„Bukarest – Berlin – Brüssel: Gemeinsam für ein starkes Europa“ – so lautet der Titel der Rede, die Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag auf der rumänischen Botschafterkonferenz in Bukarest hielt. Am selben Morgen hatte er die deutsche Botschafterkonferenz in Berlin eröffnet. „Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort stehen weltweit vor denselben Herausforderungen. In der Außenpolitik gibt es keine Selbstverständlichkeiten mehr“, kommentiert der Minister noch vor seinem Abflug. Als gemeinsame Bezugspunkte bleiben: „Wir stehen für europäische Werte, für eine regelbasierte internationale Ordnung und für eine gerechte Globalisierung.“
Mit welchen Herausforderungen sich die Diplomaten dabei konfrontiert sehen und welche Erwartungen man an Rumänien hegt, verrät er in seiner Rede sowie auf der anschließenden Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Teodor Meleșcanu.
„Wir stehen vor einer neuen strategischen Realität“, warnt Außenminister Maas – und zitiert Schriftsteller Eugen Ionescu: „Wer sich an das Absurde gewöhnt hat, der findet sich in unserer Zeit gut zurecht.“ Absurd klingt, wenn US-Präsident Trump Europa in einem Atemzug mit Russland und China als Gegner bezeichnet oder die NATO infrage stellt. Oder: „Waren vielleicht die letzten Jahrzehnte, in denen Europa sich unter dem Schutzschirm der Amerikaner friedlich entwickeln konnte, am Ende nicht die Regel, sondern die historische Ausnahme?“ fragt Maas.
„Erste Anzeichen einer Weltordnung in Auflösung sehen wir schon seit Jahren“, fährt der Minister fort, räumt jedoch ein, ein Rückzug der USA als Garant globaler Ordnung würde Europa hart treffen. Länder wie Deutschland oder Rumänien seien allein immer weniger in der Lage, ihre Anliegen auf globaler Ebene durchzusetzen. Der Bau eines souveränen, starken Europas sei daher die zentrale außenpolitische Aufgabe: „Unsere Antwort auf ‘America First’ muss lauten: Europe United!“
Rumäniens Beitrag zählt
Dabei zählt die pro-europäische Stimme Rumäniens gerade als Ausgleich zu den Euroskeptikern und Populisten, von denen es leider viel zu viele gibt, betont der Außenminister. Großbritannien wird Europa verlassen. „Italiener zuerst“, heißt es aus Teilen der Regierung in Rom. Polen eckt mit seiner Justizreform an. Der deutsch-französische Motor wird Europa nicht alleine vorantreiben können.
Rumänien demonstriert Verantwortung als Mitgliedsstaat: Geschätzt wird sein Beitrag zur Sicherheit an der Südostflanke von EU und NATO, als Haupttruppen-steller der multinationalen Brigade, aber auch in der Gestaltung der östlichen Partnerschaft in der EU. „Beim Schutz von Minderheitenrechten in Europa geht Rumänien voran“, bemerkt Maas. Auch die Beteiligung an Programmen zur Um- und Neuansiedlung von Flüchtlingen wurde als positives Signal wahrgenommen.
