Aufgrund der Industrialisierung der Landwirtschaft in Rumänien, aber auch der Alterung der Bevölkerung und der Abwanderung infolge des EU-Beitritt des Landes ist die bäuerliche Kultur fast aus dem Blick geraten. Das Ausmaß an billigen importierten Lebensmitteln führte zu einem geringeren Interesse für bäuerliche Agrarprodukte. Der Konsum von Produkten kleinerer, bio-orientierter Unternehmen spielt jedoch immer eine wichtige Rolle bei der Vermeidung der schädlichen Nutzung natürlicher Ressourcen und bei der Erhaltung der eigenen Gesundheit.
Es gibt viele Akteurinnen und Akteure, die die rumänische Bioszene in den Vordergrund bringen und die lokalen Bio-Spezialitäten sichtbarer machen. Lavinia Schuster beispielsweise, einst Übersetzerin an einer Schule für biologischen Landbau in der Schweiz, kehrte 1999 mit ihrem Mann Willy und ihren Kindern aus Deutschland in das siebenbürgische Dorf Meschen – das durch die befestige Kirche bekannt ist – zurück. Sie bewirtschafteten dort einen kleinen Bauernhof, um ein naturnahes Leben zu führen und gleichzeitig nachhaltig zu wirtschaften. Den Betrieb nannten sie „Bio Moșna“ .
Pionierin der Bio-Landwirtschaft
Die beiden begannen, Gemüse anzubauen und Tiere zu halten, wobei das Verhältnis Boden – Ernährung – Gesundheit in allen ihrer Tätigkeiten wichtig war. „Die Erfahrung, die ich als Übersetzerin von Biolandbau-Kursen gemacht habe, hat mein Leben als Bäuerin positiv beeinflusst“, erzählt Lavinia Schuster. Willy Schuster kümmerte sich früher, als er noch am Leben war, um die zehn Kühe auf dem Hof sowie um die mediale Bewerbung des Hofes. Dadurch entwickelte dieser sich zu einem bekannten Familienbetrieb, und Lavinia und Willy Schuster wurden zu Pionieren des ökologischen Landbaus mit Direktvertrieb in Rumänien.
Freiwillige aus der ganzen Welt kamen nach „Bio Moșna“, um bei der Pflege des Gartens mitzuwirken, die lokalen Schönheiten zu bewundern und hausgemachte Gerichte zu genießen, deren Zutaten aus dem eigenen Garten stammen.
Die Schusters wollten ihren Hof zu einem Ort der zwischenmenschlichen Fürsorge und des Dialogs machen. Mit dem Massentourismus wollten sie nicht in Verbindung gebracht werden. Selbst die Samen für ihre Pflanzen waren eigenproduziert: Denn Lavinia und Willy waren bestrebt, im Garten uralte Sorten zu pflegen und zu kultivieren. „Es sind krankheitsresistente Sorten, geeignet für Klima und Landschaft“, meinte Lavinia.
Als im Jahr 2020 der Tod von Willy Schuster den gesamten Bekanntenkreis der Familie Schuster erschütterte, fiel das ganze Geschäft mit den damit verbundenen Verantwortlichkeiten auf Lavinias Schultern.
Heute bietet sie auch Handwerks- und Milchverarbeitungskurse an. Immer wieder kommen junge Freiwillige und Touristen auf ihren Hof und lernen, mit der Natur eine enge Beziehung aufzubauen. Mit hausgemachten Gerichten wie Hagebuttenpaste, Estragonsuppe mit Kartoffeln, gemischten Salaten oder Apfelkuchen wird nach einem entspannten Plausch mit der Gastgeberin der Gaumen verwöhnt.
Lavinia Schuster hatte immer eine Leidenschaft für Käse unterschiedlicher Sorten, sie arbeitet viel mit Käse in Gerichten, serviert ihn aber auch alleine auf großzügigen Platten. Aber: „Man isst nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen“, sagt sie – auf jedem Teller befindet sich ein Arrangement aus allerlei Farben und Geschmäckern, einige sind mit frischen Gartenblumen verziert.
