Wir wissen, dass unser Leben zeitlich begrenzt ist, aber in dieser kurzen Zeit wollen wir in Sicherheit leben. Diesen unseren Wunsch wollen die Versicherungsgesellschaften erfüllen. Es gibt Versicherungen gegen Feuer, Wasser, Unwetter, Verkehrsunfälle und sogar Lebensversicherungen. Können sie unser Leben „sicher“ machen? Sie können es nicht. Sie können keine Feuerbrunst, keine Unwetter, keine Krankheit und keine Verkehrsunfälle verhindern. Der „Unsicherheitsfaktor“ begleitet uns ein Leben lang. Das wussten die Menschen schon in alten Zeiten. Mit feiner Beobachtungsgabe lässt die Sage der Deutschen ihren stärksten Helden, Siegfried, ein Opfer der Unaufmerksamkeit und des Vertrauens in seine Gefährten werden. Im offenen Kampfe, Schild gegen Schild, Brust an Brust, hätte der feindselige Hagen den Kämpfer Siegfried niemals besiegt. Wie jedoch Siegfried auf der Jagd im Odenwald das Schwert abschnallt und samt Bogen und Lanze ins Gras niederlegt, wie er dürstend das Wasser aus der kühlen Quelle trinkt, da kann ihm Hagen durch die einzige verwundbare Stelle auf dem Rücken den Todesspeer ins Herz stoßen.
Mit einem anderen Bild will uns der religiöse Volksschriftsteller Ignaz Klug die gleiche Wahrheit vor Augen stellen. Er schreibt: „Ich stand mit einem Freund auf dem Vesuv und wir sahen hinab auf das paradiesische Stück Erde, das sich unserem Blick darbot. Wir sahen das blaue Meer, die Stadt Neapel, die reichen Kränze von Olivenwäldern an den Abhängen des Gebirges und vergaßen fast, dass wir auf einem Boden standen, in dessen Innerem eine Glut kocht, siedet, wallt und nach oben drängt. Sie kann jeden Augenblick die dünne Rinde sprengen, von der sie umschlossen ist. Dann stürzen Feuerströme hinab auf das lachende Leben, ersticken und verbrennen es.“
Wir leben fern vom Vesuv, aber eigentlich wohnen wir alle auf Vulkanen. Weh dem, der die glühenden Lavamassen der Leidenschaften zum zerstörenden Ausbruch kommen lässt. Gegen Vulkaneruptionen menschlicher Leidenschaften kann keine Versicherungsgesellschaft aufkommen. Die beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts zeigen uns das augenscheinlich. Der Vulkan schlummert in unserer Brust. Wie hilflos und unsicher der Mensch wird, wenn er die Leidenschaft in seiner Brust nicht bändigen kann, zeigt der in unserer Banater Heimat geborene Dichter Nikolaus Lenau (1802-1850). Das Siegel des Dichters, dessen er sich noch bei seinem letzten, vor Ausbruch des Wahnsinns, geschriebenen Brief bediente, zeigte ein von sturmgepeitschten Wogen umhergeschleudertes Schiff mit der Überschrift: „Telle est ma vie – Das ist mein Leben!“ Unser irdisches Leben wird, trotz aller Versicherungen, die wir abschließen, nie sicher sein. Es gibt leider zu viele „Unsicherheitsfaktoren“, die wir nicht meistern können.
Unser christlicher Glaube lehrt, dass uns nach unserem so schnell vergänglichen irdischen Leben, ein unvergängliches Leben bei Gott verheißen ist. Für die Sicherheit des zu erwartenden Lebens können wir etwas Entscheidendes tun. Das sagt uns der hl. Augustinus: „Der dich ohne dich erlöst hat, macht dich nicht selig ohne dich!“ Das sollten wir in der Adventszeit besonders beherzigen. Gott will uns beschenken, aber wir müssen uns des Geschenkes auch würdig erweisen. Er lädt uns zur Hochzeit ein, aber den Weg dorthin müssen wir selbst gehen. Da wir für diese Einladung Gottes geistig ziemlich „schwerhörig“ sind, müssen wir unser geistiges Ohr „hellhörig“ für die weihnachtliche Heilsbotschaft machen. Gott arbeitet an unserer Rettung. Hören wir auf seine Zeichen: „Erhebt eure Häupter, denn es naht eure Erlösung!“ Wie wir mithelfen sollen, sagt uns der Apostel Paulus im Römerbrief: „Jetzt ist das Heil uns nähergekommen. Lasst uns ablegen die Werke der Finsternis. Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag. Sorgt nicht übermäßig für euren Leib, dass dadurch die Begierden erwachen!“ Das sei unser Adventsbeitrag zu unserer Rettung: Hellhörig und nach unseren Kräften tätig sein!