Am 5. Dezember 1896 wurde Kronstadt zur ersten Stadt Siebenbürgens, in der ein Film gezeigt wurde. Nur ein Jahr nach der ersten öffentlichen Filmprojektion der Brüder Lumiere in Paris flimmerten in der Villa Kertsch (heute steht an dieser Stelle das Modarom-Gebäude) bewegte Bilder über die Leinwand. 100 Jahre später, im Jahr 1996, funktionierten in der Stadt unter der Zinne noch sieben Kinos: Patria, Astra, Modern, Bulevard, Cosmos, Popular und Arta. Bei den Vorstellungen der großen Oscar-Produktionen musste man sogar gegen Ende der 90er Jahre Schlange stehen.
In nur wenigen Jahren sollte sich aber alles ändern. 2010 wurde Modern, das letzte öffentliche Kino in Kronstadt, geschlossen. Im Saal funktionierte nachts eine Disko, während des Tages sah man die Filme auf einer großen Leder-Couch im Zigarettenrauch. Vier Jahre lang gab es in Kronstadt nur drei kleine private Kinosäle in der „Eliana“ Mall. Während der Woche standen sie meist leer. Da es im Zentrum kein einziges Kino mehr gab, fanden zwischen 2010 und 2014 viele Projektionen in der Redoute, in der Mansarde des „Baiulescu“-Hauses auf der Postwiese, in der Mediathek der Kreisbibliothek und in verschiedenen Bars und Cafés statt. Inzwischen steht es besser um die Stadt: es gibt 12 Kinosäle, im Sommer verwandelt sich der Marktplatz für eine Woche in ein riesiges Open-Air Kino, berühmte Festivals aus Klausenburg oder Bukarest bringen eine Filmauswahl nach Kronstadt und einige Festivals wie das Horror und Fantasy-Festival „Dracula Film“ oder „48h Film Project“ werden sogar hier organisiert. Ob versunken im Plüschsessel, mit riesigen Popcorn-Tüten und Cola-Pappbechern einen 3 D Film mit „Dolby Surround“ anschauen, in einem kleinen Saal einen Klassiker der Filmgeschichte sehen oder abends in einer Bar eine gute Komödie genießen – all das ist jetzt in Kronstadt möglich.
Klassiker und Kult-Filme im Patria-Saal
Laut den Auswertungen des letzten Kultur-Barometers, einer landesweiten Umfrage, die im März dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, geht 75 Prozent der rumänischen Bevölkerung nie ins Kino. Das ist verständlich, da es in den kleineren Städten oder auf dem Land kein Kino gibt. Aber auch Leute, die in Großstädten wohnen, schauen die Filme lieber im Fernsehen oder laden sie aus dem Internet herunter, noch bevor sie in die Kinos kommen - in Rumänien wird dafür noch niemand bestraft. Im Zeitalter des Internets geht alles online - auch Filme schauen. Dank der hiesigen guten Internetgeschwindigkeit kann man diese problemlos anschauen, ohne dass die Wiedergabe stockt.
Trotzdem sind Kinofilme - ob neu oder alt - dafür gemacht, um auf der großen Leinwand gesehen zu werden. An das haben auch die Initiatoren des Projekts „Cinemateca Patria“ (das Bürgermeisteramt Kronstadt zusammen mit dem Kulturverband „Fanzin“) gedacht, als sie vor einem Jahr den kleinen Saal mit 72 Sitzplätzen eröffneten. „Patria“ war einst das größte Kino Kronstadts. Mit europäischen Mitteln hat das Bürgermeisteramt es geschafft, den verwahrlosten Saal in ein Kulturzentrum umzugestalten. Seit 2013 finden im großen Saal die Konzerte der Kronstädter Philharmonie statt. Der kleine Saal, der im April 2014 eröffnet wurde, ist für Filmprojektionen gedacht. Jeden Abend findet hier eine Filmprojektion statt: Montag ist der Tag des Europäischen Films, dienstags werden Kultfilme gezeigt, mittwochs Dokumentarfilme, donnerstags klassische Komödien und der Freitag ist rumänischen Filmen gewidmet. Am Wochenende finden am Vormittag Vorstellungen für Kinder statt, während die Abende großen Regisseuren und Oscar-Preisträgern gewidmet sind. Für die Auswahl der Filme ist der Kritiker Alin Ludu Dumbravă zuständig.
Gespräche mit dem Publikum
Im Falle der neuen rumänischen Produktionen sind meistens die Regisseure eingeladen, um nach dem Film mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Im letzten Jahr haben in der Patria-Kinemathek auch kleinere Festivals stattgefunden: Liebesfilmfestival, polnische oder tschechische Filmtage, „Otaku“-Festival, Dokumentarfestivals. Die Vorstellungen beginnen meist um 19 Uhr. Der Preis einer Eintrittskarte beträgt meistens 10 Lei, es gibt aber manchmal auch Gratis-Vorstellungen. Die Karten können sowohl online als auch am Abend der Vorstellung erworben werden. Mehr Infos unter: http://cinematecapatria.ro/
Früher gab es in der Mansarde des Baiulescu-Hauses den „Cineclub“, vom Verein „KunStadt“ veranstaltet. Im Rahmen dieser Treffen wurden junge Regisseure aus Bukarest eingeladen, um ihre Kurzfilme vorzustellen. Die Veranstaltung gewann relativ schnell sein Stammpublikum - um die 50 Leute, die meisten im Studentenalter. Momentan ist noch nicht klar, ob „Cineclub“ weiter organisiert wird.