Die Herausforderungen der EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2019 zu meistern – den Brexit, die Verhandlungen des mehrjährigen Finanzrahmens oder den „Spaltpilz“ Migration – traut er Rumänien zu. Und betont: „Wir in Deutschland stehen bereit, Sie dort, wo gewünscht, personell und inhaltlich zu unterstützen.“
Die Wertegemeinschaft auch vorleben
Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Pressefreiheit: Rumänien habe die Bedeutung dieser Werte erkannt und – insbesondere auf Bestreben von Teodor Meleșcanu, dem er dafür explizit dankte – als einen der Schwerpunkte für die EU-Ratspräsidentschaft ausgewählt. Doch „Europa muss die Werte leben, die es sich auf die Fahne geschrieben hat“, mahnt der Minister. „Als Freund und Partner“ sei er besorgt, dass ausgerechnet die Auseinandersetzung über diese Werte in Rumänien seit eineinhalb Jahren Politik und Gesellschaft polarisiert. Nicht die Diskussion an sich, sondern die Härte der Auseinandersetzung, die zu gewalttätigen Konfrontationen geführt hat, sei Anlass zur Sorge. Bei der Stärkung des Rechtsstaats und der Suche nach einem Weg der Mitte bot er „jede denkbare Unterstützung der Bundesregierung“ an und empfahl die international anerkannten Experten der „Venedig-Kommission“ als kompetente, ehrliche Vermittler. „Wir Deutsche brauchen ein geeintes und starkes Rumänien als Partner in Europa und der Welt – mehr als je zuvor!“
Sich gegen Spaltungen von außen wappnen
Eine weitere Herausforderung sei der Aufbau einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, „die diesen Namen verdient“. Neben den Rissen im Inneren gilt es, sich gegen Spaltungen von außen zu wappnen: China – 2017 Deutschlands wichtigster Handelspartner – verfolgt klare machtpolitische Ambitionen in Mittel- und Osteu-ropa. Subregionale Formate wie 16+1 (eine Initiative von China zur Kooperation mit 11 EU Mitgliedern und 5 Balkanstaaten) dürften keine Abhängigkeiten schaffen, die die EU spalten. „Wir brauchen eine gemeinsame europäische Politik im Umgang mit China. Nur dann wird China uns als Partner auf Augenhöhe wahrnehmen.“
Weiter bekennt Maas: „Wir teilen Rumäniens Sorge darüber, dass Russland rund um das Schwarze Meer immer selbstbewusster auftritt.“ Eine neue europäische Ostpolitik zur gemeinsamen Verteidigung der europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung sei gefragt. Nicht ein Wiederbeleben des Kalten Krieges, sondern ein Verhältnis zu Russland, das garantiert, dass sich die Russen im Falle eines größeren Konfliktes außerhalb Europas einer konstruktiven Lösung nicht widersetzen.
„Eigenständig für Stabilität in der Nachbarschaft sorgen“, müsse Kernziel europäischer Außenpolitik sein. Dazu gehöre auch die Aussicht auf den EU-Beitritt für die Staaten des westlichen Balkans. „Wenn diese den Glauben an ihre Beitrittsperspektive verlieren, dann werden andere in diese Lücke stoßen – nicht unbedingt zum Vorteil Europas“, warnt Maas.
Auch der Aufbau einer zivilen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, etwa in Form eines gemeinsamen Stabilisierungscorps, das Experten aus allen Mitgliedsländern – Juristen, Polizeiausbilder, Mediatoren – schnell mobilisieren kann, sei nötig.
Als wichtigen Schritt zur Vernetzung Mittel- und Ost-europas bezeichnete Maas die Drei-Meere-Initiative „Trimarium“ (eine 2016 auf Initiative Polens und Kroatiens ins Leben gerufene Zusammenarbeit der Länder zwischen der Adria, der Ostsee und dem Schwarzen Meer zu Politik, Wirtschaft, Infrastruktur, Ener-giepolitik und Sicherheit), in der Rumänien eine Führungsrolle übernommen habe. Die Einladung von EU-Kommissionschef Juncker zum Gipfel nach Bukarest sei ein wichtiges Zeichen dafür gewesen, dass die Initiative nicht zur Spaltung der EU beitragen soll. „Dazu kann ich nur gratulieren, das ist ein Ausdruck vorausschauender Außenpolitik.“
„Wenn ich von einem souveränen und starken Europa spreche, dann geht es mir nicht darum, ‘Europe First’ gegen ‘America First’, ‘Russia First’ oder ‘China First’ zu setzen, Europa taugt nicht zur Wagenburg gegen den Rest der Welt“, resümiert der Minister. Vielmehr gehe es um Kooperation und die Fähigkeit zum Kompromiss, nach innen wie nach außen.