Sie möchte ihre kleine Gastronomie aber nicht erweitern, weil die persönliche Nähe zu den Besuchern für sie wichtig ist. Bei Bio Mo{na geht es darum, die Gäste persönlich kennenzulernen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Lavinia Schuster ist heute eine der wenigen Frauen in Rumänien, die autonom einen landwirtschaftlichen Betrieb führen.
„Casa de pe Deal“
Ebenfalls in Siebenbürgen, im Dorf Keisd/Saschiz, Kreis Muresch, wurde der Familienbetrieb „Casa de pe Deal“ gegründet. Anca Dalmasso und ihr Mann Charles entschieden sich 2008, einen neuen Lebensstil anzugehen. Charles Dalmasso ist Agrarwissenschaftler, Techniker und beschäftigt sich mit der Gärtnerei, Tischlerei und Handwerk am Hof. Auf dem Hof, den Anca Dalmasso von ihrem Großvater geerbt hatte, begann das Paar 2009, ihr eigenes Gemüse manuell anzubauen. Anca Dalmasso und ihre Schwester Florentina Călugăr waren außerdem für die Werbung für ihren Familienbetrieb verantwortlich.
Am Hof verkaufen sie den Besucherinnen und Besuchern das ganze Jahr über traditionelle Produkte, wie Konfitüren, Marmeladen und eingemachtes Gemüse. Weiterhin diversifizierten sie ihre Produktpalette dank der Kenntnisse der Mutter, Großmutter und Nachbarinnen von Anca Dalmasso. Nach der Ankunft des Franzosen Christophe Coret am Hof führte er die französische Spezialität „Milchmarmelade“ ein, so dass sich in diesem Haushalt das französische Know-How mit dem rumänischen verbindet.
Familienbetrieb „Legume de țară“
Ein anderer Familienbetrieb, der die Nähe zur ökologischen Landwirtschaft erhält, ist „Legume de țară“. Valentina Ioniță und ihre Familie gründeten das bäuerliche Unternehmen in Albota, Kreis Arge{, wo sie die biologische Produktion, den Konsum und den Handel fördern.
Zuerst kauften Valentina und ihr Mann im Jahr 2012 ein Stück Land. „Wir bauen Gemüse an, wie es uns unsere Eltern und Großeltern beigebracht haben – ohne chemischen Dünger oder Pestizide“, sagt Valentina, die Sprecherin des Hofes. Bewässerung und kontinuierliche Beobachtung gehören zum täglichen Pflegeritual des Bodens.
Für die Entwicklung der Gemüsesorten verwendeten sie von Anfang an nur natürliche Düngemittel, entweder von Tieren oder von mazerierten Pflanzen wie Brennnessel, Knoblauch oder Peperoni. Auch wenn sie kein Bio-Saatgut für eine Pflanze finden, die sie anbauen möchten, meiden sie hybride Samen. „Unser Ziel ist es nicht, durch Hybridsaatgut höhere Erträge zu erzielen“, meint Valentina. So viel wie möglich ernten sie Jahr für Jahr von ihren eigenen Samen.
Auch andere Familien sind dem Familienunternehmen Legume de țară beigetreten. Dies führt zu einer größeren Auswahl an traditionellen, hausgemachten Produkten.
In Rumänien hat der ökologische Landbau großes Potenzial. Obwohl die Produkte teurer sind, sind viele Menschen daran interessiert, lokale gesunde Produkte zu kaufen. Es gibt viele Ausländer, die das Leben in westlichen Städten aufgeben, um ein naturnahes Leben in ländlichen Dörfern in Rumänien zu führen, angezogen sind sie von Traditionen, aber auch von gesunder Ernährung.
In letzter Zeit gibt es auch Rumäninnen und Rumänen, die in die Häuser ihrer Großeltern oder Eltern zurückkehren und versuchen, die Traditionen fortzusetzen. Die Ansiedlung von Junglandwirten im ländlichen Raum und die Ausübung des ökologischen Landbaus und damit des Umwelt- und Tierschutzes werden auch vom Staat durch finanzielle Unterstützung gefördert.