Schauspiel als Flugsimulator durchs Leben

Wiener Kindertheater Bukarest spielt Goldonis „Viel Lärm in Chiozza“

Szenenwechsel: Bunte Elfen in Blümchenröcken tänzeln zu fröhlicher Musik über die Bühne, schwenken kleine Tische und Stühle heran. Im Hintergrund senkt sich  eine überdimensionale Wäscheleine mit Ringelhemden, Nachtgewand und einer Riesenunterhose mit Beinchen herab.  Dann wird es wieder Licht. Zwischen den Wäschestücken stürmen aufgebrachte Paare herein, ein lautstarker Streit entbrennt – Turbulenzen um Liebe und Eifersucht in einem italienischen Fischerdorf. „Viel Lärm in Chiozza“ (Gâlcevile din Chioggia) von Carlo Goldoni. Das Besondere an dem Theaterstück sind die Schauspieler: Es sind ausschließlich Kinder zwischen sieben und achtzehn Jahren.

Das Wiener Kindertheater feierte mit dem komischen Stück am 20.Oktober im Rapsodia Theater in der Bukarester Altstadt Premiere. Die Aufführung richtet sich jedoch keinesfalls nur an Kinder –  Humor kennt schließlich keine Altersgrenzen! So brachen vor allem die erwachsenen Zuschauer in schallendes Gelächter aus, als sich die kleine Brânzuca mit keckem Augenaufschlag ihre Liebe zum rebellischen Fischer Poponel eingestand.

Der Junge mit den gelben Gummistiefeln und dem  „Nackte-Brust-und-Waschbrettbauch“-T-Shirt ist immerhin fast einen halben Meter größer als sie. Auch der müde dahinschlurfende, alte Gerichtsdiener, gemimt von einem Dreikäsehoch, entlockte dem Publikum einen Brüller.
„Wir arbeiten bewusst mit Kindern unterschiedlichen Alters”, erklärt  die Gründerin des Theaterprojektes, Sylvia Rotter.

Die österreichische Schauspielerin freut sich über die Freundschaften, die zwischen den Großen und Kleinen entstehen, aber vor allem über die Entwicklung der Kinder während des Schauspieltrainings. Wobei das Theaterspielen selbst  eigentlich im Hintergrund steht.

Auserkorenes Ziel ist vielmehr die Stimulation von motorischen, sozialen und intellektuellen Fähigkeiten der Kleinen. „Schauspiel ist ein Flugsimulator fürs Leben“, zitiert sie den bekannten Neurobiologen Prof. Manfred Spitzer aus Ulm, der das Wiener Kindertheater fachlich betreut, denn Motorik und Gehirnwicklung hängen eng zusammen. „Wenn Eltern möchten, dass ihre Kinder gut in Mathematik sind“, fügt sie als Beispiel an, „dann müssen sie frühzeitig Fünf-Finger-Übungen machen“. Schauspiel bietet die beste Gelegenheit für eine solche motorische und intellektuelle Integration und fördert zudem die  Persönlichkeitsentwicklung.

Die Idee für das Kindertheater entstand vor vielen Jahren, als Sylvia Rotter oft mit ihren Neffen im Wiener Stadtpark spazierte und ihnen Balladen vorlas, die die Kleinen begeistert nachspielten. Nach Rumänien verschlug es sie durch die Bekanntschaft mit der in Wien lebenden, aus Großwardein/Oradea stammenden Schauspielerin Mona Erhan. So begann das Kindertheather vor fünf Jahren mit kleinen Aufführungen in Großwardein, bis sich Financiers in Bukarest fanden, die dem Projekt zur nötigen Aufmerksamkeit verhalfen.

Dort begann das Kindertheather zunächst mit den Sprösslingen der Mitarbeiter des Hauptsponsors BCR, doch nach ein paar Zeitungsartikeln meldeten sich Hunderte von Kindern, die in Workshops getestet und anschließend monatelang ausgebildet wurden. Andreea Grindean, die Bukarester Koordinatorin des Projekts, verrät, dass der Unterricht mit Unterstützung des bekannten Schauspielers und Theaterregisseurs Dan Puric und seinem Team  erfolgt.

Ausschlaggebend ist jedoch nicht in erster Linie das Talent der Kinder, bekennt Sylvia Rotter, sondern ihre Fähigkeit zuzuhören. Eine Kostprobe lieferte die Nachbesprechung im Keller im Anschluss an die  Aufführung, wo jedes Kind von ihr Feedback oder kleine Korrekturvorschläge für die nächste Vorstellung erhielt. Danach stürmte die Menge plappernd und lachend mit Blumen in den Armen die Treppen hoch.

Im Hintergrund dröhnt ohrenbetäubendes Gehämmer aus dem Bar-Club im Erdgeschoss. „Ich liebe Rumänien!“ ruft Sylvia Rotter gegen den Krach an, als wir die Treppen zu dem Raum hochsteigen, wo gleich das Kinderfest beginnt, „doch dieser Lärm – in einem Theather!“ Dann trägt uns die bunte Menschenmenge in den Festsaal, zu Panflötenmusik, Orangensaft und ausgelassen tanzenden Kindern.

„Viel Lärm in Chiozza“ wird noch einmal am  30. Oktober sowie am 4.,5. und 6. November um 19 Uhr aufgeführt. Mehr Infor mationen gibt es unter www.teatrulvienez decopii.ro.