Sie ist endlich da, die Biografie von Hans Otto Roth (1890-1953), dem wohl bedeutendsten Politiker der Rumäniendeutschen in der Zwischenkriegszeit. Erschienen ist sie Ende 2013 als Band 43 in der vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) herausgegebenen Reihe „Studia Transylvanica“ im Böhlau Verlag. Das Buch fußt auf einer Promotionsarbeit von Thomas Frühmesser, der die Siebenbürger Sachsen bei einem von Dr. Harald Roth, dem langjährigen Leiter des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim, gehaltenen Seminar kennenlernte. In seiner Magisterarbeit hat Frühmesser sich mit den Siebenbürger Sachsen und der Nationalitätenfrage im 19. Jahrhundert befasst (sie ist der erste von 13 Anhängen im Buch). Diese Thematik vertiefte er daraufhin in der Dissertation (mit der er an der Universität Würzburg promovierte), wie er im Vorwort vermerkt.
Unternommen hat Frühmesser den Versuch, den politischen Werdegang von Hans Otto Roth einer Analyse zu unterziehen, indem er die lebensgeschichtliche Untersuchung für die zeitgenössische Historiografie fruchtbar macht und dabei den Vorzug des Biografisch-Individuellen mit verallgemeinerten Fragestellungen verknüpft, schreibt er in der Einleitung betreffend die angewandte Methodologie. „Die Fragen nach seiner Persönlichkeit und Überzeugungswelt und deren Veränderung in den 30 Jahren seines politischen Wirkens, die Frage nach der politischen Sozialisation und ideologischen Aufladung seines Umfeldes, die Frage nach der weltanschaulichen Motivation seines Handelns, außerdem die Untersuchung der rumäniendeutschen Politik (und teilweise auch der internationalen Politik) aus der Sicht Roths, sowie die Analyse des Abstieges Roths nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu seinem Tod im Gulag 1953 müssen im Kontext betrachtet werden, um Roth als Menschen und als Politiker richtig beurteilen zu können“, so der Autor der Biografie (S.12). Ebenfalls in der Einleitung stellt Frühmesser klar, dass das historische Verständnis von Begriffen (zum Beispiel von „Volk“ oder „Nation“) nicht mit dem heutigen Verständnis vermischt werden darf, woraufhin er die historischen Definitionen der Begriffe anführt. Das große Verdienst der vorliegenden Biografie ist neben dem erstmaligen Zusammenfügen des umfangreichen Dokumenten- und publizistischen Materials über Roth und seine Zeit aus Archiven und Nachlässen aber auch Erinnerungen aus Roths Familienkreis eben diese in den historischen Kontext in Siebenbürgen, Rumänien und Europa integrierte Darstellung der Lebensgeschichte. Illustriert ist diese mit Fotos, die Roths Tochter, Dr. Maria Luise Roth-Höppner, zur Verfügung gestellt hat.
Gegliedert hat Frühmesser die Biografie des rumäniendeutschen Politikers anhand der historischen Eckdaten in drei Kapitel. In dem 1932 endenden ersten Teil stellt er Roths Jugendjahre und sodann seinen frühen Einstieg in die Politik als Sekretär des „Deutsch- sächsischen National- bzw. Volksrates“ und sodann als Verfasser des neuen sächsischen Volksprogrammes vor, geht auf Roths Verhältnis zu Rudolf Brandsch ein und berichtet über seine Bemühungen zur Sicherung der Finanzierung für die deutschen Schulen sowie sein Engagement für Gewerbe und Industrie. Das Kapitel schließen Betrachtungen über Roths Einschätzungen der rumänischen Politik 1918-1932 sowie sein Verhältnis zum aufkommenden völkischen Gedanken ab. Das zweite Kapitel umfasst die Jahre des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges. Der Autor geht auf die NS-Zeit in Rumänien ein, an deren Beginn Roths Wirken als Präsident des „Verbandes der deutschen Volksgruppen“ in Europa und seine Präsenz beim Nationalitätenkongress in Bern fallen. Im Folgenden werden das Zunehmen des NS-Einflusses innerhalb der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien während der Amtszeit von Hans Otto Roth als Landeskirchenkurator dargestellt und die politischen Strömungen in der deutschen Minderheit in Rumänien. Im dritten Kapitel behandelt Frühmesser die „Zusammenbruchsgesellschaft“ der Rumäniendeutschen und die Zeit des Kommunismus. Gegen den Senator von Rechts wegen der Zwischenkriegszeit Hans Otto Roth werden nun verschiedene Kampagnen geführt, über die der Autor berichtet und anhand der eingesehenen Quellen auch deren Hintergründe aufzuschlüsseln versucht.
In den oben erwähnten historischen Rahmen ist auch die Zusammenfassung gestellt, in welcher der Autor Roths politischen Werdegang, sein Wirken sowie seine Haltungen und sodann sein Ausscheiden aus der Politik nochmals Revue passieren lässt. Roth hatte sich am 31. August 1944 bekanntlich für das Verbleiben der Rumäniendeutschen im Land ausgesprochen, was für ihn „tödliche Konsequenzen“ hatte, meint der Autor forciert. Frühmesser fragt, ob Roth mit seinem Appell nicht nochmals den Fehler begangen hat, ein totalitäres Regime zu unterschätzen. Vermutlich hat Roth im Herbst 1944 nicht erkannt (wie viele andere Politiker auch), dass das eine durch ein anderes totalitäres Regime ersetzt wird, was er sich jedoch angesichts der Geschichte der Siebenbürger Sachsen sicher nicht hat vorstellen können war, dass die neue Diktatur die existenzielle Grundlage der Rumäniendeutschen so sehr zerstört, dass ihr Fortbestand als Gemeinschaft nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Nach dem Ende auch der zweiten Diktatur „... ist es die Geschichte selbst, die Hans Otto Roth posthum seine größte Würdigung verleiht, indem sie seine Visionen wenigstens teilweise Wirklichkeit werden ließ und damit deren Richtigkeit im Grundsatz bestätigt“, so der Autor (S. 275-276).