Wenn man weiß, dass der Historiker Theodor Mommsen für seine „Römische Geschichte“ den Nobelpreis für Literatur verliehen bekam, dann sollte man sich nicht wundern, dass während der „Reschitzaer Deutschen Literaturtage“ dem Historiker Dr. Volker Wollmann sowohl die Ehrenbürgerurkunde der Stadt überreicht als auch im Deutschen Kulturzentrum „Alexander Tietz“ eine Veranstaltung gewidmet wurde, zu der eigens sein Ex-Schüler, der Prorektor der Babeş-Bólyai-Universität Klausenburg, Prof. Dr. Rudolf Gräf, anreiste. Wie bereits berichtet, hat der Reschitzaer Stadtrat auf seiner außerordentlichen Tagung vom 31. März entschieden, zwei seiner ehemals hier lebenden Deutschen, dem römisch-katholischen Priester und Organisten Josef Gerstenengst (post mortem) und dem Historiker und Gründer des Reschitzaer Stadtmuseums (das sich heute „Museum des Banater Montangebiets“ nennt), die Ehrenbürgerschaft zuzuerkennen. Die feierliche Überreichung der Urkunden fand am vergangenen Freitag im Festsaal der Stadt statt. Für Josef Gerstenengst übernahm Erzdechant Monsignore József Csaba Pál die Urkunde. Der sichtlich gerührte Dr. Wollmann war persönlich aus Deutschland nach Reschitza gekommen.
Ein vielseitig kompetenter Historiker
Die Laudatio auf den ehemaligen Organisten der Reschitzaer „Maria Schnee“-Kirche und der Bukarester Sankt-Josephs-Kathedrale hielt der DFBB-Vorsitzende Erwin Josef Ţigla, von dem auch die Initiativen zu der Verleihung der Ehrenbürgerschaften ausgehen, tatkräftig unterstützt vom Generaldirektor des Reschitzaer Stahlwerks TMK, Romulus Ioan, einem Hobbyhistoriker. Die Laudatio auf Dr. Volker Wollmann hielt Dr. Dumitru Ţeicu, der amtierende Direktor des Museums des Banater Montangebiets. Dieser unterstrich „etwas Seltenes unter den heutigen Historikern“, das bei Dr. Wollmann zu vermerken sei: „seine vielseitige Fachkompetenz“, wobei er zumindest in zwei Bereichen Hervorragendes geleistet habe: zum einen in der Erforschung und Bekanntmachung römischer Inschriften und Quellen aus der und über die römische Provinz Dazien (das Thema seiner Doktorarbeit unter Leitung von Prof. Dr. I. I. Rusu aus Klausenburg, mit dem zusammen Wollmann später auch Weiteres zum Thema publizierte) – Prof. Rudolf Gräf meinte später, es sei bezeichnend, dass die 1983 mit universitärer Höchstauszeichnung belobigte Doktorarbeit erst 1996 als Buch erscheinen konnte, und dann gleich zweisprachig, deutsch und rumänisch. Der zweite Bereich ist jener der Industriearchäologie und der Versuch der Rettung des Industrieerbes, zumindest durch die erste gründliche Inventur desselben in Rumänien, die ihren Niederschlag findet in dem „ohne Übertreibung“ als „monumental“ bezeichneten, bislang sechsbändigen Werk in rumänischer Sprache „Patrimoniu preindustrial şi industrial în România“, dessen siebenten Band Dr. Volker Wollman gerade vorbereitet (ob es zehn Bände werden, wie manche vermuten, das bezweifelt Dr. Wollmann – noch). Die Buchreihe erscheint mit Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen beim Generalsekretariat der Regierung Rumäniens, durch Vermittlung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien im Hermannstädter Honterus Verlag.
