Liebe Leserinnen und Leser,
in diesen Wochen feiern alle Erntedank. Wir gedenken der Gaben, mit denen Gott unser Leben reich macht, wir danken für Blumen, Früchte, und all das Gute, das er uns schenkt...Und ganz besonders für „seine unaussprechliche Gabe!“ (2. Korinther 9,15)
Versetzen wir uns einmal in unsere Kinderzeit, in die Schulzeit, und stellen uns vor, wie wir da auf einem Geburtstagsfest sind, mit Freunden beschäftigt und die Hausaufgaben und die Kontrollarbeit von Morgen vergessen haben. Und dann, zuhause, erst wieder der Gedanke daran. „Ach du Schreck: Morgen haben wir Mathearbeit!“
Und schon greift das schlechte Gewissen um sich, und wir machen uns Vorwürfe: „Hätte ich doch etwas mehr gelernt!“ Aber es ist zu spät. Die Eltern drängen, dass wir ins Bett kommen, das Licht geht aus und es bleibt nur das Bangen und eine unruhige Nacht.
Und dann am nächsten Morgen, als hätten wir gar nicht geschlafen, müssen wir aufstehen. Draußen regnet es und auf dem Weg ins Bad stoßen wir uns die kleine Zeh an. Wir sehen uns schon pitsche-patsche nass in die Schulbänke fallen, erschöpft und ohne Willen, und denken: „Ach, hätt’ ich doch nur mehr gelernt!“ Aber dann passiert das Unfassbare: Die Klassentür geht auf und jemand teilt mit, dass die Kontrollarbeit „leider“ ausfallen muss, weil der Mathelehrer krank geworden ist ...Aber zurück zur Gegenwart: Da gibt es auch Tage, die ganz schrecklich beginnen und uns den Frohsinn nehmen, und dann auf ganz wundersame Weise sich in ihr Gegenteil verkehren. Manchmal ganz ohne unser Dazutun. Situationen, aus welchen wir ganz einfach gerettet werden, weil jemand anders seine Hand im Spiel hat: „Gott sei Dank!“
Ich denke z. B. an wetterbedingte Schmerzen, die fast jeder von uns hat, und die manchmal schon früh am Morgen da sind, wenn wir aufstehen. In den Gelenken, im Kopf, oder auch im Magen … irgendwann sind sie verschwunden; wir sehen nur noch den schönen blauen Himmel und die bunten Herbstblätter; die Blumen im Garten und auf der Wiese, hören die Vögel zwitschern und die Düsenflieger brummen. Es ist, als wären die Schmerzen nie gewesen. Wir können durchatmen, einen Kaffee trinken und vielleicht auch „Gott sei Dank“ sagen!
Ja, das sind Geschenke, die Gott uns zukommen lässt, auch wenn wir sie im ersten Augenblick vielleicht nicht als Seine Geschenke wahrnehmen. Aber wir feiern ein Fest, das uns Gelegenheit gibt, uns zu erinnern und zu ermahnen, Gott immer wieder „Danke“ zu sagen, für das, was uns an Gutem widerfährt... auch, wenn es sich vielleicht „nur“ um Alltägliches handelt. Aber vor allem, wenn es um Rettung oder Erfolge geht, die wir erreichen. Aber was ist mit der „unaussprechlichen Gabe“ gemeint?! Was ist so groß, dass wir den Mund vor Staunen nicht zubekommen, und uns mit Worten nicht mehr artikulieren können?Es ist Seine bleibende Liebe zu uns Menschen! Sie hat Ihn dazu veranlasst, seit Menschengedenken die Gemeinschaft mit Menschen zu suchen und selber Mensch zu werden. Denken wir an die vielen Dialoge, die Gott mit Abraham und Jakob, mit Isaak und Josef, später mit Mose und den Propheten geführt hat. Alle waren sie nur auf dieses Eine ausgerichtet: Das Wohl der Menschen und ihre Gemeinschaft mit Gott. Und dann die Beauftragung von Jesus, seinem eignen Sohn, für die Menschheit zu leben und zu sterben.
Das ist Gottes unaussprechliche Gabe: Dass er uns Menschen sucht, auch wenn wir ihm den Rücken zudrehen; dass er uns immer wieder findet und rettet, wenn wir es nicht erwarten und auch nicht erhoffen. Dass er einfach mit uns sein will. Gott sei Dank!
Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es anders wäre. Dass es keinen Gott gäbe, dem man Danke sagen kann für das, was man erreicht oder auch geschenkt bekommen hat. Dass es Nichts gäbe, das uns zum Staunen bringt, oder dass dieses Unaussprechliche ganz normal und geläufig wäre.
Aber „Gott sein Dank“ muss ich mir das auch nicht vorstellen. Denn Gott ist da und beschenkt uns Tag für Tag.
Amen