In Rumänien gibt es in der Politik keine Zufälle. Es gibt Geheimnisse, es gibt „Erleuchtungen und Erhellungen“, Enthüllungen, es gibt Verrat und jede Menge „Parteientourismus“ mit ganz persönlichen Zielen – Zufälle aber gibt es keine.
Dass zeitweilig in der PNL der „Reformwille“ hochschwappt – das ist kein Zufall. Und wenn binnen ein paar Tagen sowohl Präsident Johannis – der sich manchmal wie ein verhinderter PNL-Vorsitzender geriert (was er im Grunde ja noch immer ist) – als auch sein Nachäffer, der EU-Parlamentarier und Ex-Journalist mit Yellow-Press-Haltung, Rareș Bogdan, sich über die „dringende Notwendigkeit umfassender Reformen“ äußern, dann darf man das nicht oberflächlich als Programmentlehnung von der als Reformpartei angetretenen USR sehen (die mit der Akzeptanz der Regierungsbeteiligung ihren Reformwillen begraben hat…) sondern als Resultat einer Absprache. Kein Zufall dürfte sein, dass sich Johannis und Bogdan kurz vor den Statements getroffen hatten…
Auch ist es kaum zu glauben, dass derselbe (auf dem privaten Fernsehsender, der ihn beschäftigte) oft marktschreierisch-schrille Rareș Bogdan die Initiative des Absägens von PNL-Parteichef Ludovic Orban ohne Rückversicherung startete und damit einen Erbfolgekrieg eröffnete, der vorgeblich auf dem Kongress der PNL in diesem Jahr entschieden wird: „Dem Orban ist der Kopf geschwollen. Er hat sich vorgestellt, der Alpha-Hund, der Alpha-Wolf zu sein, der Mann, ohne den Rumänien nicht vorwärtsschreiten kann, dass nur er alles besser wisse.“
Der Keil, den Bogdan in eine ohnehin zu auseinanderdriftenden Interessen neigende PNL getrieben hat, sitzt fest. Er diente wohl zuerst dazu, zu sondieren, wie die Spitzenleute der Partei eine Wieder- oder Abwahl des Parteivorsitzenden sehen. Orban hat die Oberfläche der Wässer rasch damit beruhigt, dass er knapp und souverän deklarierte, bis zum Kongress sei er Parteichef der PNL. Eine Art Schrödersches „Basta!“
Auf Bogdans Provokation haben zumindest drei Spitzenleute der PNL Farbe bekannt: Die in Siebenbürgen mächtigen, weil sehr erfolgreichen Ilie Bolojan (Kreisratschef Bihor, Ex-Bürgermeister in Großwardein) und Emil Boc (Bürgermeister von Klausenburg, Ex-Premierminister), aber auch Bogdans Kumpel Robert Sighiartău, der PNL-Generalsekretär. Insider behaupten, dass die Provokation auch aufs wohlwollende Augenzwinkern von Präsident Johannis baute, dem nachgesagt wird, dass seit den Parlamentswahlen 2020 – deren Folge der logische Rücktritt Orbans vom Parteivorsitz hätte sein müssen, angesichts des schäbigen Ergebnisses, das die PNL einfuhr – seine Beziehungen zu Orban auf eingefroren sind.
Sollte nun das „Zufalls-Gewebenetz“ den lästig gewordenen Orban bis zum PNL-Kongress gefesselt haben, stellt sich die Frage, wer an seine Stelle gesetzt werden könnte. Keiner der bisher Genannten bringt die entsprechenden Voraussetzungen dazu mit, auch wenn die beiden Siebenbürger als Lokalfürsten Hervorragendes geleistet haben. Premier Florin Cîțu, den Bogdan als künftigen Parteichef hinaufwinkte, fehlt die Aura, ein Etwas.
Zudem: Von seinem Fach, Finanzen, versteht er was und gut Französisch kann er auch noch. Ist zu „gebildet“ für eine Partei der Halb- und Mäßiggebildeten. Was Johannis von Cîțu hält, weiß keiner. Ohne seine Zustimmung wird es sicher keinen neuen PNL-Parteichef geben, zumal alle PNL-Parteichefs, seit Crin Antonescu Johannis den Platz abgetreten hat, mit offensichtlicher Zustimmung von Johannis PNL-Chefs wurden (auch der glatte Reinfall Alina Gorghiu).
Damit offenbart sich ein doppeltes Grundproblem der zweiten großen Partei Rumäniens: a) sie hat keine glaubwürdige Kaderreserve und b) sie kann nicht ohne Johannis. So sieht´s ein Nicht-Insider. Ihr drittes Grundproblem ist die Seilschaftsabhängigkeit. Wie in der PSD läuft auch in der PNL Personalpolitik über Verwandtschaft oder Dankbarkeits-Reziprozität.