstellerin zu werden, so Vea. Ihr erstes Buch, „Blasmusikpop“, erreichte schlagartig die Bestsellerlisten und gewann 2011 den Theodor-Körner-Preis der Stadt Wien. Allerdings legt Vea nicht besonders viel Wert auf diese Auszeichnung. Bei ihrer Lesung im Schillerhaus in Bukarest rät sie den anwesenden Schülern des Goethe-Kollegs: „Falls ihr vorhabt, einen Roman zu schreiben, dann auf Deutsch. Jeden Tag werden um die drei Literaturpreise in Deutschland verliehen – jeder bekommt also einmal einen“. Es gibt sogar einen Literaturpreis für den besten erotischen Science-Fiction-Roman. Vea fragt in die Runde: „Ist das dann, wenn zwei Roboter es miteinander tun?“ Von Beginn an überzeugt die Autorin auf sympathische Weise mit ihrer Natürlichkeit und ihrem Humor. Sie wirkt authentisch und auch in ihrem persönlichen Schreibstil spiegelt sich dies wieder.
Dieser hat sich in Veas zweiten Roman „Makarionissi“ gefestigt und das Buch erzählt von der klugen, sturen und streitbaren Eleni und ihrem Cousin Lefti, der sich nichts sehnlicher wünscht als Frieden. Ihre Großmutter Yiayia Maria möchte die beiden verkuppeln und politische Umstände führen letztendlich dazu, dass Yiayia Marias Wunsch zunächst einmal erfüllt wird. Damit beginnt allerdings eine Reise voller Unglück und Verlusten bis beide auf der Insel Makarionissi doch ihr vorübergehendes Glück finden. Für ihren Roman hat Vea – nach einer aufwendigen Recherche zu historischen Ereignissen, für die sie auch Personen interviewte – zwölf Versionen geschrieben, bis sie ihrem Verlag den ersten Entwurf präsentierte, drei weitere folgten mit Korrekturen ihrer Lektoren. Bei 464 Seiten ist das ein Vollzeitjob, vor allem da Vea strikt gegen die Kopier- und Einfügfunktion ist. „Mit jeder Version verändert sich mein Schreibstil“, erklärt die Autorin: „Würde ich einfach Textpassagen übernehmen, dann merkt das der Leser.“
Sie trägt also eher aus ihrem zweiten Roman „Makarionissi“ vor, anstatt daraus zu lesen, und erweckt dabei durch Gestik und Mimik ihre Hauptfiguren Lefti und Eleni zum Leben. Die beiden wachsen in einem kleinen griechischen Dorf an der albanischen Grenze auf. Dabei fühlt und fiebert man auf den einzelnen Stationen der Möchtegern-Helden, wie Vea ihre Protagonisten liebevoll nennt, mit. Förmlich sieht man Eleni im norddeutschen Hildesheim bei jedem Nein zusammenzucken. Die Griechin kommt mit diesem unfreundlich klingenden, alternativlosen Wort, dem keine Begründung folgt, nicht zurecht. Darf man hier über die Straße gehen? Nein. Darf ich mich hier auf die Wiese setzen? Nein. Kann ich in ihrem Blumengeschäft Pflanzensamen kaufen? Nein.
Woher Vea ihre Ideen nimmt? Zum einen Recherche, zum anderen beruht vieles auch auf eigenen Erfahrungen. Während ihres Studiums des kreativen Schreibens und Kulturjournalismus hat Vea in Hildesheim gewohnt. Ihre Erinnerungen an diese Zeit sind traurig, da sie mit den dort lebenden Menschen einfach nicht auf einer Wellenlänge war. Vea berichtet von ihren Erfahrungen als Österreicherin mit dem deutschen Nein: „Magst du noch etwas Kuchen“, fragte Veas Freund sie. „Danke“, erwiderte diese und winkte ab. Klatsch, vor ihr ein riesiges Stück. „Ähm, du, ich bin satt.“ „Na dann sag das doch“, pampte dieser sie an. Vea Kaiser meint zum Publikum: „Ihr könnt euch vorstellen, dass wir nicht glücklich geworden sind“. Aber jeder nimmt eine Stadt auch anders wahr. Während also Eleni und Vea sich beide in Hildesheim nicht wohl fühlten, findet Lefti hier seine große Liebe.
Die Helden müssen bis zu ihrem Glück einiges durchstehen, machen Fehler und stoßen mit ihren Ecken und Kanten an. Angelehnt an die griechische Mythologie, in der die Götter keine Heiligen waren und das Begehen von Todsünden ebenso wie Gutmütigkeit oder Barmherzigkeit zu ihren Eigenschaften zählten. Diese Laster, so Vea, sind um einiges spannender als die Makellosigkeit einer christlichen Heiligen. So kann man über sie lachen oder sich für sie fremdschämen und aus ihren verpatzten Situationen lernen. Denn wichtig ist für Vea, dass man am Ende ihren Roman zuklappt und die mit Lesen verbrachte Zeit nicht als vergeudet empfindet – sei es weil man neue Erkenntnisse gewonnen hat oder nur weil das Buch unterhaltsam war. Deshalb erzählt Vea auch nicht zu viel aus ihrem Roman – schon gar nicht das Finale. Denn wie sie es so schön formulierte, gehört es eigentlich verboten, jemandem das Ende zu verraten, und sollte als Gesetz in die Menschenrechte aufgenommen werden. Früher hatte ihr Vater zeitgleich mit ihr Harry Potter gelesen. Nachts wenn sie schlief, immer ein Stückchen weiter, und wenn sie nicht brav war, dann drohte er ihr damit zu schildern, wie es weitergeht. Vea schließt ihre Erzählung mit dem Fazit: „Ihr könnt euch also vorstellen, dass ich ein sehr liebes Kind war“.