Popcorn und Pappbecher gehören dazu
Wer brandneue Hollywood-Produktionen, aber auch preisgekrönte europäische Filme sehen will, kann in die beiden Shopping Malls „Eliana“ und „Coresi“ im Bartholomäer- bzw. Tractorul-Viertel gehen.
Lange Zeit konnten die Kronstädter nur bei „Eliana“-Mall Filme sehen. Die drei Säle im „Cityplex“-Kino haben je 81 Sitzplätze und gemütliche Plüschsessel. Abends ist das Kino meistens sehr gut besucht. Eine online-Reservierung ist empfohlen. „Danke, dass Ihr nicht nur im Internet Filme schaut“, steht auf der Webseite des Kinos. Das Besondere am Privatkino ist, dass hier oft europäische Produktionen zu Spezialpreisen gezeigt werden.
Ab und zu gibt es sogar Gratis-Vorstellungen zur Vorpremiere (wie zum Beispiel „Ein Pass für Deutschland“, der Dokumentarfilm über den Verkauf von 246.000 Rumäniendeutschen an die Bundesrepublik Deutschland während des Kommunismus, oder „Le Meraviglie“, ein italienischer Film mit einer jungen rumänischen Darstellerin - Alexandra Lungu- der in Cannes preisgekrönt wurde). Dienstags ist Studententag (für Studenten kosten alle Karten 10 Lei) und wer montags mit seiner Mutter ins Kino kommt, zahlt nur den halben Preis für die Eintrittskarten. Das Programm und Infos über die Preise können unter brasov.cityplex.ro abgerufen werden. Im Fall einer Online-Reservierung muss man die Karten 30 Minuten vor der Vorstellung kaufen, sonst geht die Reservierung verloren. Ein Minuspunkt des Cityplex-Kinos ist, dass die Säle nicht gut phonisch isoliert sind. Bei vielen Vorstellungen kann man den Ton aus den Filmen im Nachbarsaal mithören und das kann manchmal ärgerlich sein.
Strenge Kontrolle bei „Cinema One“
Das neueste Privatkino Kronstadts (Infos unter www.cinemaone.ro) wurde vor knapp drei Wochen in der neuen „Coresi Shopping Mall“ eröffnet. Hier gibt es acht Säle (der größte hat 333 Sitzplätze, der kleinste 92). Beim Eingang wird man streng kontrolliert - man darf keine Lebensmittel in den Kinosaal mitnehmen, die man außerhalb gekauft hat. Popcorn, Cola, Chips oder Schokolade dürfen nur vom Buffet am Eingang erworben werden. Auch hier kann man die Karten online reservieren und seinen Sitzplatz wählen. Die Webseite des Kinos wird jedoch etwas langsam geladen und funktioniert auf Smartphones und Tablets eher schlecht. Die Säle sind gut phonisch isoliert, Ton und Bilder sind kristallklar und die Sitze sehr gemütlich. Nach dem Film sieht man aber dasselbe traurige Bild wie bei „Cityplex“: Popcorn überall im Saal verstreut, Pappbecher am Boden, Plastiktüten und Pappbehälter mit Sauce und Chips auf den Stühlen. Leider nutzen nur wenige Leute den Müllkorb am Ausgang. Der Preis einer Eintrittskarte für Erwachsene fängt bei 15 Lei an.
Alternative Kino-Säle und Festivals
Es gibt auch Alternativen zu den drei Kinos in der Stadt. In der Redoute finden häufig Filmfestivals statt. Am 25. April starten hier die deutsch-französischen Filmtage. Das Festival wurde 2010 als „Deutsche Filmtage“ vom Deutschen Kulturzentrum Kronstadt zum ersten Mal organisiert, seit 2013 kamen französische Produktionen dazu. Andere Filmfestivals sind „Tres Courts“ (Kurzfilme, die weniger als drei Minuten dauern, „Die lange Nacht der kurzen Filme“ (im Sommer werden ab 20 Uhr bis 4 Uhr morgens Filme gezeigt), Best of AnimEst“ (ausgewählte Beiträge aus dem bekannten Bukarester Animationsfestival) oder „48 h Film Festival“, das in Kronstadt organisiert wird. Auch bei der Kreisbibliothek und bei der Okian-Buchhandlung finden ab und zu Filmprojektionen mit französischen oder britischen Spielfilmen statt.
Auch in Bars und Cafés kann man Leinwandgeschichten sehen: „Tipografia“ in der Diaconu-Coresi Straße zeigt oft Stummfilme mit Live-Musik und bei „Bazar Pub“ in der Langgasse finden sonntags Filmabende statt. Auch beim „Sică Alexandrescu“-Dramentheater kann man Filme sehen, und zwar im Herbst, zu Halloween. Das „Dracula Film Festival“ wird in diesem Jahr zum dritten Mal organisiert. Eigentlich muss man nicht unbedingt hingehen: jeder große Kinofilm kommt relativ schnell ins Internet oder auf DVD, und man kann ihn gemütlich auf der Couch ansehen. Zuhause gibt es aber keine riesengroße Leinwand, keine komplette Dunkelheit und kein Popcorn-Geruch. Eben kein wirkliches Kino-Erlebnis. Filme auf großem Bildschirm zu sehen, bleibt weiterhin authentischer und schöner.