Wege entstehen im Gehen

Am 28. Dezember 1994 fiel eine Entschiedung, an die 30 Jahre später in der Landeskirchenversammlung (LKV) mit folgender Rede erinnert wurde

Meine Damen und Herren, sehr verehrte Mitglieder der Landeskirchenversammlung, wir feiern 30 Jahre seit die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien beschlossen hat, Frauen zu ordinieren. Ich muss das präziser ausdrücken: Es sind 30 Jahre her, seit die Landeskirchenversammlung, dieses Gremium,  die oberste Leitung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, diesen historischen Beschluss gefasst hat. Wie kam es dazu?

Bereits in den 1930er Jahren wurden Frauen zum Theologiestudium zugelassen. Ihnen stand vornehmlich der Weg ins Lehramt offen. In den 50ern haben wieder Frauen Theologie studiert, da war es der Staat, der dieses verbot und den Frauen den Zugang zum Pfarramt verwehrte. Man spricht von Wegbereiterinnen für die Frauenordination. Sie waren es auch, selbst wenn die Bezeichnung wenig erzählt von dem Schmerz empfundener und behinderter Berufung, die manch eine erlebt habt. Als im Herbst 1989 zwei Studentinnen Theologie zu studieren begannen, war es immer noch nicht klar, ob sie ins Pfarramt gehen dürfen werden. Die Kirche hat sich mit ihren diesbezüglichen Beschlüssen Zeit genommen. 

Wege entstehen im Gehen.

Das Thema der Ordination von Frauen ist theologisch sorgsam bearbeitet worden. Die Gemeinden haben beraten, ebenso die  Bezirkskonsistorien; die die Erkenntnisse in die Kirchenleitung einbrachten. Dieser sorgsame und lange Diskussionsprozess hat schließlich zu dem Beschluss der 58. Landeskirchenversammlung  vom 28. Dezember 1994 geführt, der besagt: 

Die Landeskirchenversammlung beschließt, dass in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien Frauen zum geistlichen Amt ordiniert werden können und ermächtigt den Bischof zu solchem Handeln.

Die Landeskirchenversammlung beschließt, dass die ordinierte Pfarrerin dem ordinierten Pfarrer in allen Rechten und Pflichten gleichgestellt ist.

Warum ist das wichtig? Ich bin sicher, Sie können aus dem Stegreif mindestens einen Grund nennen, warum Sie persönlich den Beschluss Ihrer Kollegen vor 30 Jahren wichtig finden. Mir fallen drei Gründe ein:

Die Landeskirchenversammlung hat mit dem denkwürdigen Beschluss festgelegt, dass  Frauen gleichwie Männer Zugang haben zu theologischer Bildung und zum Beruf, der unmittelbar nach diesem Studium folgt. Das ist symbolisch für alle Frauen wichtig, scheint mir, nicht nur für jene, die diesen eröffneten Weg gehen werden. Und es kommt auch nicht nur ihnen zugute.

Die Landeskirchenversammlung hat wichtige theologische Erkenntnisse in Kirchenrecht umgesetzt. Sie hat mit dem Beschluss, Frauen zu ordinieren, eine Veränderung der Kultur des Miteinanders eingeleitet. 

Die Landeskirchenversammlung hat uns damals herausgefordert, unsere Kirche als Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu neu zu verstehen. Wir sehen neu auf Jesus, wie er mit Frauen umgegangen ist. Er ist es auch, unser Herr, der die Zeuginnen der Auferstehung aufgefordert hat in die Welt zu gehen und die gute Nachricht zu predigen. 

Wege entstehen im Gehen.

Es ist gut, manchmal stehen zu bleiben und zurück zu blicken, um zu sehen, wo wir angekommen sind. Das haben wir gemacht.  Das ganze Jahr hindurch.

Wir haben dabei Meinungen zusammengetragen, Interviews geführt, Porträts verfasst. Entstanden sind etliche Reihen, vielleicht haben Sie den einen oder anderen Beitrag auf der Webseite der Landeskirche gelesen. 

Wenn Sie die Protokolle des Jahres 1994 durchblättern, fällt Ihnen auf,  dass die Diskussion über die Einführung der Ordination von Frauen damals nur Männer geführt haben. 30 Jahre später kommen Frauen zu Wort. Das finde ich großartig, dass wir jetzt die Gelegenheit haben zu hören:  Wie ist das für Frauen gewesen,  welches waren ihre Erfahrungen, und was bedeutet das für die Kirche. 

