„WeWilder“ nennt sich der erste „Campus für `ländlich-städtische` Zusammenarbeit“, den der World Wide Fund for Nature (WWF) Rumänien am Rand der Gemeinde Armeniș (im Temesch-Cerna-Durchbruch) und des dort angelegten Freigeheges für Wisentein den Wäldern an den Hängen des Țarcu-Massivs einrichtet. Als Flurbezeichnung hat sich für diesen hügeligen Raum bereits „Măgura Zimbrilor“ / „Hügel der Wisente“ durchgesetzt. WeWilder soll ein „Begegnungsort für freelancer, Trainings-Teams kleinerer oder größerer Firmen, Künstlern, Unternehmern und Einheimischen“ werden, so die Vorstellung des WWF. Und mitimpliziert im Projekt soll auch die Bevölkerung der Gemeinde Armeniș werden. Beitragen zum Entstehen und zur Entwicklung des Projekts sollen „innovative Architekten, die Fachleute in nachhaltiger Architektur“ sind.
Damit glauben die Initiatoren des Projekts, Voraussetzungen zu schaffen, damit aus WeWilder „ein Innovationszentrum im Unternehmertum für die Natur“ wird. Orieta Hule, WWF-Direktorin für Rumänien: „Als freelancer sollte es dir eigentlich egal sein, von wo du arbeitest - also warum nicht auch von hier aus, aus der wilden Natur. Denn hier kannst du dich wieder, gleichzeitig mit der verrichteten Arbeit, mit Energie aufladen, gut und gesund verköstigt werden und, wie nebenbei, mitwirken an neuen Ideen und Projekten – alles mit Blick auf Nachhaltigkeit, auf lange Sicht. Den Firmen schlagen wir vor, ihren Teams durch Teambuilding in diesem Naturraum eine neue Erfahrung an einem Ort mit noch wilder Natur zu vermitteln, wo der WWF Konservierungs- und Renaturierungs- bzw. Wiederansiedlungprojekte durchführt. Solche Räume können zu den bestmöglichen Örtlichkeiten werden, um als Inspirationsquelle zu dienen für Nachhaltigkeit und Innovation im Business. Für solcherlei Vorhaben bietet künftig WeWilder die beste Brücke und eine Plattform.“
Koordinatorin von WeWilder ist Oana Mondoc, gleichzeitig die Verantwortliche für Innovation und Entwicklung der örtlichen Gemeinschaften beim WWF Romania. Sie fügt hinzu: „Dieser Campus soll planungsgemäss auch ein Begegnungsort werden zwischen Städtern und Dörflern, mit dem Ziel, dass einer von andern lernen kann, so er denn die Gelegenheit dazu nutzt. Damit soll WeWilder auch eine Art Trampolin werden zur Entwicklung beispielgebender ländlich-städtischer Gemeinschaften, die im südwestlichen Karpatenraum zusammenarbeiten. Wir versammeln uns hier, um Ideen Gestalt annehmen zu lassen bezüglich eines naturnahen Lebens, eines Lebens, das wieder je näher zu Natur gerückt werden soll. Wir schmeicheln uns damit, zu sagen: hier, an diesem Ort, werden wir die Welt neu erfinden! Das wollen wir, das können wir.“
Der Bau des Campus hat eben erst begonnen. Bis zum Jahresende sollen hier vorerst drei Häuschen stehen sowie ein Zentralbau, der Raum für Co-Working bieten soll. Dort wird auch eine Gemeinschafts-Küche untergebracht, eine Bibliothek, ein Raum zur Sozialisierung.2021 sollen weitere vier Häuschen errichtet werden. Zu dem Vorhaben noch einmal Oana Mondoc: „Wir verfolgen hier die Verwirklichung der sogenannten `unsichtbaren Architektur´: alle Gebäude sollen höchstmöglich der umgebenden Natur angepasst, ja integriert werden. Das bezieht sich auf ihren Aspekt, auf die benutzten Baumaterialien, aber auch auf die Erfahrung mit den Innenräumen. Aus möglichst vielen dieser Innenräume soll der Blick ungehindert verweilen können auf dem gigantischen Panorama des }arcu-Gebirges und des nördlich dahinter liegenden Retezat (mit den Gipfeln Gugu - 2192 m, Peleaga – 2509 und Păpușa – 2508 m). Aber auch auf die spektakuläre bewaldete Hügellandschaft rundherum. Sämtliche Gebäude werden aus nachwachsenden Hölzern gebaut, die Wärmeisolation wird mit Holzdämmstoffen gesichert, die aus wiederverwertetem Altholz und Sägewerksresten, aus denen die Holzfasern gewonnen wurden, gepresst werden. Aufgrund der Erfahrungen, die wir und die Architekten mit der Covid-19-Pandemie sammeln, werden die Räumlichkeiten so gebaut, dass sie je mehr autonome Arbeitsplätze bieten, so dass alle Hausbewohner ungehindert arbeiten können, ohne in Kontakt miteinander zu gelangen. Wenn sie es nicht unbedingt wollen. Oder müssen.“
Die Gesamtinvestition für WeWilder wird lauf WWF um die 200.000 Euro liegen. Die Hälfte der Summe hat bereits eine transnationale Firma gespendet, die den WWF regelmässig unterstützt. Die zweite Hälfte der Summe stellen diverse Partner des WWF Romania, die auch an der späteren Nutzung interessiert sind, aber auch daran, zu sehen, wie das Projekt funktioniert und die daraus lernen wollen. Beispielsweise von den Erfahrungen mit der „grünen“ und der „unsichtbaren“ Architektur, mit Modellen „grüner partizipativer Mikro-Ökonomie“, mit der man hier experimentieren möchte.
