Nicht jeder Mensch kann ein Künstler werden. Dazu gehört die künstlerische Begabung, die man nicht erwerben kann, sondern die dem angehenden Künstler als Geschenk in die Wiege gelegt wurde. Fehlt die Begabung, so bringt man es im besten Fall zu einem guten Handwerker. Aber Künstler wird man nicht allein durch die künstlerische Begabung. Man muss viel an sich arbeiten. Erst die glückliche Mischung von Begabung und unentwegtem Fleiß bringt den vollblütigen Künstler hervor. Daraus folgt, dass nicht jeder Mensch ein Künstler werden kann. Das wird auch von niemandem verlangt. Aber etwas anderes wird von jedem von uns gefordert: Wir sollen aufrechte Christen, das heißt, „Lebenskünstler“, werden. Dazu wird keine besondere Begabung verlangt. Zwei Voraussetzungen sind aber unabdingbar: eine ideale Gesinnung, die sich über die Erdendinge zu Gott empor hebt und die Festigkeit in gesunden Grundsätzen, damit die ideale Gesinnung auch im alltäglichen Leben umgesetzt werden kann.
Als Vorbilder stellt uns das Evangelium die Apostel vor Augen. Sie verließen aus Liebe zu Christus ihre Familien und ihren Beruf. Nach der Auferstehung Christi ging ihr Sinnen und Trachten über die Güter der Erde, die uns doch so faszinieren, weit hinaus. Als der Zauberer Simon den beiden Aposteln Petrus und Johannes Geld anbot, um geistliche Macht zu erkaufen, entgegnete ihm Petrus entrüstet: „Dein Silber fahre mit dir ins Verderben, wenn du meinst, die Gabe Gottes lasse sich für Geld kaufen!“ Der Apostel Paulus schrieb an die Phillipper: „Ich habe alles aufgegeben und halte es für Unrat um Christus zu gewinnen!“ Das sind Höhengipfel idealer Gesinnung.
Die Apostel ließen es nicht bei bloßen Worten bewenden. Ihre ganz Gott zugewandte Gesinnung prägte sich auch in ihrem Leben aus. Als die Hohenpriester sie geißeln ließen und ihnen unter Drohungen verboten, im Namen Jesu zu predigen, beriefen sie sich furchtlos auf ihren Grundsatz: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ Diesem Grundsatz blieben sie treu bis in den Märtyrertod. So besiegelten sie mit ihrem Blut ihre hohe ideale Gesinnung und die Festigkeit ihrer Lebensgrundsätze. Wollen auch wir aufrechte Christen, das heißt, wahre Lebenskünstler sein, so müssen auch wir diese ideale, ganz Gott zugewandte Gesinnung haben. Das Wort des Apostels Paulus: „Suchet, was droben ist“, muss für uns ein ständiger Antrieb sein. Leicht ist es nicht. Die irdische Welt mit ihren mannigfachen Gütern und Genüssen fasziniert unseren Geist oft in so hohem Maße, dass wir das Gegenteilige suchen, nämlich „das, was drunten ist“. Es besteht für uns die große Gefahr, dass es uns so ergeht wie dem Adler, von dem ein Engländer berichtet. Er beobachtete auf der Jagd im Gebirge einen mächtigen Adler, der einer Bergspitze zuflog. Plötzlich wurde der gewaltige Vogel im Flug unsicher und stürzte ab. Der Jäger eilte schnell herbei. Was sah er? Der Adler hielt in seinen Fängen ein Wiesel. Das hatte ihn in die Brust gebissen und ihm sein Blut ausgesaugt. So war der stolze Vogel immer schwächer geworden. Schließlich stürzte er in die Tiefe.
Wir sollen unser Herz über die vergänglichen Erdendinge hinweg empor zu Gott erheben. Gott hat uns zu geistigen Adlern berufen. Lassen wir uns aber von den materiellen Gütern verzaubern und verführen, so beißt sich das Wiesel der Habsucht und Genussgier in unser Herz fest, saugt uns das Blut der idealen Gesinnung aus und wir stürzen in den Abgrund der Gottesferne. Lassen wir es nicht soweit kommen! Das Wiesel der Habsucht darf uns nicht unsere religiösen Ideale rauben. Dazu verhelfen uns gesunde Lebensgrundsätze. Das zeigt uns der berühmte französische Chemiker Louis Pasteur. Schon in seinen jungen Jahren hatte er sich einen Lebensgrundsatz gewählt: „Per vias rectas - auf geradem Weg zum Ziel!“ So konnte Paris für ihn nicht zur Verführungsfalle werden. Er erklärte: „Paris sei nicht gefährlicher als jeder andere Ort. Verführt werde dort nur, wer keine Grundsätze und keinen festen Willen habe! Er wurde ein berühmter Gelehrter, Mitglied der französischen Akademie und einer der „40 Unsterblichen“.
Auch wir wollen Lebenskünstler werden. Stärken wir unsere Gott zugewandte ideale Gesinnung und halten wir uns an gesunde Lebensgrundsätze! Damit bringen wir es sogar weiter als Pasteur in Paris. Wir werden nach diesem Laben zu den „Unsterblichen“ im Reiche Gottes gehören.