Den Beitrag der Deutschen gewürdigt
Bürgermeister Ioan Popa, der nie zögert, seine Sympathie für alles, was deutsch ist, offen zu zeigen (er selber wuchs als Waise bis zu seinem 18. Lebensjahr in einer deutschen Familie auf und spricht fließend Banater bergländischen Dialekt), hielt im Anschluss an die beiden Laudationes eine Lobrede auf die Deutschen, welche die Entwicklung des Banater Berglands und der heute von ihm betreuten Stadt Reschitza geprägt und mitgeprägt haben, und gab die beiden gerade zu Ehrenbürgern ernannten Persönlichkeiten als Beispiele dafür an, wer und was dieses Umfeld geprägt hat. Auf der „Nachfeier“ im Alexander-Tietz-Zentrum, die von der Laudatio post factum des aus Reschitza stammenden Klausenburger Vize-Rektors Prof. Dr. Rudolf Gräf auf seinen ehemaligen Geschichtslehrer Volker Wollmann dominiert war, kam auch TMK-Direktor Romulus Ioan zu Wort, der mit Dr. Wollmann seit Jahren engste Kontakte pflegt und sich seiner Beratung erfreut bei den eigenen Forschungsvorhaben zur Geschichte der Förderung und Metallurgie des Eisens im Raum zwischen Siebenbürgen ab Hundeoara (Romulus Ioan stammt aus dem Hatzeger Land, ist also quasi und nach eigenen Aussagen „benachbart“ mit dem aus Mühlbach/Sebeş stammenden Wollmann) und dem Banater Erzgebirge.
Das Kameralwesen, die Grundlage des Industrieerbes
Dr. Rudolf Gräf improvisierte eine Konferenz zum Thema Industriearchäologie (mit der er selber sich als Wissenschaftler des Museums des Banater Montangebiets zeitweilig abgegeben hatte), ging aber dann eingehend auf die Prinzipien der Kameralwirtschaft ein, die von den Hochschulen des 18. Jahrhunderts im Habsburgerreich entwickelt wurde (in etwa parallel, und teilweise auch als bewusste Replik, zum Merkantilismus französischer Prägung und den englischen Wirtschaftstheorien und makroökonomischen Empfehlungen eines Adam Smith). Den Bogen zum Gefeierten schaffte er, indem er dessen Forschungen zum Bergbau im Banater Erzgebirge würdigte (vor allem im Raum Dognatschka-Eisenstein), wobei „Dr. Wollmann den vormodernen Bergbau eingehend studierte und dazu alle verfügbaren Quellen nutzte, einschließlich die erhaltenen materiellen Spuren“, was den „passionierten Forscher Schritt für Schritt zu einem spektakulären Bereich hinführte, der in der rumänischen Kultur sträflich vernachlässigt wird: die Industriearchäologie.“ Dr. Gräf nannte Dr. Wollmann den „kompetentesten Vertreter dieses Bereichs in der rumänischen Forschung, der auch auf internationaler Ebene als Koryphäe anerkannt wurde – und das bis heute blieb.“
Expertiseangebot zum Erhalt des Industrieerbes
Dies nicht nur dank seiner Detailkenntnisse und einer unermüdlich erweiterten und vertieften Feldforschung: „Entsprechend geschätzt werden muss seine weite Sichtweise aufs Phänomen: Neben Forschung und Veröffentlichung seiner Erkenntnisse hat er dauernd auch darauf bestanden, die museo-grafischen Aspekte des Bereichs und die Möglichkeiten einer populärwissenschaftlichen Bekanntmachung desselben in breitesten Kreisen der Bevölkerung zu fördern, als solideste Grundlage zum Erhalt und Schutz des Industrieerbes. Deshalb sind auch seine Ausstellungen – herausragend „Salz und Silber in Siebenbürgen“ – zu erwähnen und der permanente Hinweis auf methodische Aspekte der Verallgemeinerung des Bewusstseins dieser Werte, denen sich Dr. Volker Wollmann in den letzten Jahren gewidmet hat.“ Beeindruckend war bei dem dieser Tage sein 75. Lebensjahr erfüllenden Historiker: Dr. Volker Wollmann bot in seiner Dankesrede sowohl im Festsaal des Reschitzaer Rathauses als auch im Alexander-Tietz-Zentrum wiederholt an, seine Expertise als Fachmann gratis zur Verfügung zu stellen, unbegrenzt, „wenn sich jemand finden sollte, der die industriearchäologischen Schätze des Banater Berglands – oder sonstwo in Rumänien – zur Geltung bringen möchte, also zu deren Rettung beitragen möchte.“ Fakt ist, dass Rumänien zu den wenigen Mitgliedsländern der EU gehört, die über keinerlei spezialisierte Institution verfügen, die sich diesem Bereich widmen könnte. Und so etwas hatte Rumänien auch vor 1989 nicht – obwohl viele der „sozialistischen Bruderländer“ solcherlei Institutionen hatten.