Bukarest - Hauschka – der Name ist nicht unbekannt in Deutschland. Von einem Großteil der deutschen Bevölkerung wird er mit der Naturkosmetikmarke „Dr. Hauschka“ in Verbindung gebracht. Spätestens seit vergangenen Donnerstag steht „Hauschka“ in Rumänien allerdings nicht für handgemachte Gesichtscremes, sondern für handgemachte elektronische Musik. Der Düsseldorfer Künstler Volker Bertelmann, alias „Hauschka“, eröffnete mit einem Konzert im Bukarester Konservatorium das viertägige Rokolectiv-Festival.
Die Symphatie des Publikums hatte der Pianist schon mit der ersten Moderation. „Ihr könnt gerne eure Handys anbehalten, wenn ich den Klingelton kenne, spiele ich die passenden Harmonien dazu“, erwiderte er auf die Ansage der Organisation, die Handys sollten ausgeschaltet werden.
Als Hauschka die ersten Tasten anschlug, war man kurz verwirrt: Wo kommt diese Musik her? Zu hören waren nicht die gewohnten Pianoklänge, sondern sie erinnerten eher an einen Synthesizer. Doch dank einer Leinwandübertragung von Liveaufnahmen des geöffneten Flügels kam man schnell hinter das Geheimnis: Das Klavier wurde präpariert. Durch das Auflegen von Papier auf die gespannten Klaviersaiten, oder zwischen die Saiten gesteckte Drumsticks, schwingen diese anders. Es kommt zu ganz unterschiedlichen Klängen, zum Beispiel leicht schnarrenden, geräuschhaften Tönen oder dumpfen, perkussiven Schlägen, mit denen der Pianist eine Basslinie kreiert. Dabei kennt die Kreativität des Künstlers keine Grenzen. Sei es ein Schellenring, den er auf die Mittellage der Saiten auflegte oder eine Tüte voller Tischtennisbälle, die er großzügig in den Klavierinnenraum verteilte.
„Ich habe die bei Steinway mal gefragt, ob sie wissen, dass sie nur 20 Porzent der Klänge eines Pianos ausnutzen“, sagte der Pianist in einer Zwischenmoderation. Zugegeben, die Idee ein Klavier zu präparieren ist nicht neu und Hauschka wahrlich nicht der einzige, der dieses Experiment gewagt hat. Vor allem in der Neuen Musik hat diese Art der Klangerzeugung längst Einzug gefunden. Der bekannteste Komponist für präpariertes Klavier ist John Cage, seiner Idee folgten auch einige Minimalisten. John Cages Kompositionen aber sind sehr auf Klangeffekte ausgerichtet. Im Gegensatz zu der Natürlichkeit, die Hauschkas Musik ausstrahlt, wirken sie eher sperrig. Die repetiven Muster, die tonale, dreiklängige Harmonie und die formale Einfachheit erinnern stellenweise an den introvertierteren Komponisten Erik Satie. Ergänzt werden diese Einflüsse auf Hauschkas Schaffen von den Strukturen elektronischer Musik.
Ein Mikrofon nah an den Klaviersaiten verstärkte die durch die Bearbeitung zum Teil stark gedämpften Klänge. So konnte der Zuhörer die perkussive Basslinie gut hören, die in ihrer Gleichmäßigkeit und Monotonie Anklang an Technomusik nahm und als Stütze der meisten Kompositionen diente. Gleichmäßig pulsierende Läufe in den hohen Lagen ergänzten die tiefen Töne und es entstand eine stark rhythmisch geprägte Musik. Die Virtuosität von Volker Bertelmann zeigt sich genau an dem Punkt: die rhythmische, fast unnatürliche Exaktheit, wie bei maschinell erzeugter Musik.
Hauschka kreiert eine eigene Klangwelt und verbindet all das: die faszinierenden Experimente eines Cage mit der Ruhe eines Satie und den treibenden Puls von Techno.
Für diesen Stilmix gab es am Ende des Konzerts auch gebührende Standing-Ovations. Diese entstanden nicht, wie sonst üblich, dadurch, dass alle rausgehen wollten, sondern waren unmittelbarer Ausdruck der Faszination, die der Ausnahmekünstler durch seine Musik hervorrief.