Sämtliche Erfahrungen, die man mit dem Pilotprojekt bei Armeniș sammeln wird, sollen in „Replizierungsprojekten“ rumänienweit angewandt werden. Sie sollen überfall dort umgesetzt werden, wo „prioritäre regionale Konservierungsprojekte“ nötig sind. Orieta Hule zum Gesamtkonzept: „WeWilder nimmt sich vor, lokale Kommunitäten zu unterstützen beim Übergang von einem Wirtschaftsmodell, das sich auf lokal vorfindbares Rohmaterial stützt, zu einer Realität, wo die gesunde und von den Menschen beschützte Natur zur Quelle des Wohlstands für die Gemeinschaft wird. Zusätzlich wollen wir im Rahmen des WeWilder-Campusses ein Modell der `sharing economy`ermutigen – will sagen, dass wir Fachleute aus den unterschiedlichsten Bereichen dazu gewinnen, ihre Kenntnisse den lokalen Gemeinschaften zur Verfügung zu stellen. Dafür wollen sie bloß eine andere Erfahrung des Wohnens und des Essens geboten haben, wie sie ortsüblich sind. Und die ortsübliche Küche ist eben auch ein Schlüssel dieser Art des Zusammenwirkens von Stadt und Land, den wir favorisieren. In diesem Kontext organisieren wir etwas wie die in Siebenbürgen so erfolgreichen ländlichen Brunchs.“
Zum Wohnen werden nicht nur die Holzhäuser der „unsichtbaren Architektur“ genutzt. WWF will die im Raum der Gemeinden Teregova-Armeniș-Domașnea üblichen, aus Bruchstein gebauten zwei-dreiräumigen Szallasche/sălașe – das sind eine Art Sennhütten, die aber auch als permanente Sommerunterkünfte in den ausgedehnten Obstgärten dieses Hügellands genutzt werden – als naturnahe Unterkunft anbieten, wo man in der Regel in einem Raum (nicht selten auch heute noch auf Stroh) übernachtet, im anderen gekocht wird und im dritten bei Schlechtwetter die Pferde und Kühe der Bergbauern untergebracht sind.
Im Raum Armeni{, wo der WWF aktiv ist, hat sich bereits einer dieser Szallasche einen Namen gemacht: „MuMA Hut“. Da hat ein Einheimischer rasch geschaltet und bereits in den Monaten der Erstansiedlung der Wisente vor dreieinhalb Jahren dem WWF Unterkunft in seiner Sennhütte angeboten, wo die (Edel-)Naturschützer auf Stroh schliefen und mit dem ernährt wurden, was die umliegenden Obst- und die Hausgärten des Unterkunftanbieters sowie dessen Haustiere hergaben. Da der Mann inzwischen vom WWF auch als Ranger des Wisentschutzgebiets angestellt wurde, organisiert er auch Pirschgänge zur Tierbeobachtung und ist in der Gegend zu einer Art Tourismus-Guru geworden, der dem WWF sehr effizient auch im nun angestoßenen Projekt zur Hand gehen wird. Neuerdings bietet er auch Mountain- und E-bike-Touren an und seine Frau eine Kochwerkstatt für traditionelle Gerichte des Raums des Temesch-Cerna-Durchbruchs. Und ja: auch Heumachen, mit der Sense und dem hölzernen dreizinkigen Heurechen, kann man hier lernen.