Bukarest (ADZ) – Der Kinderchor der Rumänischen Orthodoxen Kirche hat am 30. Oktober in der gerade erst geweihten Nationalkathedrale ein Lied vorgetragen, dessen Text dem umstrittenen Dichter Radu Gyr zugeordnet wird – Gyr war einer der Propagandisten der faschistischen Legionärsbewegung in den 1930er und 1940er Jahren. Der Auftritt des Chors fand nach einem Te-Deum-Gottesdienst zur Feier des Militärklerus statt und löste Kritik aus. Mehr als 2000 Soldaten, Militärgeistliche, ihre Familien und hohe Offizielle wie der Verteidigungsminister und der Chef des Generalstabs besuchten die Veranstaltung, die gefilmt und in sozialen Netzwerken geteilt wurde. Alexandru Florian, Direktor des Elie-Wiesel-Instituts zur Erforschung des Holocausts, kritisierte den Vorfall: Die Organisatoren oder der Chor könnten sich nicht auf Unwissenheit berufen – Gyr war aktiver Legionär und für Kriegsverbrechen verurteilt. Die Behörden müssten einschreiten, meint er.
Chorleiter Ioan Balaban verteidigte die Wahl. Bei TVR Info sagte er, dass es aus Sicht des Ensembles kein faschistisches Lied sei, da man nur auf den Text per se geschaut habe, der den „christlichen Glauben“ fördert.
Eine zusätzliche Erklärung hatte die Pressestelle der Rumänischen Orthodoxen Kirche bereit: Sie betonte, der Text sei gar nicht von Radu Gyr – das Gedicht werde ihm in jüngster Zeit fälschlich zugeschrieben. Zudem schließe der Kontext des „patriotischen Konzerts“ tendenziöse Deutungen aus. Die Kirche distanziere sich klar von Hass, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, die dem Christentum widersprechen. Die Patriarchie bekräftige ihre Neutralität zu politischen Strömungen, hieß es ferner.
Der ehemalige Kirchensprecher Vasile Bănescu, der heute im Rundfunktrat CNA sitzt, stellte sich auf die Seite der Kritiker. Den Text eines Autors zu rechtfertigen, der für die moralische Säuberung der Nation durch antisemitische und gewalttätige Ideologie eintrat, sei keine glückliche Strategie, sagte er.





