Unterstützer, Komplize, Idiot

Randbemerkungen

Viele Sprach- (und Geschichts-)Forscher sind sich darüber einig, dass die Bezeichnung (vor allem) der Intellektuellen als „nützliche Idioten“ auf den mündlichen Sprachgebrauch Lenins zurückgeht – geben aber auch zu, dass er diese Bezeichnung nie schriftlich benutzt hat (andere halten Karl Radek für den Schöpfer). Fakt ist, dass Lenin – nach einstimmigen Zeitzeugenberichten – keinerlei Achtung vor den „fortschrittlichen“ Intellektuellen des Abendlands hatte, denen er vor allem Taten- und Wirkungslosigkeit vorwarf und die er für „nützlich“ befand, weil sie sich von der sowjetischen/russischen Propagandamaschine be-nutzen ließen.

Daran muss man denken, wenn man erfährt, wie viele „nützliche Idioten“ die Sowjetunion seit ihrer Gründung in ihrem Inland „produziert“ hat – die immer noch mehrheitliche Zustimmung der Russen zu Putins Aggression gegen die Ukraine kann nur die Denke „nützlicher Idioten“ sein – aber auch, wie groß die Zahl westlicher „nützlicher Idioten“ ist, die mit Pu]in und dem Vorgehen Russlands gegen die zivilisierte(re) Welt sympathisieren. In diesem Kontext sei – leider nicht nur nebenbei – bemerkt, dass die Novellierungsvorlagen der Unterrichtsgesetze des wegen Plagiatsnachweis zurückgetretenen Bildungsministers Sorin Câmpeanu (der sich gern hinter die Präsidialinitiative des „Gebildeten Rumänien“ duckte) in hohem Maß auch Voraussetzungen zur Heranbildung „nützlicher Idioten“ beinhalten.

Die „unbewussten Diener des Despotentums“, wie man die „nützlichen Idioten“ noch nennen könnte (und sollte), finden sich auch in unserem westlichen Nachbarland, genauso wie in Italien, Frankreich, Schweden, Deutschland (und die Liste erweitert sich quasi „von selber“ rasant...). Der heutige „nützliche Idiot“ steht unter keiner Lebensbedrohung, niemand hält ihm die Pistole an die Schläfe oder seine Familie über dem Krokodilbecken. Aber er spannt sich mit Elan für Ideologien, Führer und Propagandachimären ein, die ihm vorgegaukelt werden. Für mich ist auch Donald „Unberechenbar“ Trump ein solcher „nützlicher Idiot“ (nicht zufällig nannten ihn u.a. CIA-Chef Michael Hayden und Ex-Außenministerin Madeleine Albright „Putins nützlicher Idiot“...).
Die Blendung, der die „nützlichen Idioten“ unterworfen sind, führt dazu, dass sie Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen ein geregeltes Zusammenleben der Völker jederzeit zu entschuldigen bereit sind – wenn sie sich nicht gar dafür bezahlen lassen (und damit selber zu Verbrechern werden).

Man kann dafür auch eine schöne und sogar weise Entschuldigung beim seit Juli 100-jährigen französischen Philosophen Edgar Morin (d.i. Edgar Nahoum) finden, der sich zu seinem 100. das Buch „Die Lehren des Lebens“ („Les lecons de vie d`Edgar Morin“) geschenkt hat. Er schreibt: „...die Geschichte der Menschheit ist immer verständlich, nachvollziehbar, nachdem die Ereignisse vorüber sind und sie ist immer unvorhersehbar, bevor die Ereignisse eintreten...“. Überdenkt man aber dieses Morin-Zitat genau, dann muss man sich nach mehr als acht Monaten Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine fragen, ob die „nützlichen Idioten“ denn total hirnlos oder gar denkfremd sind? Denn viele „Ereignisse“ im Sinne von Morin sind bereits vorüber. Zur Erklärung einer solchen Blindheit kommt man genau auf das, was auch an den Novellierungen der Bildungsgesetze aus dem Brauhaus Câmpeanu/Johannis fehlt: Das kritische, unabhängige, kreative Denken ist abwesend.

Und ist genau das, was einem „nützlichen Idioten“ fehlen muss, damit man ihn mit Erfolg instrumentalisieren kann. Thierry Wolton hat in seiner dreiteiligen Weltgeschichte des Kommunismus das dritte Buch „Die Komplizen“ übertitelt. (Teil I: „Die Häscher“, Teil II: „Die Opfer“).

„Nützliche Idioten“ sind zweifelsohne „Komplizen“ der „Häscher“, implizite also nolens-volens auch Feinde der „Opfer“.