Hermannstadt (ADZ) - Potenzial für Missverständnisse und Konflikte gibt es reichlich, wenn Deutsche und Rumänen geschäftlich aufeinandertreffen. Die positiven Eigenschaften, wie Fleiß, Ordnungssinn und Organisationstalent, die den Deutschen in Rumänien nachgesagt werden, gehen Hand in Hand mit wenig schmeichelhaften Zuschreibungen wie dem „seelenlosen, kalten Roboter”.
Das Buch der Autoren Adrienne Rubatos und Alexander Thomas bietet eine Anleitung für deutsche Führungskräfte, wie kritische Situationen im Unternehmensalltag überwunden werden können.
In jedem der sieben Kapitel erklären sie schlüssig und sorgfältig recherchiert eine Seite der rumänischen Mentalität – oder „kulturelle Verankerungen”, wie die Autoren es nennen. Jedem Kapitel vorangestellt findet der Leser eine Reihe von praktischen Beispielen, in denen er das Verhalten rumänischer Mitarbeiter und Geschäftspartner in bestimmten Situationen erklären soll. Wer Schwierigkeiten damit hat, erhält von den Autoren Erläuterungen und Lösungsvorschläge.
Ungewöhnlich sei für Deutsche demnach die sehr starke „Personenorientierung” von Rumänen verbunden mit einer starken Emotionalität. Im Privaten wie im Beruf spielen persönliche Beziehungen eine viel wichtigere Rolle. Problematisch wird dieses Verhaltensmuster, wenn es es mit geringer Leistungsorientierung einhergeht.
Führungspersonen müssen vorleben, dass sich Leistung lohnt. „Langfristige, innere Veränderung gelingt nur durch Vorbilder und eine geduldige Überzeugungsarbeit durch den deutschen Vorgesetzten. Die Autoren erklären dieses Verhalten mit der jahrhundertelangen Fremdherrschaft und den zahlreichen Bedrohungen von Außen, auf die sie auch die hierzulande beliebte „Konfrontationsvermeidung” zurückführen.
Zwanzig Jahre Demokratie konnten dieses Verhaltensmuster bislang nicht aufbrechen. „Deutschen ist zu raten, ihre Lust und Freude an Kritik weise zu kanalisieren”, lautet der Ratschlag der Autoren. „Not macht erfinderisch” – so fassen die Autoren den Pragmatismus der Rumänen zusammen.
Das mitunter kreative Querdenken geht laut dem Soziologen Dumitru Drãghicescu einher mit einem Mangel an Beständigkeit, methodischer Gründlichkeit, Disziplin, Organisationskraft und vorausschauender Planung, was sich mit grundlegenden deutschen Kulturstandards stößt.
Dies sei ein Problem in der Unternehmenspraxis und die Unterstützung der Deutschen ein gutes Beispiel der kulturellen Ergänzung.
Wesentlich stärker ausgeprägt als in Deutschland hierzulande die Hierarchieorientierung, stellen die Autoren fest: „Sie wird gefürchtet, man misstraut ihr, aber man will sie haben”.
Für Chefs bedeutet dies, menschlich zu führen und eine „Vaterrolle” auszufüllen, da nach Einschätzung von Rubatos und Thomas Mitarbeiter dann mehr leisten und sich geschützt fühlen. Die Einführung deutscher bzw. westlicher Unternehmenskulturen mit flachen Hierarchien, offenem Feedback etc. benötigt Zeit und oft auch einen kundigen Berater.
Das kompakte Buch mit seinen 176 Seiten ist sehr gut recherchiert und greift erfreulicherweise sehr praxisnahe die Lebensrealität von Expatriats auf. Die Autoren belassen es nicht mit der Beschreibung von Problemen, sondern bieten tatsächlich Ansatzpunkte für eine effektive Personalführung oder den Umgang mit rumänischen Kollegen.
Dabei beweisen Rubatos und Thomas ein großes Maß an Einfühlungsvermögen für die rumänische Mentalität ohne dabei ins oberlehrerhafte abzugleiten – eine Pflichtlektüre für Deutsche, die in Rumänien arbeiten oder geschäftlich tätig sind.
„Beruflich in Rumänien. Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte” (ISBN: 978-3525491485) ist im Mai im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen und kostet 16,95 Euro.