Temeswar (ADZ) – Einige Dutzend Mitglieder der AUR-Partei sowie des Kreisverbands Mehedinți der rechtsextremen Organisation „Noua Dreaptă“, angeführt vom AUR-Vorsitzenden George Simion, haben am Freitagnachmittag das Temeswarer Rathaus erstürmt und auf den Fluren Hetzparolen gegen Bürgermeister Dominic Fritz gebrüllt. Im Vorfeld hatte sich Simion, der sich am Wochenende auf einer Tour durch Westrumänien befand, mit seinen Anhängern auf dem Opernplatz getroffen. Begleitet von etwa 20 bis 30 Parteigängern gelangte er dann über einen Hintereingang in das Rathaus, um angeblich eine Audienz beim Bürgermeister zu bekommen. Mit dem Stadtvater wollte der Abgeordnete Simion in seiner Eigenschaft als „hoher Würdenträger des rumänischen Staates“ über die Probleme der Stadt reden. Mit Simion an der Spitze zogen die Randalierer durch das Rathaus, riefen „Schande, Schande!“ und „Komm raus, du Drecksköter!“ – gemeint war der Bürgermeister. Nach etwa einer Viertelstunde verließ die Gruppe das Gebäude, skandiert wurde auch: „Fritz, vergiss nicht, dies ist nicht deine Stadt!“
Im Anschluss an die Erstürmung des Rathauses sagte Simion, dass das Land keine „dahergelaufenen Ausländer“ brauche und kündigte die Gründung einer „Anti-Fritz-Liga“ an, die den rechtmäßig gewählten Temeswarer Bürgermeister noch vor dem regulären Wahltermin im Jahr 2024 aus dem Amt werfen wolle. Wie Simion sagte, werden dieser Liga mehrere Parteien beitreten, ehemalige Bürgermeister und ehemalige Kreisratsvorsitzende sowie viele Temeswarer von gutem Ruf seien mit von der Partie, doch deren Namen könne er noch nicht preisgeben. Einer, der auf den zahlreichen im Internet veröffentlichen Fotos und Videos von dem Vorfall zu sehen ist, ist der junge Anwalt Mihai Nastasiu, der seine politische Karriere bei der „Pro România“-Partei begann, sie mit Unterstützung von Nicolae Robu bei der PNL fortsetzte, jedoch dann auf das falsche Pferd wettete, nämlich auf den aus der PNL rausgeschmissenen Raul Ambruș, und nun als Generalsekretär die AUR im Kreis Temesch organisiert. Da er Ambruș weiterhin nahesteht, wurde er, auch mit Unterstützung der USR von Bürgermeister Fritz, mit einem Sitz im Verwaltungsrat der „Pie]e“ S.A. belohnt, jenem Unternehmen, das die Temeswarer Bauernmärkte verwaltet. Am Freitag schrie der Polittourist Nastasiu gemeinsam mit seinem neuen Chef Simion Hetzparolen gegen Fritz.
Die AUR- und Noua-Dreaptă-Krawalle sorgten in Temeswar und auch landesweit für Schock und Empörung. Als erster verurteilte Bürgermeister Fritz das Geschehene, er sprach von einer „Bande“, deren alleiniger Zweck die Einschüchterung der Beamten und der Bürger gewesen ist. Die Tatenlosigkeit der Polizei und der Gendarmerie sei nicht hinnehmbar, der Staat dürfe solche Aktionen nicht tolerieren, weil sie mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nichts zu tun hätten. Jeder dürfe friedlich protestieren, aber niemand habe das Recht, mit Gewalt in staatliche Institutionen einzudringen. Die Täter müssten identifiziert und bestraft werden, er fordere die zuständigen Behörden auf, unverzüglich das Gesetz anzuwenden. Er selbst habe eine Untersuchung bei der Lokalpolizei angeordnet, um zu klären, warum nicht gegen die Randalierer eingeschritten wurde. Eine solche Untersuchung müsse auch bei der Gendarmerie erfolgen. Die Regierungsparteien PSD und PNL sollten das in Temeswar Geschehene aufs Schärfste verurteilen, forderte Fritz ferner.
Der Bürgermeister wolle klarstellen, dass er sich von antidemokratischen Gewalttaten nicht einschüchtern und nicht beeindrucken lassen. Sie würden seine Überzeugung stärken, dass man mehr wie noch nie für „unsere Werte“ kämpfen müsse. Temeswar sei und bleibe eine Stadt des gegenseitigen Respekts und des guten Willens, eine multikulturelle und offene Stadt, wo Fremdenfeindlichkeit und anarchische Gewalt nichts zu suchen hätten. Der Deutschen Welle sagte Fritz, dass ihn der Aufstieg der AUR vor allem deshalb sorge, weil er dahinter eine „tiefliegende Vertrauenskrise und einen Verfall der politischen Kultur“ sehe, wie man ihn auch in vielen anderen europäischen Ländern beobachten könne. Um sich persönlich mache sich Fritz jedoch keine Sorgen. „Ich fühle mich sicher in der Stadt“, sagte er, „weil es in Temeswar selbst kaum Leute gibt, die sich an Aktionen wie der vom Freitag beteiligen. Die Randalierer kommen meistens von außerhalb.“
Während sich die Temescher und die Temeswarer Verbände der PSD und der PNL in Schweigen gehüllt hatten, wurden die AUR-Krawalle von dem Verband der Munizipien Rumäniens hart verurteilt. 23 Bürgermeister, darunter jene von Klausenburg/Cluj-Napoca, Hermannstadt/Sibiu, Großwardein/Oradea und Arad, veröffentlichten eine Solidaritätserklärung für ihren Temeswarer Amtskollegen und forderten den Staat auf, härter gegen derartige Randalierer vorzugehen. Der USR-PLUS-Vorsitzende Dacian Cioloș sagte, die Aktionen der AUR würden im Grunde genommen mit der Erlaubnis und der Unterstützung der staatlichen Behörden stattfinden.
Am Samstag teilte dann Vizepräfekt Ovidiu Dr˛g˛nescu mit, dass die Gendarmerie 12 Personen identifiziert und bestraft hat. Gegen acht Personen wurden Geldstrafen für die Nichteinhaltung der Covid-19-Schutzmaßnahmen verhängt, vier andere wurden für die Störung der öffentlichen Ruhe bestraft. Man schaue sich die Videoaufzeichnungen an, die die Teilnehmer selbst gemacht und über das Internet verteilt hätten, identifiziere den Rest der teilnehmenden Personen und wende das Gesetz an, hieß es bei der Gendarmerie. Auf seiner Weiterfahrt in Richtung Großwardein sagte Simion, dass er diejenigen, die mit ihm ins Rathaus eingedrungen waren, nicht kenne, er wisse nicht, wer sie sind und von wo sie gekommen waren. Berichten zufolge habe man eine Schar von Noua-Dreaptă-Mitgliedern aus dem Kreis Mehedin]i mit einem Bus nach Temeswar gebracht.