Bei 30 Grad im Schatten ist es Frühling, hohe Luftfeuchtigkeit, ein Flughafen mit Menschengetümmel und eine Rundfunkjournalistin, die freiwillige Arbeit in ihrem Urlaub leisten will – so in etwa stelle ich mir die Ankunft von Monica Strava vor, als sie zum ersten Mal indischen Boden betrat.
Die Journalistin der deutschen Sendung von Radio Bukarest hatte sich entschieden, ihren Urlaub in diesem Jahr als Volontärin in einem Waisenheim in Indien zu verbringen. Und wer sie kennt, weiß, wieviel Kleidung sie dabei hatte: Vor allem auf der Rückreise, nach den Einkäufen vor Ort. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen hat Monica Strava aus Indien mitgebracht – sie weiß nun, dass man „in den Tag hineinleben kann“, in einem Land, in dem Arm und Reich so weit auseinander sind, wie kaum irgendwo anders – und bei der vielgereisten Journalistin will das was heißen.
Mediascherin auf Volontär-Weltreise
„Ich bin Rumänin“, sagt Monica Strava in gepflegtem Deutsch. „Ich bin in Mediasch/Mediaş unter Deutschen aufgewachsen“, erklärt sie. Nostalgie ist unverkennbar, wenn sie vor dem Pädagogischen Lyzeum in Hermannstadt/Sibiu steht. „Irgendwie waren wir Konkurrenten“, erzählt sie und bezieht sich auf das Brukenthal-Gymnasium, das in unmittelbarer Nähe liegt. Aus den beschaulichen siebenbürgischen Städten verschlug es sie nach Bukarest. Die ihr eigene, innere Ruhe reflektiert ihre siebenbürgische Heimat.
Manchmal aber kommt die Bukarester Dynamik zum Vorschein – eine Dynamik, die (noch) nicht in Hektik umgeschlagen hat.
Der bekannte Sportberichterstatter Ştefan Alexiu gab der damals 22 Jahre alten Lehrerin vor dreizehn Jahren den ersten Impuls, es doch mit Journalistik zu versuchen. Seither moderiert sie durchschnittlich zweimal pro Woche die deutsche Inlandssendung von Radio Bukarest. Nachrichten, Berichte und Reportagen bringt sie in den Äther. „Wir sind ein sehr gutes Team“, sagt sie über ihre drei Redaktionskollegen beim Radio. Konkurrenzkämpfe und Eitelkeiten kennt sie nicht.
Über das Berliner Büro der NGO „Projects Abroad“ kam Monica Strava nach Indien, um dort als Volontärin in einem Waisenheim zu arbeiten. „Ich wollte so etwas schon seit Längerem machen“, sagt die Journalistin über ihre Bewerbung als Freiwillige im südindischen Gandhigram bei Madurai. Auch die Tatsache, dass sie ihr Unterfangen selbst finanzieren musste, nahm sie in Kauf. Eigentlich erfahre ich nur am Rande, dass sie selbst dafür Geld hingelegt hat – andere Aspekte waren ihr weitaus wichtiger.
„Ausschlaggebend für diese Entscheidung war wohl der Lehrerberuf“. Anfänglich vermittelte „Projects Abroad“ nur Englischlehrer für die Ostblockstaaten, heute fördert die Vereinigung Volontärprojekte in der ganzen Welt.
„Ich habe mich nicht auf das Unterfangen vorbereitet“, meinte Monica. „Ich wollte alles ganz einfach auf mich zukommen lassen.
Indische Mentalität ist schwer verständlich
Mehr Komfort hätte sich die Volontärin gewünscht, doch „das Essen war gut“. Und: „Man geht mit vielen Vorurteilen nach Indien“, sagt die Journalistin, die am Vormittag im Krankenhaus des Waisenheims tätig war, am Nachmittag den schulpflichtigen Kindern bei den Hausaufgaben half und mit den Kleinen spielte. „Von den Englischkenntnissen, die wir vermitteln, profitieren die Inder am meisten. Längst sind sich diese bewusst, dass sie eine Wirtschaftsmacht sind“. Auch wenn allein im Süden der Lebensstandard über dem Durchschnitt liegt.
„Europäer gehen doch mit großen Vorurteilen nach Indien“, meint Monica Strava. Außerdem haben viele Ausländer mit der passiven indischen Mentalität zu kämpfen, die sich im Waisenhaus, in der Rolle der Frau und ganz allgemein in der Stadt beobachten lässt. „Ich kann das Mentalitätsproblem nicht erklären. Vielleicht hängt es auch mit der Bevölkerungsdichte und mit dem Klima zusammen...“.
Nur Negatives ist jedoch über Indien nicht zu berichten. Zwar lebt vor allem im Norden des 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Landes eine vorwiegend arme Bevölkerung, aber „das Land ist viel entwickelter, als man glaubt“, fügt Monica Strava hinzu. „Die Infrastruktur ist zum Teil ganz in Ordnung und durch die Globalisierung kann man ganz einfach alles kaufen.“
Nur Bahnfahren ist ein Abenteuer
Wenn sie über Bahnfahrten erzählt, wird ihre Stimme auf einmal lebhafter. Theatralisch wie in einem Hörspiel gibt sie die erlebte Hektik wieder. Bahnfahrten seien wahre Abenteuer, sagt die Journalistin aus Bukarest. Man nimmt wenig Rücksicht auf Mitreisende oder auf die Umwelt, so etwa könnte man das in gedrängter Form zusammenfassen. Wie schwer es manchmal für sie gewesen sein muss, zeigt allein schon der Hinweis: „Es ist eine Genugtuung, es geschafft zu haben, zu bleiben“. Ihre Augen haben dabei einen ganz besonderen Glanz.
Doch es gab auch angenehme Erlebnisse während dem einmonatigen Volontärsaufenthalt. Sie berichtet von Wochenendausflügen auf ausgedehnte Mango- und Teeplantagen, von einem richtigem Bad und Toilette im Hotel. „Toilettenpapier gibt es in Indien nur in teuren Hotels“, schmunzelt die Mediascherin.
Mehr Einblick als ein Tourist
Die Kinder im Waisenhaus sind an Volontäre gewöhnt. „Sister“ nannten sie alle, denn ihren Namen konnten die indischen Kinder nicht aussprechen. Sie selbst hat nur die Grußformeln und die Farben gelernt. „Eine schwierige Sprache“, findet die sonst sprachgewandte Monica.
Das gesamte Umfeld, aber auch die Beteiligung an einer Hochzeit haben Monica Strava ein paar Eindrücke vom indischen Alltag beschert. „Einen Einblick dieser Art in Gesellschaft und Kultur der Inder hätte ich als Tourist nicht bekommen. Unzählige Male wurde ich über Familie und Familienstand ausgefragt. Inder definieren sich ganz einfach über die Familie“. Sie hat auch das Gemüt der Inder – die zu 80 Prozent Hindi sind – kennengelernt. Von Natur aus stolz, tragen sie ihre traditionelle Kleidung und die Kinder singen und tanzen ständig. „Sie legen eine andere Art von Zufriedenheit an den Tag“, bekennt Monica Strava.
Das exotische Unbekannte scheint sie besonders angezogen zu haben. Denn irgendwann will sie wieder nach Indien, und erneut über ein Volontariat. Trotzdem: Ihren Aufenthalt in diesem Jahr hat sie um zwei Tage früher abgebrochen...