Auf einen Baum klettern, in einer Pfütze toben, im Regen und Morast spielen, so viel wie möglich im Freien sein – das brauchen Kinder. Viele wissenschaftliche Studien belegen, dass die Kleinen mindesten drei bis sechs Stunden am Tag draußen sein müssten, um sich gesund zu entwickeln. Das ist in der heutigen, modernen Welt kaum noch möglich. Gerade Stadtkinder, die mit dem Auto in den Kindergarten und in die Schule gebracht werden, stundenlang in geschlossenen Räumen sitzen und zu Hause die Zeit passiv vor Computer und Smartphones verbringen, haben kaum noch Gelegenheit, uneingeschränkt draußen zu spielen, ihre Umwelt zu erkunden. Dagegen wollten vier junge Mütter aus Neumarkt/Tg. Mureş etwas unternehmen. Da sie keinen Kindergarten gefunden haben, wo ihre Kinder täglich mindestens drei Stunden am Tag an der frischen Luft sein können, gründeten sie einen Waldkindergarten, den ersten dieser Art im Verwaltungskreis Mureş. Die Idee stammt aus Skandinavien, wo es schon in den 50er Jahren so eine Einrichtung gab. Seit 30 Jahren sind sie in Deutschland sehr populär, aber es gibt Waldkindergärten auch in Rumänien, z. B. in Klausenburg/Cluj und Kronstadt/Braşov. Das Prinzip ist in jedem dieser Kindergärten das gleiche: so viel Zeit wie möglich im Freien zu verbringen, auf der Wiese, im Wald. Fast alle Aktivitäten vom Spielen bis zum Essen, oft auch das Schlafen werden draußen gewährleistet. Der Aufenthalt in der Natur hat positive Auswirkungen auf die kindliche Motorik, Wahrnehmung und Konzentration. Befürworter der Waldkindergärten sind der Meinung, dass Kinder, die genügend Zeit in der Natur verbringen, gesundheitlich stabiler sind und sich schneller entwickeln als Kinder, die einen Regelkindergarten besuchen.
Anitta Blizik hat viel Erfahrung im Bereich der Outdoor-Aktivitäten und konnte als Erlebnispädagogin bei der Organisation Outward Bound oft erleben, welche befreiende Wirkung die Tätigkeiten in der Natur auf Kinder haben. Als sie selbst Mutter wurde, hat sie ihr liebstes Hobby, das Wandern, nicht aufgegeben, sondern traf sich im naheliegenden Wald wöchentlich mit ihren Freundinnen, die ebenfalls ihre Babies und Kleinkinder im Tragetuch mitbrachten. Daraus wurde eine regelrechte Bewegung, immer mehr Mütter und ihre Kinder gesellten sich dazu. Im Wald wurde gespielt, erkundet, Informationen ausgetauscht. Irgendwann entstand der Wunsch, aus den wöchentlichen Aktivitäten etwas Regelmäßiges zu organisieren, um den Kindern die Möglichkeit zu bieten, täglich an der frischen Luft zu sein. Zusammen mit der Psychologin Aliz Gál, der Managerin Katalin Pongrácz György und der Theaterpädagogin Tünde Magdás gründete Anitta Blizik den Verein „Peter Pan Forest Kids“ und sie suchten für ihr gemeinsames Projekt ein geeignetes Grundstück.
In Tofalău, 8 km von Neumarkt entfernt, haben sie den idealen Ort gefunden, gleich neben dem Wald. Hier befindet sich ein Bauernhaus, samt großer Scheune, denn auch ein Waldkindergarten braucht eine heizbare Unterkunft, in welcher Kinder und Erzieher bei sehr schlechten Witterungsbedingungen Schutz und eine Aufenthaltsmöglichkeit finden. Mit der Hilfe von Freiwilligen legten die jungen Frauen und ihre Familien Hand an, reinigten das Gelände und den Wald, richteten Spielecken mit Naturgegenständen ein, pflanzten Blumen. Mitte Mai war es soweit, dass sie einen Tag der offenen Tür organisieren konnten, zu dem alle Interessenten eingeladen wurden. Der Andrang hat selbst die Organisatorinnen überrascht, erst mit dieser Gelegenheit wurde sichtbar, wie groß der Bedarf für ähnliche Initiativen ist. Zurzeit laufen die Einschreibungen für die zwei Kindergartengruppen, die im Herbst den Unterricht anfangen sollen. Finanziell soll sich der Waldkindergarten durch die Elternbeiträge und Spenden tragen.
Doch die Gründerinnen sind optimistisch, dass sie viele Familien mit ihrer Idee begeistern können. Sie sind auch fest davon überzeugt, dass die Kinder, die im Waldkindergarten einige Jahre verbringen, auch später ein ganz besonderes Verhältnis zur Natur haben werden, diese auch als Erwachsene lieben und beschützen werden.