Großartig finde ich auch, dass dieser Prozess hinüberreichte zu den anderen Kirchen in Rumänien. Wie war das bei Euch? Wie kam es dazu, dass Ihr Frauen ordiniert? Oder – wie im Falle der orthodoxen und der katholischen Kirche – wie kommt es dazu, dass Ihr Frauen die Ordination verweigert? Auch das haben wir dokumentiert, zum ersten Mal in dieser Fülle. Das ist unser Beitrag zu der neueren Kirchengeschichte unseres Landes.  

Eine glückliche Fügung war unser Jubiläum im Vorfeld der Vollversammlung der GEKE. Dadurch konnten wir mit einem relativ geringen Aufwand ein Fest international ausrichten. Anders ausgedrückt: mit den geringen Kräften, die uns zur Verfügung stehen, konnten wir auf diese Art das Jubiläum überhaupt international ausrichten, und ökumenisch noch dazu. So konnten wir unsere Geschichte ansatzweise in einen europäischen Kontext setzen und haben uns selber besser verorten gelernt.

Dann kamen auch die Wortmeldungen aus verschiedenen Ecken des Lutherischen Weltbundes LWB, die hereinflatterten, wie Glückwunschkarten zum Geburtstag. Manchmal denke ich, es ist schon fast zuviel. Meine Kolleginnen und ich stehen davor erstaunt, überrascht und dankbar. Und das ist es, was dieses Jubiläum auch mit sich brachte, dass Menschen aus unerwarteten Ecken der Welt sich mit uns verbunden haben, und mit uns diese Feier begangen haben. 

Und noch etwas: der LWB spricht von „Kirche sein im öffentlichen Raum“. Das will ich hierfür bemühen: die Stellungnahmen haben die Frage der Ordination von Frauen in einer solchen Fülle von Argumenten gewürdigt, wie ich es in dieser Weise im öffentlichen Raum noch nicht erlebt habe. 

Immer noch  erreichen mich Nachrichten aus anderen Kirchen, wie sie das inspiriert für eigenes Reden und Handeln. Einer von ihnen ist Pfarrer Peter Demuth, der sich in seiner Kirche, der Lutherischen Kirche Australiens, für die Ordination von Frauen einsetzen wollte, und sich Inspiration und Argumente von evang.ro, unserer website holen konnte.

Wir feiern 30 Jahre seit die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien beschlossen hat, Frauen zu ordinieren. Dass wir jetzt hier sind, dieses Jubiläum unserer Kirche begehen, das verdanken wir der Landeskirchenversammlung. Dafür möchte ich von Herzen Danke sagen. 

Es ist dieses, Ihr Gremium, welches sich damals wie heute Zeit nimmt, in schwierigen Fragen theologische Klärungen vorzunehmen, demokratische Entscheidungsprozesse zu initiieren und beherzte Beschlüsse zu fassen. Damals wie heute bedarf es Menschen wie Sie es sind, die Entscheidungen fassen, wo es noch nicht klar ist, wohin das führt. Die in aller Unsicherheit Gott vertrauen und zuversichtlich in die Zukunft blicken, denn: Wege entstehen im Gehen. 

Elfriede Dörr 


Lesen Sie im Anschluss auch die Erinnerungen von LKV-Mitgliedern, die damals dabei waren

Eine Notwendigkeit 
An die Sitzung der Landeskirchenversammlung, wo die Ordination von Frauen beschlossen wurde, habe ich keine genauen Erinnerungen. Ich war ganz sicher dafür, das weiß ich. Es war mir ein Anliegen, weil ich ja auch betroffen war. Als es dann beschlossen wurde, dass Frauen Pfarrerinnen werden durften, kam ein Kurator aus einer kleinen Gemeinde zu uns, um mich aufzufordern, ihre Pfarrerin zu werden. Damals waren unsere Kinder ganz klein und es war nicht möglich, diesem Ruf zu folgen. Ich habe später Religionsunterricht in der Schule erteilt, das war mir dann Erfüllung genug. Ich habe viele gute Erinnerungen an diese Zeit. Als ich dann so voll drin war im Religionsunterricht, ist dann auch keine Anfrage mehr aus einer Gemeinde gekommen. 
Ich habe beim Weltgebetstag der Frauen mitgemacht und gelegentlich die Predigt gehalten. Das andere, das Pfarrerinsein, war dann einfach abgelegt. 

Dorothea Binder, damals als Mitglied des Landeskonsistoriums in der LKV 

Mut und Weitsicht
Die Landeskirchenversammlung im Dezember 1994, in der der Beschluss angenommen wurde, dass in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien auch Frauen ordiniert werden können, ist mir noch sehr lebhaft in Erinnerung. Ich nahm als Vertreterin des Kronstädter Kirchenbezirks daran teil. Eine gewisse Spannung lag in der Luft, die Wortmeldungen zu dem Thema wurden mit intensiver Aufmerksamkeit verfolgt. Wortgewaltiger Widerspruch kam mit großem Nachdruck von einigen Mitgliedern der Pfarrerschaft. An weltliche Vertreter der Landeskirchenversammlung, die sich dagegen ausgesprochen hätten, kann ich mich nicht erinnern.Der Beschluss wurde mit großer Zustimmung angenommen. Für mich selbst war das ein Zeichen der Normalität. Wenn man jetzt auf die Auswirkungen dieser Entscheidung zurückblickt, kann man sie nur befürworten. In unseren Gemeinden wirken Pfarrerinnen, die eine wertvolle Arbeit leisten und von den Gläubigen sehr gut angenommen werden. Unsere Kirche hat durch ihre Vertreterinnen und Vertreter damals Mut und Weitsicht bewiesen, als sie den Beschluss der Ordination von Pfarrerinnen gefasst hat.

Rohtraut Wittstock, damals als Vertreterin der Gemeinde Bukarest in der LKV 

Eine nötige und gute Entscheidung
Kurz und sachlich: 30 Jahre – eine lange Zeit, mein Gedächtnis nicht mehr das beste. Die Tagesordnung der LKV war uns schon vorher bekannt. Ich hatte mit Andreas Eitel und Anneliese Wopalka (Kirchenvater und -mutter) darüber gesprochen und meine Entscheidung FÜR die Frauenordination getroffen.
Ich glaube (zum Thema) in der Landeskirchenversammlung gesprochen und DAFÜR argumentiert zu haben. Ich erinnere mich, dass in der Sitzung mehrere der anwesenden Pfarrer dagegen argumentiert und gestimmt haben, auch mit Zitaten aus der Bibel.
Später habe ich anlässlich der „Stillen Tage“ der Studenten dazu einen Vortrag* gehalten. Ich bin auch heute fest davon überzeugt, dass die Landeskirchenversammlung eine nötige und gute Entscheidung getroffen hat und freue mich, dass Mediasch mehrere ordinierte Frauen im Dienst hatte und heute noch hat.

Hugo Schneider, damals als Bezirkskirchenkurator  des Mediascher Kirchenbezirkes in der LKV 

* Auszüge aus dem Vortrag 
Nach dem großen Exodus ab 1990 gerät unsere kirchliche Gemeinschaft in bedrohliche Personalnot. Und die Not gebärt üblicherweise Lösungen, z.T. auch ohne vorhergehende Verordnungen. Man wählt oder entsendet in die vakant gewordenen Ämter kirchlicher Verantwortung die Besten, die man hat. (...) Und in kirchlichen Ehrenämtern, die vorher ausschließlich von Männer besetzt waren, werden nun auch Frauen gewählt. Presbyterinnen stehen vermehrt auf den Wählerlisten, Kirchenväter weiblichen Geschlechts, Kuratorinnen, Frauen als Ansprechpersonen in Kleinstgemeinden.

Ich war und bin der Überzeugung, dass Frauenordination gut und notwendig ist. In den 10 Jahren, die seit der Zulassung der Frauen zu Ordination zum geistlichen Dienst vergangen sind, hat sich meine Überzeugung mehr und mehr gefestigt. Die Gemeindeglieder in meinem Umfeld haben die  Pfarrerinnen voll und ganz akzeptiert und ich habe hierbei keine bemerkenswerte Meinungsunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gemeindegliedern festgestellt. Interessanterweise akzeptieren auch die Angehörigen anderer Ethnien und Konfessionen unsere Pfarrerinnen. 

Aus Gesprächen mit Pfarrern und Pfarrerinnen aus Deutschland, Schweiz, Österreich, Ungarn, Karpato-Ukraine und anderen Ländern habe ich fast ausschließlich positive Meinungen zur Frauenordination gehört. Ebenso auch in Gesprächen mit Gemeindegliedern aus Ortschaften, die selbst Frauen als Pfarrerinnen gewählt haben.